FBW-Pressetext:
Ein tragikomischer Culture Clash. Mit rauem Charme und viel Liebe erzählt. Très francais!
Alexandra hat ihr Medizinstudium mit Bravour abgeschlossen und will in die Forschung gehen. Doch als ihr Onkel, ein Tierarzt im Burgund, dringend eine Nachfolgerin benötigt, kann Alexandra nicht Nein sagen. Auch wenn sich alles in ihr dagegen sträubt, länger als nötig in dieser verlassenen Gegend mit ihren verschrobenen Einwohnern zu bleiben. Mit einer gelungenen Mischung aus komischen und berührenden Momenten erzählt der französische Film erfrischend unaffektiert von dem Gegensatz Stadt und Land.
Dass das Leben im ländlichen Burgund etwas rauer als in Paris ist, muss die Protagonistin Alexandra - mit anpackendem Charme gespielt von Noémie Schmidt - ernüchternd feststellen. Für die Zuschauer*innen ist genau das ein großes Vergnügen. Denn immer wieder gibt es Situationen, in denen sich der Culture Clash zwischen Stadt und Land zeigt und beide Seiten ihre Vorurteile gegenüber entweder bestätigt sehen - oder auch überdenken müssen. Im Gegensatz zu anderen französischen Komödien verzichtet Regisseurin Julie Manoukian auf starke Figurenüberzeichnungen oder überhöht malerische Landschaften. Eher zeigt sie das französische Land und seine Bewohner mit gesundem Realismus so, wie es ist: Rau, eigen und trotz aller Härte liebenswert. Passend dazu untermalen keine lieblichen Chansons die Szenerie, sondern eine stimmungsvolle Bluegrass-Musik, was die Vorgaben des Genres selbstbewusst gegen den Strich bürstet. Manoukian beweist einen sehr genauen Blick für das Zwischenmenschliche und erzählt unaufgeregt von einer jungen Frau, die von ihrem geplanten Lebensweg abweichen muss - um ihre eigentliche Bestimmung zu finden.
FBW-Jury-Begründung:
Der Film macht sich im Kern ein sehr populäres Rezept zu Nutze: Er erzählt eine Culture-Clash-Geschichte; die Hauptfigur, die frisch gebackene Veterinärmedizinerin Alexandra (Noémie Schmidt), fühlt sich wie ein „Fisch auf dem Trockenen“, als sie ein alter Freund der Familie unter falschen Voraussetzungen zurück in ihre Heimat aufs Land lockt. Da soll sie auf einmal als Landärztin funktionieren, ein höchst anspruchsvoller Job, den die lange schon in Paris lebende und an einer wissenschaftlichen Karriere interessierte Alexandra nie machen wollte und für den sie auch wenig qualifiziert scheint. So störrisch sie sich zu Beginn auch anstellt und soviel auch schief geht, steht doch von vornherein fest, dass die junge Frau an Land, Leute und Beruf schließlich doch Geschmack finden wird, und sogar mehr noch, dass sie Seiten an sich entdeckt, die sie vorher gar nicht kannte. Die Vorhersehbarkeit der Entwicklung ist dabei nicht unbedingt ein Störfaktor, sondern gehört zum Genre einfach dazu.
Die Jury war der Meinung, dass PLÖTZLICH AUFS LAND zwar enorm viele Klischees über das Landleben, seine rauen Bewohner und seine „lieben Viecher“ bedient, dass der Film aber gleichzeitig durch seine betont nüchternen Bilder etwas Erfrischendes hat. An keiner Stelle wird durch übertriebene Farbenpracht romantisiert, sondern im Gegenteil, die Landschaftsaufnahmen sind gleichermaßen sachlich-matt und verleihen dem Film den Charakter von Rauheit und Sprödigkeit.
Als rau und spröde ließe sich auch die Hauptfigur Alexandra beschreiben, die wiederum genau deshalb, so die Meinung der Jury, eine originelle und zeitgemäße weibliche Figur darstellt. Alexandra ist uneitel und direkt und nimmt die Tatsache, dass sie aneckt, zwar nicht wohlwollend in Kauf, aber doch als notwendige Folge. Das gibt ihr eine Aura von schmuckloser Nichtkorrumpierbarkeit, die im positiven an den Zeitgeist im Sinne der „Fridays for Future“-Bewegung erinnert.
Als das Zwiespalt des Films stellt sich nach Meinung der Jury heraus, dass er einerseits das höchst reale Problem der tierärztlichen Notlage auf dem Land darstellen und ernst nehmen will, dass er andererseits aber auch als Feel-Good-Movie gelten möchte. Einzelne Geschichten aus der Sammlung über den Menschen und das liebe Vieh wirken dann auf die Jury auch eher putzig als interessant. Andere wiederrum sind gelungen treffgenau und verdeutlichen das komplizierte Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Natur.
Eingewendet wurde von einzelnen Jurymitgliedern, dass der Film aus keiner seiner Situationen oder Elemente etwas entwickelt, was wirklich speziell und originell für diesen Ort und diese Zeit wäre. Als Resultat bleiben dann auch einige Handlungselemente ein wenig blass oder erscheinen willkürlich. Auf der anderen Seite fanden einige der Jurymitglieder genau an diesem gewollt unsentimentalen Stil der Geschichte einer Selbstbewusstwerdung und somit eines späten Coming-of-Age Gefallen. Der Unbefangenheit und Schlichtheit der Handlung, die ohne komplizierte Intrigen oder ambivalente Gefühle auskommt, haftet auch etwas ausgesprochen Naturalistisches, sogar Folkloristisches an, von dem sich die Jury gut vorstellen kann, dass es besonders ein junges Publikum anspricht.
In Abwägung aller Argumente vergibt die Jury gerne das Prädikat wertvoll.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)