Wolfgang Petersen bezeichnet POSEIDON scherzhaft als Abschluss seiner Wasser-Trilogie, denn nach seinem weltweiten Erfolgsfilm DAS BOOT (1981) und DER STURM (2000) ist es nun schon das dritte Mal, dass er eine Geschichte inszeniert, die auf oder unter dem Wasser spielt. Das mag daran liegen, dass der 65jährige Wasser schon immer für das am gefährlichsten und unberechenbarste Element hielt.
Schade nur, dass sein neuester Film es bei weitem nicht mit DAS BOOT aber auch nicht mit DER STURM aufnehmen kann. Denn dazu fehlt dem Film das nötige Fleisch, um es einmal so zu nennen.
Zwar überzeugen die visuellen Effekte, Lucas Firma ILM hat sich einmal wieder selbst übertroffen. Bestes Beispiel dafür ist diese Kamerafahrt. Die Einstellung startet unter Wasser, das Bug der Poseidon durchbricht die Fluten, die Kamera steigt aus dem Meer empor, umkreist die Poseidon langsam ansteigend, man sieht Dylan an Bord entlang joggen. Die Kamera fährt um das Heck herum und fängt Dylan von der anderen Seite wieder ein, nun auf dem Hauptdeck und endet schließlich auf der Sonne, die sich im Meer spiegelt.
Es ist dieser Sequenz nicht anzusehen, dass sie komplett, bis auf den joggenden Dylan, digital animiert ist. Es gibt dieses Boot nicht wirklich. Für diese circa zweiminütige Sequenz brauchten die Designer knapp anderthalb Jahre, und die Mühen haben sich gelohnt.
Leider ist dieser Schuss am Anfang des Filmes und somit hat man die schönste Szene des Filmes schon gesehen, bevor die eigentliche Handlung anfängt.
Ein weiteres Highlight des Filmes ist die Inszenierung der eigentlichen Katastrophe. Von jetzt auf gleich wird die gehobene Gesellschaft in ein Horrorszenario verwickelt. Petersen spielt gekonnt mit der menschlichen Natur, wenn er Leichen zeigt, die jedem Zombiefilm gerecht werden würden. Diese Angst vor dem Unerwarteten, dem eingesperrt sein in einer solch hoffnungslosen Situation, Klaustrophobie und der Angst vor dem lebendig begraben sein ist meisterhaft inszeniert. Für einen kurzen Moment fühlt man die Beklemmung der Figuren am eigenen Leib.
Es fehlt diesem Film also weder an visueller Kreativität, noch an mangelndem Actionpotential. Petersen inszeniert die spannungsgeladenen Szenen gewohnt souverän, und von diesen gibt es mehr als genug um diesen Film zu einem unterhaltsamen Kinoerlebnis zu machen. Es sind die Zwischentöne, die schlichtweg fehlen.
So wirken die zwischenmenschlichen Handlungen aufgesetzt und klischeehaft. Besonders viel Augenmerk wird auf die Geschichte zwischen Jennifer und ihrem Vater gelegt, dennoch sind die Momente zwischen den beiden entweder unzureichend charakterisiert oder kitschig. Der Zeitpunkt, als sie ihm schließlich gesteht, dass sie Christian heiraten will, ist so im Stile Hollywoods gewählt, dass die gewollte Dramatik eher ins Kontraproduktive umschlägt.
Die Figur von Ramsey ist ohnehin ein von plakativen Klischees geprägter Charakter, so dass jeglichen Momenten mit ihm ein unguter Beigeschmack anhaftet. Ein durch und durch moralischer Mann, resignierter Bürgermeister von New York und dazu auch noch ehemaliger heldenhafter Feuerwehrmann? Das sind ein paar phrasenhafte Elemente zu viel.
So verläuft auch der Konflikt, der sich zwangläufig zwischen ihm und Dylan, dem geborenen Einzelgänger ohne moralische Verpflichtungen, entspinnen würde, im Sande. Das Potential wird einfach nicht ausgeschöpft.
Bei Richard hingegen wünscht man sich schlichtweg mehr Information. Am Anfang des Filmes erwähnt Richard in einem Nebensatz, dass er von einem männlichen Partner verlassen wurde. Ansonsten gibt ein Diamantohrstecker mehr oder weniger subtil Aufschluss über seine Persönlichkeit. Im Presseheft hingegen wird das Offensichtliche mit keinem Ton erwähnt. So möchte man den Hollywoodvertretern fast schon ein wenig Mut zusprechen. Anscheinend wurde auf das sensible amerikanische Publikum Rücksicht genommen und Richards sexuelle Orientierung so verschleiert, dass er eher zu einem Neutrum als zu einer Person wird.
Ein weiteres handfestes Indiz, dass in diesem Film einmal wieder amerikanische Oberflächlichkeiten im Vordergrund gestanden haben, ist die Auswahl der Opfer. Gibt es einen Hollywood Film, bei dem ein Vertreter einer Außenseitergruppe überlebt? Sobald ein Dunkelhäutiger oder Latino auf der Leinwand zu sehen ist, kann man davon ausgehen, dass er oder sie zu den Opfern gehören wird. POSEIDON bildet hier, mit der Ausnahme von Richard, keine Ausnahme.
Dazu kommen die üblichen logischen Fehler. Soll man als Zuschauer tatsächlich glauben, dass von den hundert Überlebenden im Ballsaal tatsächlich nur fünf Leute nicht daran glauben, dass sie aus der Luftblase gerettet werden? Die Poseidon schwimmt Bug oben, das komplette Schiff ist unter Wasser. Wie sollte ein Rettungsteam, dass, sollte es in der gegebenen Zeit ankommen, die Überlebenden von dort retten? Zumal es ja offensichtlich keinen Zugang zu dem Schiff gibt, der nicht unter Wasser liegt.
Und schließlich erreicht POSEIDON einen Punkt, an dem sich schlichtweg alles wiederholt. Die Gruppe von Überlebenden durchläuft einen Hindernisparcours durch das Schiff, bei dem man irgendwann den Überblick verliert, wo sie sich überhaupt befinden.
Hier wäre definitiv mehr möglich gewesen, hätte man sich ein wenig mehr Zeit mit dem Drehbuch und den Charakteren gelassen. Zwar treten die visuellen Effekte nie in den Vordergrund und stehlen den Figuren den Raum, es hapert vielmehr daran, dass es einfach keine spannenden Figuren gibt wo Charakterentwicklung und Zwischenmenschliches im Anblick der Katastrophe sein sollte, herrscht einfach nur Leere.
Herr Petersen, wann also beglücken Sie uns das nächste Mal mit einem wirklich guten Film? Wir warten mit zunehmender Ungeduld.
Fazit: Nettes Actionspektakel mit schwächelnden Charakteren und oft unlogischer Handlung.