Regisseur Jakob Ziemnicki, der zusammen mit Kathrin Milhahn (Mondscheinkinder) das Drehbuch zu Polnische Ostern schrieb, hat mit seinem Filmakademie-Debüt die Ethnokomödie nicht neu erfunden. Auch gab es in den letzten Jahren mit Steffen Möller und seinem Buch Viva Polonia oder mit Monika Anna Wojtyllos Klamaukfilm Polska Love Serenade schon diverse Versuche, uns die östlichen Nachbarn nahezubringen, die vielen Deutschen gleichzeitig zu ähnlich erscheinen und allzu fremd zugleich.
Polnische Ostern besticht jedoch in seiner aparten Mischung aus der Geschichte vom Besucher in der Fremde und der Story vom doch irgendwie liebenswerten Griesgram, der in ob seiner Ressentiments und seines Pessimismus eines Besseren belehrt wird. Den Löwenanteil an der Güte des Films trägt dahingehend Henry Hübchen (Lila, Lila, Alles auf Zucker) in seiner Rolle als Werner Grabosch. Mürrisch, misstrauisch, zornig oder herablassend angesichts der ungewollten Ost-Verwandtschaft oder in Konfrontation mit dem wahlweise rückständigen, ordnungslosen oder schlicht verrückten Treiben der Polen ist seine Miene.
Doch stets ist der Figur darüber auch eine Verletztheit mitgegeben, die sie einem nahebringt: Hier ist einer Muffel zwecks unbewusster Wundbehandlung. Grabosch mag die Polen nicht, weil sie nicht nur seine Enkelin ihm weggenommen haben, sondern zuvor schon, im übertragenen Sinn, die Tochter. Und weil letztere nun nicht mehr am Leben ist, hadert er im Stillen mit Gott und dem Konzept des Glaubens, was ihm den engagiert praktizierten Katholizismus der Nachbarn nur umso saurer aufstoßen lässt. Das ist in Polnische Ostern ganz leise und unauffällig eingebaut, aber es ist da, verknüpft still und heimlich das große Lehrstück und den Erziehungsroman mit einem persönlichen Drama und macht die Figur des Grabosch bemerkenswert rund.
Auch den Nebendarstellern sieht man gerne zu, von der kleinen Praschiva Dregus bis zu Adrian Topol als Tadeusz, den es für Grabosch stets als Gauner zu überführen gilt, oder die Mama, gespielt von der großen polnischen Aktrice Grazyna Szapolowska. Letztlich dienen sie alle aber eben nur (und im besten Sinne) Hübchen als Grabosch.
Ein weiterer Vorzug ist, dass es natürlich ein Happy End gibt, den Gesinnungswandel und die Seelenheilung des Mannes aus dem Westen, dass dies aber bemerkenswert leise ausfällt und nicht alles rundum in Friede, Freude, Eierkuchen auflöst. Auskuriert oder gar ein Netter wird Grabosch auch am Ende nicht sein bzw. werden.
Wie steht es mit Polnische Ostern nun in Sachen typisch polnisch? Ziemnicki, der selbst im ehemaligen Danzig geboren wurde, als Kind mit den Eltern nach Deutschland auswanderte und dank Wurzeln und Verwandtschaft genug um die kulturellen Unterschiede und Missverständnisse weiß, bietet einen vielseitigen Mix im Umgang mit Stereotypen und Klischees, ohne sie groß aufzulösen, ohne sich aber auch darin zu sehr zu ergehen oder zu verstricken.
Lustvoll ist sein Grabosch mit der ganzen Bandbreite an Vorurteilen ausgestattet: Polen sind arm, abergläubisch und potentiell kriminell, vor allem: Autodiebe. Und der Film macht sich einen Spaß daraus, den Werner mit diesen Vorstellungen insofern zu konfrontieren, als sie ihm von anderen Figuren vorgehalten werden und sich dann oft genug tatsächlich bestätigen. Damit wird auch das Publikum nicht mit einem naiven erzieherischen Gegen-Polen aus dem Kino zu entlassen, im Gegenteil: Es liegt vielleicht an Ziemnickis Vorwissen und Herkunft, dass dieses fremde Land, mit dem uns schließlich auch eine stets heikle geschichtliche Nachbarschaft verbindet, ein Stück Andersartigkeit behält.
Besonders der Glaube und die kleinen alltäglichen Abergläubigkeiten spielen dabei eine Rolle; Mathildas Nottaufe, die Bedeutung der Kommunion und was in einer urwitzigen Szene schnell als albern und unglaubwürdig durchgehen kann, ist tatsächlich überzogen, nicht aber im Kern unwahr oder gar wild erfunden: Wegen eines Verkehrsdeliktes wird Grabosch angehalten, von einem Polizisten auf dem Motorrad, der auch gleich einen Priester dabei hat. Der Westler wird vor die Wahl gestellt: Geldbuße oder Gebet zusammen mit dem Pater. Gibts in Polen so Ziemnicki wirklich; man setzt auf das schlechte Gewissen und die Frömmigkeit und beugt zugleich Schmiergeldsünden durch die Anwesenheit des Gottesmannes vor.
Auch dass teilweise in Czestochowa gedreht wurde, entlockt wohl manchem hierzulande ein Achselzucken wenn er nicht (zu schätzen) weiß, dass dies quasi der heiligste Wallfahrtsort der Polen ist.
Der Verdienst dieser liebenswerten, leicht konventionellen, aber bei allem Humor bisweilen feinnervigen Komödie ist daher, das Fremde nicht lediglich umzudeuten und einem deutschen Publikum anzueignen (nach dem wohlfeilen Motto Im Grunde sind die ja wie wir), sondern gerade als Anders- und Eigenartigkeit zu belassen, davor die Scheu abzubauen und neugierig zu machen.
Fazit: Liebenswerte, etwas vorhersagbare, aber nicht zuletzt dank Hauptfigur und -darsteller sowie Art und Flair der Völkerverständigung einnehmende Komödie in souveränem Tonfall.