Elvis Leben und Tod ist zu einer Art Legende geworden. Eine Perspektive blieb dabei jedoch aus, was Sofia Coppolas „Priscilla“ versucht, aufzuholen. Aber erweist sich das Vorhaben als erfolgreich?
Obwohl dem Elvis-Mythos schon mehrere Inszenierungen gewidmet worden sind – zuletzt 2022 von Baz Luhrman mit „Elvis“ – gibt es noch immer einige Aspekte der Geschichte, die weitere Werke inspirieren. Das ist auch der Fall von Sofia Coppolas achten und neusten Film „Priscilla“, der aktuell endlich im Kino läuft. Wie der Titel schon andeutet, geht es in diesem Biopic weniger um die Karriere des Königs des Rock’n’Rolls, sondern um seine Ehefrau Priscilla.
„Priscilla“ basiert auf den Memoiren „Elvis and Me“ von der realen Priscilla, welche ihr hier auf Amazon bestellen könnt. Priscilla wirkte während der Dreharbeiten als ausführende Produzentin mit und stand im engen Kontakt mit Coppola. Priscilla wird von der aufstrebenden Hollywood-Schauspielerin Cailee Spaeny („Der Hexenclub“) gespielt. „Euphoria“-Star Jacob Elordi verkörpert den König des Rock’n’Rolls. Bevor wir euch verraten, ob der Film sehenswert ist und inwiefern die umgedrehte Perspektive auf die Beziehung von Priscilla und Elvis letztendlich punkten kann, könnt ihr einen ersten Einblick in „Priscilla“ mit diesem Teaser Trailer gewinnen:
Worum geht es in „Priscilla“?
Der Film wird aus der Innenperspektive von Priscilla Presley, gebore Beaulieu, erzählt und beginnt 1959 mit dem ersten Treffen der damals 14-jährigen Teenagerin und dem zehn Jahre älteren Elvis, der bereits eine erfolgreiche Musikkarriere in den USA aufgebaut hatte. Damals waren der Sänger sowie der Vater von Priscilla in West-Deutschland stationiert gewesen. Die junge Priscilla wird von einem Mitglied der Air Force für einen Abend in Elvis‘ Haus eingeladen. Bei ihrem ersten Treffen knistert es sofort zwischen den beiden und sie entwickeln eine tiefe Zuneigung für einander, in der sie auch ihr Heimweh teilen.
1960 verlässt Elvis West-Deutschland und so auch Priscilla. Die Fernbeziehung mit dem König des Rock’n’Rolls ist alles andere als einfach für die junge Priscilla, besonders wenn die Boulevardpresse täglich über neue Flammen von Elvis wie zum Beispiel Nancy Sinatra schreibt. Geplagt von Liebeskummer überredet die mittlerweile 17-jährige Priscilla zusammen mit Elvis ihre Eltern, West-Deutschland zu verlassen und auf sein Anwesen Graceland in Memphis, Tennessee zu ziehen. Nun wohnt sie zwar im selben Land und auf Elvis‘ berühmten Anwesen, dennoch sieht sie ihn aufgrund von Filmdrehs und Konzerttourneen nur selten und leidet allein in ihrer Isolation. In Memphis geht Priscilla auf eine katholische Mädchenschule, um ihren Abschluss zu machen; dort tuscheln ihre Mitschülerinnen aber nur über sie und sie bleibt weiterhin allein.
Wenn Elvis in Memphis ist, nimmt er Priscilla mit zu lang in die Nacht reichenden Partys und gibt ihr Pillen, um am nächsten Tag in der Schule wachzubleiben. Während ihrer Beziehung beharrt Elvis darauf, mit Priscilla erst Sex zu haben, nachdem sie geheiratet haben. In 1967 heiratete das Paar; etwa neun Monate später kam ihre gemeinsame Tochter Lisa Marie zur Welt. Zu der Zeit ist Elvis‘ Karriere auf dem Höhepunkt, weswegen Priscilla Lisa Marie alleine aufzieht. Währenddessen gehen sowohl Gerüchte über Affären von Elvis als auch Priscilla umher. Geplagt von ihrer Einsamkeit und dem Wunsch, sich unabhängig von der berühmten Definition als „Elvis Kinderbraut“ zu verwirklichen, trennt sie sich von Elvis. Die Scheidung findet 1973 statt.
Endlich eine notwendige, andere Perspektive auf Priscilla und Elvis
Die Geschichte von Priscillas und Elvis‘ Beziehung interessiert mich nun schon seit mehreren Jahren. Offengestanden bin ich 2022 aus Baz Luhrmans „Elvis“ etwas enttäuscht rausgegangen. Einerseits wegen der hohen Erwartungen an den Regisseur, da besonders „Moulin Rouge“, aber auch „Der große Gatsby“ zu meinen Lieblingsfilmen zählen. Andererseits wurde ich von den inszenierten Aspekten von Elvis‘ Leben in dem Film nicht zufriedengestellt, da ich mir erhofft hatte, dass man auch mehr von seiner Beziehung zu Priscilla sieht. Hier, wie auch damals in der Realität, stand Priscilla lediglich im Schatten.
Deswegen freute ich mich besonders, als ich von „Priscilla“ erfuhr, umso mehr, da Sofia Coppola mit einem weiblichen Blick die Perspektive von Priscilla nacherzählt. Dies gelingt ihr visuell auf grandiose Art und Weise: Jede einzelne Einstellung hat mich in den Bann genommen; nicht nur war das Setdesign ästhetisch überaus ansprechend, sondern jedes Bild erzählte eine Geschichte – selbst ohne große Action oder komplexe Dialoge. Hier fielen mir auch die Markenzeichen von Coppolas Filmeschaffen auf, so wie ich sie bereits aus unter anderem „The Virgin Suicides“ und „Marie Antoinette“ kannte und liebte.
„Priscilla“ wagt den etwas kühnen Versuch, Kritik an Elvis hinsichtlich seiner Beziehung zu Priscilla zu formulieren. Die Beziehung ist geprägt von mehreren Ungleichgewichten: vom Altersunterschied zu ungleichen Machtverhältnissen bis hin zu den damaligen Erwartungen der Geschlechter. Während Elvis sein Leben als weltweit angesehener und erfolgreicher Musiker in vollen Zügen ausnutze, stand Priscilla die gesamte Zeit in seinem Schatten. Nicht nur wurde sie als seine „Kinderbraut“ angesehen, sondern musste laut der damaligen Gesellschaft und auch laut Elvis dem Bild der idealen Hausfrau entsprechen. Individuelle Entfaltungsmöglichkeiten wurden ihr verwehrt.
Coppolas Vision gelingt ihr auf allen Ebenen: Sie inszeniert erfolgreich die Entwicklung von Priscilla als naives Schulmädchen bis zur aus der Märchenwelt aufwachenden Frau, welche sich zunehmend über ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte bewusst wird – unabhängig von ihrem berühmten Ehemann. Hierbei trägt besonders auch Cailee Spaenys Darbietung als Priscilla bei. Ehrlich gesagt, habe ich Priscilla in ihr zuvor nicht wirklich gesehen, jedoch konnte mich ihre schauspielerische Leistung umstimmen. Sie verkörpert Priscilla mit so viel Verletzlichkeit und Sympathie und stellt erfolgreich den inneren Wandel dar. Das grandiose Kostüm- und Maskenbild trägt zu der Visualisierung von Priscillas Entwicklung nur positiv bei: Ihr Aussehen wird weniger verspielt und zunehmen erwachsener und glamouröser. Jacob Elordi überzeugte mich schon in seiner „Euphoria“-Rolle und konnte mich trotzdem als Elvis erneut überraschen.
Die Ungleichgewichte in der Beziehung wurden effektiv, teilweise regelrecht erschreckend dargestellt. Die gesamte Spieldauer habe ich mich nicht nur gut unterhalten gefühlt, sondern wurde auch vollkommen von der Handlung gefesselt. Mein einziger Kritikpunkt ist lediglich, dass ich mir eine Art Epilog gewünscht hätte. Der Film endet mit Priscilla, die Graceland zu Dolly Partons „I Will Always Love You“ verlässt – der Song, den Elvis angeblich für sie nach dem Scheidungsprozess gesungen haben soll. Gerne hätte ich noch einen kurzen Einblick bekommen, ob sich Priscilla letztendlich neu definieren konnte. Hier muss man sich dann doch zu den realen Ereignissen belesen.
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