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J.K. Rowling und die Trans*Community: Wo ist das Problem?

J.K. Rowling und die Trans*Community: Wo ist das Problem?

Ist die „Harry Potter“-Autorin trans*feindlich? Oder eine Feministin, die eine unbequeme Meinung vertritt? Worum geht es ihr? Und was daran ist problematisch?

Es ist wahrscheinlich den meisten nicht entgangen, dass die bekannte „Harry Potter“-Autorin sich in den letzten Jahren hauptsächlich über Twitter trans*feindlich geäußert hat und dafür im Zentrum eines aggressiven Shitstorms landete. Das hat allerdings nicht dazu geführt, dass sie ihre Äußerungen kritisch überdachte. Stattdessen hat sie erst kürzlich ihre Meinung auf der Plattform X erneut bekräftigt, da sie zuvor unter anderem von Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe für ihre Worte kritisiert wurde.

Für alle, die diese Ereignisse nicht verfolgten, aber schon immer mal wissen wollten, was da eigentlich los ist, zuerst ein kurzer Abriss der Vorfälle.

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J.K. Rowling: Trans*feindliche Äußerungen auf Twitter

  • Im Dezember 2019 nahm alles seinen Anfang mit einem Twitter-Post, in dem sich Rowling unterstützend zu Maya Forstater geäußert hat. Diese wiederum ist eine Steuerexpertin, die ihren Job verlor, weil sie sich transfeindlich über Twitter geäußert hatte. Sie hatte sich gegen das Self-Identification-Gesetz ausgesprochen, das in England eingeführt werden sollte. Danach wäre es möglich gewesen, seinen Geschlechtswechsel allein durch Sprechakt durchzuführen, ohne medizinische und psychiatrische Gutachten. Forstater schrieb dazu auf Twitter, dass sie befürchte, eine solche Regelung mache die Kategorie „Frau“ bedeutungslos, und dass sie nicht glaube, dass Menschen ihr biologisches Geschlecht ändern könnten. Ihr wurde daraufhin gekündigt, sie ging vor Gericht, verlor (in der ersten Instanz) und darüber empörte sich dann unter anderen auch Autorin Rowling unter dem Hashtag #StandWithMaya. Daraufhin wurde sie teilweise hart beschimpft und auch ihre Bücher wurden öffentlich verbrannt.
  • Viele sprachen sich gegen ihre Äußerung aus, auch Stars aus den „Harry Potter“-Filmen distanzierten sich in Solidarität mit Trans*menschen öffentlich davon.
  • Es folgte ein Tweet, in dem sie sich über einen Beitrag lustig machte, der von „Menschen, die menstruieren“ sprach, auch dies führte zu Aufruhr.
  • Im Juni 2020 entschloss sich Rowling eine längere und zum Teil sehr persönliche Stellungnahme zum Disput abzugeben, die ihr hier nachlesen könnt.
  • Mit ihrer Meinung hält Rowling weiterhin nicht hinterm Berg, erst kürzlich erneuerte sie ihre öffentliche Haltung in einem Beitrag, der sich gegen ein neues Gesetz in Schottland wendet, das es Trans*personen erleichtert, ihre Identität gesetzlich anerkannt zu bekommen und ihnen langwierige medizinische und psychiatrische Begutachtung erspart.

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Die feministische Sorge um die Definition von „Frau“

Die Autorin nimmt für sich in Anspruch, nicht transfeindlich zu sein. Ihr geht es nach eigenem Bekunden um den Schutz der Frauen, den sie durch Gesetzgebungen wie das geplante englische Gesetz oder das kürzlich in Schottland in Kraft getretene Gesetz gefährdet sieht. Sie befürchtet, wenn medizinische Gutachten oder andere Hürden wegfallen, würden biologische Männer sich Zutritt zu geschützten Frauenräumen wie Toiletten oder Umkleidekabinen verschaffen können. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine, sie wird tatsächlich von so vielen Feministinnen geteilt, dass sich dafür bereits ein Begriff manifestiert hat: TERF. Das Akronym steht für Trans-Exclusionary Radical Feminism, radikaler Feminismus, der Transpersonen ausschließt.

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Vertreterin der obigen These ist beispielsweise auch das deutsche Magazin EMMA, das erfreut zur Kenntnis nahm, dass Maya Forstater in zweiter Instanz vom Gericht Recht bekam. Denn ihre Haltung, dass das biologische Geschlecht nicht veränderbar sei, wäre eine geschützte philosophische Überzeugung, die weithin geteilt würde. Das könne zwar für manche Menschen schmerzlich oder besorgniserregend sein, müsse aber in einer demokratischen Gesellschaft toleriert werden. Für EMMA ist dieses Urteil „ein Meilenstein für die Meinungsfreiheit“ und „schiebt den Sprechverboten in der Trans-Debatte einen Riegel vor“.

Es wird von Frauen, die diese Meinung vertreten, immer wieder betont, dass sie die Geschlechtsidentität von Personen respektieren, dass sie aber anzweifeln, dass man sein biologisches Geschlecht verändern könne. Also ein Mann bleibt ein Mann, auch wenn er sich als Frau definiert. Es geht also um den Unterschied zwischen sozialem Geschlecht (Gender) und biologischem Geschlecht (Sex). In den Augen dieser Feministinnen kann sich also ein Mann als Frau definieren, sich weiblich anziehen, Namen und Pronomen wechseln, aber trotz alldem bleibt er dennoch ein Mann. So wie Rowling es in diesem Twitter-Post bekundet:

In dieselbe Kerbe schlägt ein anderer Post, in dem sie sich über die Formulierung „Menschen, die menstruieren“ lustig macht und behauptet, hier müsse man Frauen statt Menschen sagen:

Mehreres an dieser Haltung ist trans*feindlich und weist auf ein sehr normatives Menschenbild hin. Trans*frauen werden auf ihren vermeintlich männlichen biologischen Ursprung reduziert, als potenzielle Gefahr konstruiert und somit auch vom feministischen Kampf gegen Sexismus ausgeschlossen. Der Menstruations-Post ignoriert zudem die Realität, dass es tatsächlich Menschen gibt, die menstruieren, sich aber nicht weiblich fühlen, definieren oder lesen lassen wollen. Das heißt, Rowling übernimmt hier die Definitionsmacht, wieder in einem streng biologistischen und inzwischen überholten Weltbild verhaftet, das sagt, wer monatlich blutet, ist eine Frau und muss auch so bezeichnet werden.

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Warum ist das trans*feindlich?

Mit dieser Argumentation wird versucht, Trans*identitäten komplett in den Bereich der sozialen Konstruktion zu verschieben, denn real, wirklich existent und faktisch ist nach dieser Lesart nur die Biologie. Die Botschaft lautet: Zieht euch an, wie ihr wollt, nennt euch, wie ihr wollt, schlaft mit wem ihr wollt, wir tolerieren das, aber unterm Strich obliegt uns die Definition, was ihr wirklich seid. Das ignoriert völlig, dass Trans*menschen auch biologisch real sind, es gab und gibt sie zu allen Zeiten, in allen Gesellschaften und Kulturen und nicht überall war die Vorstellung des westlichen, binären Geschlechtersystems vorherrschend. Zum Beispiel ist vielen Volksgruppen der nativen Bevölkerung Nordamerikas das dritte Geschlecht („Two-Spirit“ – Aber Achtung: warum sich das Konzept nicht einfach in unsere Kultur übertragen lässt, könnt ihr bei Red Haircrow nachlesen) in den gesellschaftlichen Geschlechtermodellen vorgesehen – ohne Gender-Studies, ohne soziale Konstruktion, ohne Gutachten und so weiter, einfach als Tatsache. Aber auch in unserer Kultur ist die Wissenschaft inzwischen sehr viel weiter und was wir einst in der Schule über Chromosomen lernten, schlicht überholt.

Davon also abgesehen, dass Trans*menschen ganz einfach biologische Realität sind, entbehrt die binäre biologistische Sichtweise, auf die sich Rowling und andere Feministinnen beziehen, inzwischen einer wissenschaftlichen Grundlage und dient letztlich nur dazu, Trans*feindlichkeit zu rechtfertigen.

Auch die Idee, dass Cis-Männer sich als Trans*frauen ausgeben könnten, um sich Zugang zu Frauentoiletten und anderen Schutzräumen zu verschaffen, um dort Frauen anzugreifen, ist beleidigend und schürt beziehungsweise aktiviert Ängste, die bereits in vielen Jahrzehnten durch Hollywood-Klischees (gerne zu diesem Thema mal „Disclosure“ auf Netflix anschauen) geprägt wurden. Diese eher unfundierte und recht irrationale Sorge steht zahlreichen realen, gewalttätigen und oftmals auch tödlichen Übergriffen gegenüber, die Trans*frauen erleiden mussten und müssen, wenn sie sich im öffentlichen Raum bewegen.

Rowlings Kriminalroman und ihr Pseudonym

Das eben angesprochene Horror-Szenario, in dem ein als Frau verkleideter Mann tödlich unter Frauen wütet, hat Rowling auch in ihrem Kriminalroman „Troubled Blood“ verarbeitet, der unter ihrem Pseudonym Robert Galbraith erschienen ist. Die Autorin selbst hat eine Erklärung abgegeben, dass dieser Name eine Kombination aus dem Vornamen Kennedys ist und dem Nachnamen einer Fantasiefigur aus ihrer Kindheit. Wollen wir mal nicht in Abrede stellen, dass das stimmt, können wir aber dennoch hinterfragen, warum sie diesen Namen weiterhin nutzt. Denn Robert Galbraith Heath ist ein US-amerikanischer Psychiater, der 1999 verstorben ist und sich mit Elektroschock-Therapie beschäftigte unter anderem, um Homosexuelle zu Heterosexuellen umzukehren und zu diesem Zweck an einem Inhaftierten herumexperimentierte.

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Es geht um den Kampf für soziale Gerechtigkeit für alle

J.K. Rowling hat mit ihren Tweets viele ihrer Fans vor den Kopf gestoßen und provoziert. Wie stark ihre Tweets emotionalisiert haben, zeigen die starken Reaktionen aus der Community bis zum aggressiven Akt der Bücherverbrennung und der Öffentlichmachung ihrer Adresse, Dinge, die wir hier trotz allem keineswegs rechtfertigen wollen. Sie selbst hat behauptet, sich intensiv mit Trans*sexualität auseinandergesetzt und Kontakte zu Trans*menschen gesucht zu haben. Umso erstaunlicher ist es, dass sie sich weiterhin gegen emanzipatorische Gesetzesänderungen wendet und sich über Formulierungen wie „Menschen, die menstruieren“ lustig macht. Wie sie sagt, geschieht dies aus einer feministischen Perspektive und zum Schutz der Frauen, die in ihrem Weltbild als solche anerkannt sind. Mit dieser Haltung steht sie nicht alleine, aber weitaus nicht alle Feministinnen teilen diesen radikalen Standpunkt. Denn weiten Teilen der feministischen Bewegung geht es um soziale Gerechtigkeit für alle und um diesen Kampf zu gewinnen, brauchen wir mehr Solidarität und keine Spaltung.

Glücklicherweise spielt sich diese Debatte in einer Zeit ab, in der sich für Trans*menschen schon viel zum Positiven hin verändert hat. Sie sind in allen gesellschaftlichen Bereichen und Positionen zu finden und der jahrzehntelangen Missrepräsentation in den Medien können wir inzwischen zahlreiche positive Beispiele entgegenstellen. Rowling hingegen knüpft mit ihren Tweets genau an die tradierten Ängste und Stereotype über Trans*menschen an, was bei einer so einflussreichen Jugendbuch-Autorin zumindest zu bedauern ist.

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