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pereSTROIKA: Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit ihrer Familie in einem einzigen Zimmer wohnen und sich Küche, Bad und Telefon mit bis zu zwei Dutzend weiteren Personen teilen. In St. Petersburg ist das nicht ungewöhnlich, sondern ein Relikt aus den Zeiten der sowjetischen Normzuteilung und noch lange nicht Vergangenheit. Ungeübt im Umgang mit Besitz aber jahrzehntelang trainiert im Ergattern von staatlichen Zuteilungen, setzt...

Handlung und Hintergrund

In einer Wohnung in St. Petersburg teilen sich mehrere Familien je ein Zimmer und versuchen auf engstem Raum, miteinander auszukommen. Diese Lebensweise geht auf den Kommunismus zurück, wo staatliche Normzuteilungen statt Besitz den Alltag regelten. Noch heute keine ungewöhnliche Situation für viele Familien, die sich nun mit Marktwerten auseinander setzen müssen. Denn eigentlich möchten sie ausziehen - aber das geht nur, wenn alle mitmachen.

Ein Gefühl von Marktwirtschaft im heutigen Russland verschafft Christiane Büchner in einer Dokumentation über auf engstem Raum zusammengepferchte Familien in St. Petersburg, die auf Gedeih und Verderb kooperieren müssen, um vom Kapitalismus zu profitieren.

In St. Petersburg hat sich bis zum Ende des Sozialismus eine bestimmte Art des Zusammenlebens etabliert: Die so genannte „Kommunalka“, die die einzelnen Zimmer einer Wohnung an ganze Familien vermietet. So kommt es, dass jedes Zimmer wie eine kleine Wohnung funktioniert. Solch eine „Kommunalka“ darf nur gemeinsam angemietet und ebenso nur einstimmig gekündigt werden. Genau diese Schwierigkeit steht im Zentrum dieses Films.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Christiane Büchner
Produzent
  • Tobias Büchner
Drehbuch
  • Christiane Büchner
Musik
  • Dietmar Bonnen,
  • Andreas Schilling
Kamera
  • Irina Uralskaja,
  • Anatolj Petriga
Schnitt
  • Gesa Marten

Kritikerrezensionen

    1. pereSTROIKA erzählt eindrucksvoll und höchst unterhaltsam aus dem Mikrokosmos des russischen Alltags und dabei lernt der Zuschauer viel über die tatsächliche Befindlichkeit der russischen Gesellschaft. Staunend erfährt man, dass aus Mangel an Wohnraum in Petersburg auch heute noch Einzelpersonen wie auch ganze Familien gezwungen sind, sich mit mehreren Parteien eine Wohnung zu teilen und dabei meist nur ein Zimmer bewohnen. In ihrem äußerst authentischen Dokument schafft es die Filmemacherin ganz nah an diese sonst eher verschlossenen Bewohner heranzutreten, ihre Situation zwischen der kommunistischen Wohnform und der rauen, kapitalistischen Lebenswirklichkeit zu schildern und damit zu nachhaltigen Überlegungen anzuregen. Ein ungewöhnlich intensiver Einblick in eine andere Lebenswirklichkeit.

      Jurybegründung:

      Perestroika heißt Umbau. Die von Gorbatschow geprägte Metapher für die Reformierung der Gesellschaft steht in dieser Dokumentation für die Generalsanierung einer ehemaligen sowjetischen Komunalwohnung, einer Kommunalka.

      Eine Bewohnerin beschreibt die Ausgangssituation so: Eine Gemeinschaftswohnung ist so etwas wie ein Wohnheim. Man treibt verschiedene Familien in eine Wohnung, die dann miteinander leben müssen.

      Nach dem Ende des Sozialismus schenkte der Staat den Bewohnern ihre Zimmer. Nun soll eine solche Kommunalka im Zentrum von St. Petersburg entmietet, verkauft und umgebaut werden. Ein langer Weg beginnt.
      PereStroika ist ein Dokumentarfilm, der wie ein Krimi wirkt und zugleich eine faszinierende systemkritische Studie ist. Die Auflösung der Kommunalka wird zum Gleichnis für Glanz und Elend der Gesetze einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Ein Crashkurs in Kapitalismus und im Brecht’schen Sinne ein Lehrstück.

      Die Perestroika gerät zur wahren Sisiphus-Arbeit mit immer neuen Komplikationen: Eine Kette von Käufen und Verkäufen, von komplizierten Tauschvorgängen. Ein endloses Geschacher, wobei ein Klecks in einem Pass das gesamte Projekt am Ende fast noch zum Scheitern bringt. Ein schier unentwirrbarer Knoten bietet sich dem wie gebannt einbezogenen Zuschauer. Erst nach sechs Monaten und sechs Stunden kommt es für die Bewohner zur Auflösung.

      Filmemacherin Christiane Büchner weilte dank einiger Stipendienaufenthalte schon mehrfach für längere Zeit in St. Petersburg und Moskau. 2002 drehte sie den viel beachteten Dokumentarfilm Das Haus der Regierung. Auch ihre jüngste Arbeit dokumentiert ihre erstaunliche Nähe und Vertrautheit mit Menschen und Vorgängen in der ehemaligen Sowjetunion und dem kapitalistischen Wandel.

      So entstand ein beeindruckendes Gleichnis unserer Zeit, in dem sich Erkenntnisgewinn mit dem Vergnügen an der Darstellung zu einer schönen Synthese findet.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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    2. pereSTROIKA - umBAU einer Wohnung: Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit ihrer Familie in einem einzigen Zimmer wohnen und sich Küche, Bad und Telefon mit bis zu zwei Dutzend weiteren Personen teilen. In St. Petersburg ist das nicht ungewöhnlich, sondern ein Relikt aus den Zeiten der sowjetischen Normzuteilung und noch lange nicht Vergangenheit. Ungeübt im Umgang mit Besitz aber jahrzehntelang trainiert im Ergattern von staatlichen Zuteilungen, setzt das Ausloten eines angemessenen Marktwertes für die einzelnen Zimmer dieser Wohnung eine Dynamik in Gang, die das Verhältnis aller Beteiligten noch ein letztes Mal auf die Probe stellt. Nun geht es nicht mehr darum, wer wie lange morgens das Bad blockiert oder die Küche mit besonders strengen Essensdüften verpestet. Jetzt, da sich ihre Wege unwiderruflich trennen, will jeder das Optimale für sich herausholen und scheut dabei vor nichts zurück. Denn entweder es ziehen alle aus, oder keiner! Diese Suche nach immer neuen Lösungsansätzen entwirrt der Film, indem er jedem Erzählstrang geduldig nachgeht. Anstatt seine Protagonisten moralisierend zu verzerren - hier die profitgierigen Makler, dort die ohnmächtigen Bewohner der Kommunalwohnung - bleibt er ihnen dicht auf den Fersen und zeigt sie im Kontext einer Bewegung, die die einstigen Nachbarn in alle Himmelsrichtungen auseinander führt. Weil sich pereSTROIKA gerade auf die Details des existenziellen Kampfs seiner Protagonisten um ein neues Zuhause einlässt, entwirft der Film ein Bild davon, wie sich freie Marktwirtschaft in Russland heute anfühlt.

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