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Keine Romantik mehr: Hat die Generation WhatsApp die romantische Komödie zerstört?

Keine Romantik mehr: Hat die Generation WhatsApp die romantische Komödie zerstört?

Wenn Fakten für sich sprechen, wird oft besonders viel Bullshit verbreitet. Aktuelles Beispiel: Der einbrechende Markt der romantischen Komödien. Die wollen heute deutlich weniger Menschen sehen als noch in den 90er Jahren. Das sind die Fakten. Wenn es nach den Kommentatoren des deutschen Feuilletons geht, ist der Grund für diesen Wandel längst gefunden. Digitalisierung und Algorithmen zerstören die Romantik. Das wäre dann der Bullshit.

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Nur damit wir uns richtig verstehen – die Zahlen sind tatsächlich erstaunlich. 1998 und 1999 waren jeweils drei romantische Komödien unter den erfolgreichsten Filmen des Jahres. Das gefühlige Genre hatte zu dieser Zeit eine enorme Reichweite und war in den USA für insgesamt 10% der Einspielergebnisse verantwortlich. Eine echte Macht, mit welcher man in Hollywood zudem prima rechnen konnte. Alles was es damals für den Erfolg brauchte, waren pastellfarbene Poster mit den charmant lächelnden Konterfeis von Julia Roberts oder Tom Hanks, ein paar Klischees und eine Regenmaschine. Fertig war der Welterfolg.

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Diese Zeiten sind vorbei. Gar keine Frage. Während die Einspielergebnisse der Rom Coms in den 90er Jahren noch regelmäßig die 100 Millionen Dollar-Grenze überschritten, brachten es zuletzt nicht einmal mehr die 20 erfolgreichsten Genrevertreter gemeinsam über diese Marke. So kamen alle Romantic Comedies aus dem Jahr 2015 etwa nur noch auf 0,64% der US-Ticketverkäufe. Der vorläufige Tiefpunkt einer rasanten Talfahrt, die natürlich verstanden werden will.

Was war passiert? Warum will das keiner mehr sehen? Warum muss die arme „Bridget Jones“ ihr Baby quasi im Alleingang zur Welt bringen? WARUM?

Warum will das keiner mehr sehen?

Antworten gibt es viele. Sogar richtig gute. Warum man sich hierzulande aber ausgerechnet auf die abwegigsten stürzen musste, das gibt die eigentlichen Rätsel auf.

Unter den deutschsprachigen Kulturdeutern ist eine Interpretation besonders beliebt: Schuld ist die digitale Zerstörungswut der Heranwachsenden. Die romantische Kommunikation ist demnach aufgrund ihrer zunehmenden Digitalisierung so gut wie tot. Romantik war gestern, heute gibt´s Dick Pics. Die Generation Smartphone flirtet nur noch digital und das hat der Rom Com den Gar ausgemacht.

Alles klar? Nein? Dann nochmal Klartext: WhatsApp und Co sind also schuld. Die Kurznachrichten der Generation Social Media sind einfach nicht so romantisch wie der parfümierte Liebesbrief, den Papa damals Mama geschrieben hat.

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Harkt man bei dieser konservativen Argumentation spaßeshalber nach, etwa um herauszufinden, wie sich das nun alles ganz konkret auf das Genre der romantischen Komödien auswirken soll, so bekommt man Abenteuerliches zu hören. Mit Emoticons lassen sich, so die Logik der hier zitierten Kulturpessimisten, einfach keine guten Drehbücher schreiben. Der digitale Austausch zwischen den Liebenden ist heute so brutal ehrlich und vor allem ordinär, dass er sich schlichtweg nicht mehr für die verspielt-verklemmte Annäherungsdramaturgie der Rom Coms eigne.

Gleichzeitig wurden die klassischen Register des naiv ausgespielten Genres angeblich durch die totale Transparenz der Dating-Apps torpediert. Wer sich dieser Tage zum ersten Mal begegnet, so das Credo der Kommentatoren, der kennt sich schon in und auswendig. Love me Tinder.

Die Hosen sind also dank der im Hintergrund arbeitenden Algorithmen beim ersten Date so weit heruntergelassen, dass das für Rom Coms so essentielle Liebesgewusel aus Missverständnissen, Fettnäpfchen und Keuschheit schlichtweg irrelevant geworden ist. „Der erste Kuss“, schrieb etwa Martin Wittmann unlängst in der Süddeutschen Zeitung, „Höhepunkt vieler Rom Coms, ist in superliberalen Zeiten nicht mehr das ersehnte Ende eines Zueinanderfindens, sondern oft genug ihr lapidarer Beginn.“

Zu viel Sex und die digitale Jugend von heute?

Wir bumsen heute also erst und verlieben uns dann später, so die vielerorts zu lesende Erklärung für den eilig ausgerufenen Tot der romantischen Komödie. Außerdem sind die Kids schuld. Und das Internet. Wow. Brillante Analyse das.

Wo fängt man da an? Nehmen wir den Fingerzeig in Richtung „Jugend von heute“. Die wird ja ohnehin ganz gern für den Zustand der Kinolandschaft verantwortlich gemacht. Tatsächlich kaufen Teenager aber nur knapp über 10% aller Kinokarten. Selbst wenn man die Altersgrenze auf Mitte Zwanzig anhebt, kommt man gerade mal auf 30%. Der Einfluss dieser Zielgruppe wird chronisch überschätzt. Unterschätz werden dagegen die Kino-Gewohnheiten der über 50-Jährigen. Nicht nur ist das Wachstum dieser Zielgruppe für einen der wichtigsten Kinotrends der letzten Jahre verantwortlich (Komödien mit Altstars), mit knapp 35% stellen sie zudem eine prägendere Kaufkraft dar als jene des jungen Publikums.

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Wenn man also unbedingt eine Altersgruppe für die schwindenden Verkaufszahlen der Rom Com-Tickets verantwortlich machen möchte, dann sollte man mit dem Suchen nach Antworten hier anfangen.

Rom Coms sind nicht tot!

Oder man lässt es gleich ganz sein. Die Romantic Comedy ist nämlich gar nicht tot. Sie hat sich nur verändert. Wer diese Veränderung erkennen will, sollte allerdings schon mal einen Blick aus dem Bürofenster wagen.

Da findet man dann so unwesentliche Filme wie Stephen Chows „The Mermaid“ aus China. In diesem Film verliebt sich die wunderschöne Meerjungfrau Shan in den arroganten Immobilen-Hai Xuan, der ihr Ökosystem zerstören will. Dass die Nummer aus China stammt und mit computergenerierten Effekten überladen ist, mag hierzulande einige in gestrigen Kategorien denkende Kommentatoren überfordern – an der Tatsache, dass diese romantische Komödie weltweit mehr als eine halbe Milliarde Dollar einspielte, ändert sich dadurch allerdings nichts. Ganz schön viel Geld für ein totes Genre.

Auch dass der haushohe Oscar-Favorit „La La Land“ mit einem Bein ganz fest im klassischen Rom Com-Genre steht, sollte man bei der öffentlichen Hinrichtung des Genres vielleicht mal erwähnt haben. Immerhin wäre es nicht das erste Mal, das ein paar Oscars einem schwächelnden Marktsegment zu neuem Leben verholfen hätten.

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Was noch? Oh ja, einer dieser verrückten Streaming-Accounts von Netflix und Amazon kann beim Verstehen des Wandels auch total helfen. Dort haben die Betreiber unter dem Begriff „Romantische Komödien“ nämlich nicht nur einen äußerst üppigen Katalog des ach so toten Genres platziert, hier gibt es auch eine beeindruckende Vielzahl von äußerst populären TV-Serien, die sich das totgesagte Genre für ihre internationalen Erfolgsgeschichten ausgesucht haben. Rom Com-Soaps wie „How I Met Your Mother“, „New Girl“ oder „Grey’s Anatomy“ gehören nach wie vor zu den erfolgreichsten Serien überhaupt und sind heute ein wesentlicher Bestandteil der Fernsehlandschaft.

Das Genre modernisiert sich

Doch während sich diese Serien noch immer an den Standards der 90er Jahre abarbeiten, ist die Modernisierung der Romantischen Komödie an anderer Stelle in vollem Gange. Serien wie „You´re the Worst“, „Catastrophe“, „Jane the Virgin“, „Love“, „Girls“, „Master of None“, „Crazy Ex Girlfriend“ „Louie“ oder „Please Like Me“ lassen sich allesamt dem Genre der romantischen Komödie zuordnen. Mag sein, dass sie hier und da von den ausgetretenen Pfaden, die Hugh Grant und Meg Ryan hinterlassen haben, abweichen, doch am Ende erreichen sie das gleiche Ziel.

Der deutsche Schwanengesang auf die Rom Com ist vor allem deshalb so peinlich, weil sich diese Serien die zeitgenössische Dating-Kultur der Generation WhatsApp natürlich selbst zum Thema nehmen.

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Mit Romantik braucht man Gretchen und Jimmy aus „You´re the Worst“ zum Beispiel gar nicht zu kommen. Als sich die beiden auf der Hochzeit eines Freundes zum ersten Mal treffen – nachdem Jimmy mit den ausliegenden Wegwerfkameras dutzende Fotos von seinem Penis gemacht hat und Gretchen eine Kaffeemaschine geklaut hat – ist die Gemeinsamkeit schnell gefunden: Romantische Liebesbeziehungen können und wollen sie nicht eingehen. Warum auch. Gretchen und Jimmy sehen die Welt der Liebe eben wie sie ist. Voller Lügen, alberner Rituale und unangenehmer Nähe. Die Nacht verbringen die beiden überzeugten Solisten dann doch miteinander. Was folgt, ist nicht nur hervorragend gemachte Comedy, sondern auch zutiefst romantic.

Beispiele dieser Art gibt es zu Hauf. „Jane the Virgin“ ironisiert die angestaubten Klischees der 90er Jahre auf brillante Weise, in „Catastrophe“ könnte es kaum unromantischer zugehen und in „Girls“ wird ohnehin erst gefickt und dann geliebt. Obendrein wird in allen diesen Serien herzlich über die Peinlichkeiten und Absurditäten der digitalen Liebes-Kommunikation gelacht.

Die große Renaissance wird kommen

Mit anderen Worten: Hinter dem allgemeinen Gerede über den Tod der romantischen Komödie steht ein erschreckend schlechtes Verständnis von Genregeschichte. Das ist der eigentliche Trauerfall hier. Genres sterben nämlich nicht. Wer Gegenteiliges behauptet, der hat, mit Verlaub, keine Ahnung von Filmgeschichte.

Genres sind ein durch einflussreiche Filme entstandenes Ensemble von Konventionen und stereotypen Figuren. Jedes Genre hat sie, jedes Genre braucht sie. Allerdings können sich diese Konventionen und Stereotype im Laufe der Zeit auch abnutzen und schließlich zum Klischee gerinnen. Beste Beispiel dafür: Die romantische Komödie in den 2000ern. Ein einziges Klischee, die ewig gleiche Formel, in X-facher Ausführung. Schleifen sich diese Klischees zu weit ein, fehlt es also an Variation und Innovation, verliert auch das gesamten Genre irgendwann seinen Reiz. Eine Entwicklung, die jedes Filmgenre bereits mehrfach durchlaufen hat. Die Rom Com ist keine Ausnahme.

Was immer auf den Verschleiß eines Genres folgt, ist seine Rekonstruktion. Eine Rückbesinnung auf das Wesentliche des Genres, gepaart mit seiner experimentellen Modernisierung. Und genau das passiert derzeit in der Serienlandschaft. Dass sich viele dieser Serien so großer Beliebtheit erfreuen und mit Preisen geradezu beworfen werden, kommt deshalb auch nicht von ungefähr. Die romantische Komödie ist nicht tot – sie steht vor ihrer großen Renaissance. Versprochen!

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