London, 1940. Der kleine Peter wird von seiner Mutter als Baby vor die Tür eines Waisenhauses gelegt, das sein neues Heim werden soll. Doch dort kümmert sich eine kinderhassende Nonne um die Kleinen und macht Peter und den anderen das Leben zur Hölle. Eines Nachts stürmen Piraten das Haus und entführen Peter in die geheimnisvolle Märchenwelt „Neverland“. Der dort herrschende Piratenkapitän Blackbeard versklavt die entführten Kinder zur Arbeit in seinen Minen, um Feenstaub zu suchen, der ihn auf ewig jung halten soll. Als Peter den ebenfalls von Blackbeard gefangengehaltenen James Hook kennenlernt, beschließen die beiden, sich gegen Blackbeard aufzulehnen und Neverland aus seinen Klauen zu befreien. Und Peter lernt ein neues, freies Leben kennen. Ein Leben als Peter Pan. Im Jahr 1904 wurde J. M. Barries Geschichte rund um den Jungen, „der nicht erwachsen werden wollte“, uraufgeführt und seitdem unzählige Male für die Leinwand, die Bühne und die Literatur immer wieder neu aufbereitet. Regisseur Joe Wright schafft nun eine Neuinterpretation der Geschichte in Form eines Prequels. James Hook und Peter sind noch Freunde und haben einen gemeinsamen Gegner, den es zu bekämpfen gilt. Dabei gelingt es dramaturgisch perfekt die Fallhöhe der Figur des Hook, der heimlichen Hauptfigur des Filmes, darzustellen. Stets liegt die Frage in der Luft, wann aus ihm endlich der Bösewicht wird, den man aus den Geschichten kennt. So wird die bekannte Figurenkonstellation der Originalgeschichte gut vorbereitet. Die wunderschönen Aufnahmen des Feenreiches, die eindrücklich inszenierten Bilder der tristen Minen Blackbeards und eine beängstigend nah inszenierte Luftschlacht über London machen den Film zu einem wahren Effektfeuerwerk. Darüber hinaus weist PAN eine ganze Reihe großartiger Darsteller auf, allen voran den jungen Levi Miller als Peter. Er schafft es die Tragik des Waisenkindes darzustellen und spielt glaubwürdig die Selbstzweifel, aber auch die spätere Überzeugung, die ihn zu dem Peter Pan machen, den die Welt kennt. Auch Garrett Hedlund überzeugt als jugendlicher, draufgängerischer Hook, aus dem später eben jene tragisch-böse Figur wird. Und doch ist es einmal mehr Superstar Hugh Jackman als Piratenkapitän Blackbeard, der allen die Show stiehlt. So viel Lust an der Bösartigkeit, so viel herrliches tiefgründiges Spiel in einer eindrucksvollen Maske. Das macht Blackbeard zu einer Figur, die noch lange in Erinnerung bleiben wird. PAN ist eine bildgewaltige, raffiniert erzählte und lustvoll aufgespielte Neuinterpretation einer Geschichte, die weltbekannt ist. Und eine Einladung, sie noch einmal ganz neu für sich zu entdecken.
Jurybegründung:
In PAN wird erzählt, wie aus dem Waisenjungen Pan die mythische Gestalt Peter Pan wurde. Dabei machen Drehbuchautor Jason Fuchs und Regisseur Joe Wright im ersten Akt Anleihen bei einem anderen britischen Schöpfer von Populärmythen, denn das Waisenhaus, in dem der junge Held aufwächst, scheint direkt aus einem Roman von Charles Dickens übernommen worden zu sein. Auch sonst überrascht der Film ständig mit Anachronismen und Popzitaten, die zum Teil so grandios funktionieren wie das fliegende Piratenschiff von Blackbeard in einer Luftschlacht über London, dann aber wieder eher irritieren wie die bombastische Chornummer, bei der die gefangenen Kinder, die in einem Bergwerk arbeiten müssen „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana singen.
In einer Fantasiewelt sollten der Fantasie keine Grenzen gesetzt werden und in diesem Sinne ist PAN gelungen. Der Übermut, mit dem die Filmemacher in die Trickkiste greifen, ist ansteckend. So werden Erinnerungen in Rückblenden mit ganz eigenen Animationsstilen wie den Jahresringen des „Memory Trees“ oder den Wasserbewegungen beim „Underwater Flashback“ visualisiert. Ähnlich frei ist auch die Neuinterpretation der Geschichte, bei der etwa die kleine Fee Tinkerbell nur einen winzigen Gastauftritt hat und der spätere Erzschurke Hook ein Sympathieträger und Freund des jungen Helden ist. Er und seine spätere Todfeindin Tiger Lilly sind sogar ein Liebespaar, und erst seine Freude daran, Kapitän zu sein, sowie sein ominöser Schlusssatz lassen seine spätere Entwicklung (und eine Fortsetzung?) erahnen.
Auf einer anderen Ebene ist dies aber auch die Geschichte eines Jungen, der lernt, seine Ängste zu überwinden und mit den hohen Erwartungen der Anderen, die ihn immerhin für den Erlöser halten, umzugehen. Dieser Erzählstrang trägt den Film und macht ihn für ein junges Publikum interessant. Denn Wright setzt hier zwar einerseits (auch bei den 3D-Effekten) auf eine Überwältigungsdramaturgie, er ist aber zugleich ein Regisseur, der weiß, dass es die Schauspieler sind, die letztendlich den Film lebendig werden lassen. So ist Levi Miller in der Titelrolle eine Entdeckung. Er spielt vor der Kamera absolut natürlich und deshalb folgt man ihm gerne auch in die absurdesten Situationen. Hugh Jackman ist zwar unter der Maske des Piraten Blackbeard kaum zu erkennen, aber er gibt den Bösewicht mit offensichtlichem Vergnügen und viel Spielwitz.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)