Als Altersruhesitz für Musiker hat das Beecham House seit Generationen gedient. Doch nun geht das Geld aus und die Schließung droht. Neue Sponsoren müssen her. Und so planen die Bewohner eine Gala, zu Ehren Giuseppe Verdis. Dies gerät allerdings zur Nebensache, als Jean Horton, eine berühmte Opernsängerin, ins Heim einzieht und alles gründlich durcheinanderwirbelt. Denn auch ihr Exmann Reginald ist Resident im Beecham House und gar nicht erfreut über Jeans Ankunft. Als der Vorschlag unterbreitet wird, Jean und Reginald könnten zusammen mit ihren alten Freunden Wilf und Cissy das legendäre Quartett aus Rigoletto aufführen, ist das Gefühlschaos komplett. Mit 75 Jahren wechselt Dustin Hoffman die kreativen Fronten und schafft mit QUARTETT ein berührendes wie auch witzig charmantes Regiedebüt. Liebevoll führt er sein Figurenensemble, in den Hauptrollen hochkarätig besetzt mit Maggie Smith, Pauline Collins, Tom Courtenay und Billy Connolly, durch die Irrungen und Wirrungen der Liebe und des Alters. Very British werden da kleine und große Zipperlein trocken kommentiert. Im Vordergrund steht jedoch stets die Freude am Leben und an unterschiedlichsten musikalischen Kompositionen, die als mitreißender Soundtrack mit den wunderschönen Bildern harmonieren. Ein warmherzig romantischer, unterhaltsamer und altersloser Film für jung und alt über die Liebe, das Altwerden und die Kraft der Musik als ewiger Jungbrunnen.
Jurybegründung:
Der 70jährige Dustin Hoffman hat sich das ideale Projekt für sein Regiedebüt ausgesucht. Denn so wie er im Alter noch ganz neue künstlerische Wege geht, so sind auch die Opernkünstler in der Seniorenresidenz „Beecham House“ noch längst nicht im Ruhestand. Sie üben alle noch mit Leidenschaft ihre Kunst aus, singen, spielen ihre Instrumente oder inszenieren, und auch wenn ihre Plaudereien und vor allem ihre Streitgespräche sich ständig um ihre großen Erfolge in der Vergangenheit drehen, so sind sie doch mit ihren Proben und Plänen für die alljährlich große Galaveranstaltung zu Ehren von Giuseppe Verdi ganz im hier und jetzt. Dass soviel Energie und Schaffenskraft noch bei diesen Menschen spürbar ist, die ihre offiziellen Karrieren längst abgeschlossen haben, nimmt einen vom ersten Moment an sehr für diesen Film ein, und ein wenig spiegelt sich dabei auch immer die Situation des Regisseurs in der seiner Protagonisten wider. Zudem war er so klug, als Schauspieler einen Schauspielerfilm zu inszenieren, der prall gefüllt ist mit saftigen Rollen, die von einigen der besten britischen Filmdarsteller/Innen ihrer Generation mit viel Inspiration und sichtlichem Vergnügen gespielt werden. Um dem Milieu eines Altersruhesitzes für Opernkünstler ein realistisches Flair zu verleihen, wurden die Nebenrollen fast vollständig mit britischen Künstlern besetzt, die tatsächlich lange Karrieren an der Oper hinter sich haben und im Abspann liebevoll gefeiert werden. Diese Entscheidung des Regisseurs deutet darauf hin, dass der Dokumentarfilm von Daniel Schmid über die von Verdi selbst gestiftete Casa Verdi in Mailand die Inspiration des Theaterstücks „Quartett“ war, auf dessen Stärken bei der Dramaturgie und den pointierten Dialogen sich Hoffman ebenfalls stützten konnte. Und bei einer Gruppe von Menschen, die alle durch die Oper sozialisiert wurden, ist es ganz natürlich, dass sie ihre persönlichen kleinen Dramen auch in der Form von großen theatralischen Auftritten durchleben. So kann Billy Connolly den Opernsänger und Schwerenöter Wilf mit seinen ständigen Flirts als eine komische Rolle anlegen, ohne der Figur dabei Glaubwürdigkeit zu nehmen, denn er spielt ja auch immer auf einer Bühne und ist sich dessen bewusst.
Michael Gambon ist ein ebenso komischer wie exaltierter Regisseur, der denkt, er habe das Sagen und von allen anderen gnädig in diesem Glauben gelassen wird. Pauline Collins ist verletzlich und sehr anrührend als die Sängerin Cissy, die zunehmend altersverwirrt ist und schließlich durch die Kunst zumindest für eine Zeit ihre geistige Klarheit zurückfindet. Besonders an dieser Rolle wird klar, dass der Drehbuchautor Ronald Harwood und Dustin Hoffman nie sentimental oder gar wehleidig werden, sondern stattdessen mit einer klugen Zärtlichkeit vom Altwerden erzählen. Nicht umsonst wird der Ausspruch von Bette Davis, das Alter sei nichts „for sissies“ gleich mehrmals zitiert. Entsprechend am Riemen muss sich Maggie Smith als der gefeierte Opernstar Jean reißen, die gerne wie die Garbo oder die Dietrich am Höhepunkt abgetreten und aus dem öffentlichen Blickfeld (oder besser Hörradius) verschwunden wäre. Ihre Bekehrung dazu, mit ihren alten Freunden noch einmal öffentlich in einem Quartett aufzutreten, liefert den Hauptspannungsbogen des Dramas. Auch die alte und enttäuschte, deshalb aber nicht weniger tiefe Liebe zwischen ihr und dem von Tom Courtenay mit dem Takt und der Wärme eines wahren englischen Gentleman gespielten Sängers Reginald entflammt neu und wird mit einer sehr britischen Lakonie besiegelt. Hoffman schöpft aus dem Reichtum dieses Stoffes und seiner Besetzung. Er inszeniert mit einer souveränen Gelassenheit, die sich etwa darin zeigt, dass die großen Emotionen oft nur durch Andeutungen ausgedrückt werden. QUARTETT ist witzig, weise und im guten (nicht zu verachtenden) Sinne des Wortes tröstlich.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)