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Renn, wenn du kannst: Benjamin sitzt im Rollstuhl. Er ist intelligent, witzig und verzweifelt. Die Liebe kommt für Ben nicht in Frage, das erklärt er zumindest seinem neuen Zivi Christian. Christian nimmt das Leben leicht: Er wird ein halbes Jahr bei Ben bleiben und dann seiner Wege gehen. Annika studiert Cello, doch das Musikstudium und der gnadenlose Zwang zu Perfektion lasten schwer auf ihr. Die drei werden Freunde. Zu dritt erschaffen...

Handlung und Hintergrund

Benjamin sitzt seit einem Unfall vor sieben Jahren im Rollstuhl. Er schikaniert seine Mutter, die ihn betüttelt, und den neuen Zivi Christian. An dem prallen seine Zynismen ab, weiß er doch, dass er nach einem halben Jahr sein Medizinstudium fortsetzt. Benjamin übertüncht damit aber nur seine wahren Gefühle. Er wünscht sich eine normale Beziehung. Beide jungen Männer verlieben sich ausgerechnet in dasselbe Mädchen, die umtriebige Musikstudentin Annika, die sich nicht entscheiden kann und ihre Gunst zwischen ihnen aufteilt.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Dietrich Brüggemann
Produzent
  • Sabine Holtgreve,
  • Stefan Schubert,
  • Ralph Schwingel
Darsteller
  • Robert Gwisdek,
  • Anna Brüggemann,
  • Jacob Matschenz,
  • Franziska Weisz,
  • Leslie Malton,
  • Michael Sens
Drehbuch
  • Dietrich Brüggemann,
  • Anna Brüggemann
Kamera
  • Alexander Sass
Schnitt
  • Vincent Assmann

Kritikerrezensionen

    1. „Neun Szenen“, Dietrich Brüggemanns erster Spielfilm von 2006, war episodisch aufgebaut, neun Szenen eben über neun Leben. In „Renn, wenn du kannst“, seinem ersten Film, den er außerhalb des Rahmens einer Filmhochschule drehte, ein ganz eigenes Projekt, selbstgemacht in der harten Wirklichkeit des Filmeschaffens, geht es nur um drei Leben, die zueinanderfinden; aber davon ausgehend geht es ungefähr um alles.

      Sehr souverän geht er mit der Kamera um, mit seinen Figuren, mit seinen Darstellern, gibt seiner Geschichte Raum, sich zu entwickeln, gibt ihr die nötige Leichtigkeit und einen kompromisslosen Witz – ja, der Film ist sehr gelungen. Brüggemann hat sich mit seinem Zweitling – den zu produzieren immer schwerer ist als das Debüt – als ernstzunehmender Filmemacher junger, frischer Erzähllust etabliert.

      Robert Gwisdek, der den querschnittsgelähmten Ben im Rollstuhl spielt, gibt ebenfalls eine phänomenale Darstellung ab. Nicht nur ist es ja körperlich schwierig, einen Bein-gelähmten glaubwürdig zu spielen; auch ist sein Charakter höchst komplex: kalt, hart, sarkastisch, zynisch, ein notorischer Lügner, der mit sadistischer Lust seine Zivis quält, der schönen Frauen nachspannt, der in Selbstmitleid zerfließt, den alles ankotzt und der alles auskotzt: Gwisdek lässt dieses veritable Arschloch sympathisch erscheinen, mit dem frischen Charme ständiger ironischer Unverschämtheit, einem Einfallsreichtum, um irgendwas Interessantes aus dem immergleichen Rollstuhldasein herauszuholen, mit einer Unernsthaftigkeit dem Leben, den Mitmenschen und sich selbst gegenüber, die einnehmend ist.

      Ihm zur Seite: als Annika Anna Brüggemann, Dietrichs Schwester und Co-Autorin, schön, leicht, voller Humor; und Christian (Jacob Matschenz), Zivi, der Ben Paroli bietet, der ihm Contra gibt und genau deshalb sein Freund wird.

      Eine Dreiecks-Liebesgeschichte entwickelt sich, und das Unerhörte, dass sich die Schöne in den Rollstuhlfahrer mit dem schwierigen Charakter verliebt, wird ganz unterspielt dargebracht. Wie alles ganz nebenbei, ganz selbstverständlich geschieht, ohne viel Aufhebens, beiläufig, wie halt das Leben auch einfach geschieht, und wir sind darin nur Figuren.

      Freilich ist der Film nicht völlig vollkommen. Das liegt daran, dass die Brüggemanns in ihr Drehbuch zuviel gepackt haben, Themen, die schon wieder eigene Filme werden könnten. Die Dreiecksgeschichte, Charakterporträt eines verbittert-zynischen Rollstuhlfahrers, Freundschaftsgeschichte; die Sache mit den Träumen im Leben, die man zu erreichen versucht – Ben will einmal im Leben den Bottroper Tetraeder rauf, ein Stahlobjekt auf einem Berg; Annika will das Cello-Solo beim Brahms-Konzert spielen; dann sind da die Eltern, Bens Mutter ist überfürsorglich, und es ist klar, dass er gegen sie rebelliert (Leslie Malton in einer kleinen Cameorolle), und Annikas Mutter hat die Lebensalternative von Esoterik und New Age für sich entdeckt und deshalb die Tochter sitzen lassen. Das ist alles ein bisschen viel, um es unter einen Hut zu bringen, und irgendwie kann sich der Film nicht recht aufs Wesentliche konzentrieren. Das Motiv des metaphorischen Untertauchens, des endgültigen Untertauchens unter Wasser spielt auch eine Rolle, und die Weisheit, sein metaphorisches Musikstück, an dem man gerade sitzt, unter allen Umständen zuende zu spielen, taucht auch immer wieder auf. Dazu kommt Bens Gewissheit, dass die Zeit, dass das Leben die drei Freunde in alle Winde verstreuen wird, dass die Gegenwart also nur ein flüchtiger Moment ist. Dazu leitmotivisch immer wieder Stürze: vom Fahrrad, vom Schreibtisch, die Treppe runter etc. Ein bisschen viel ist das, und zugegebenermaßen auch 10 Minuten zu lang – amüsant und charmant ist „Renn, wenn du kannst“ aber allemal.

      Fazit: Frisches Kino um eine Dreiecksliebe, um Freundschaft, um das Dasein als Rollstuhlfahrer und und und. Souverän und charmant erzählt, wenn auch etwas zu viel drinsteckt.
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      1. Benjamin sitzt im Rollstuhl. Mit diesem Schicksal hadernd beschimpft er jeden Menschen, der sich um ihn kümmert, wie unter anderem Zivi Christian, der jedoch erstaunlich gelassen mit den Anfeindungen umgeht. Und schließlich werden die beiden Freunde. Als jedoch eines Tages die quirlige Annika auftaucht, entsteht ein spannungsreiches Dreieck aus Zuneigung, Freundschaft und vielleicht sogar ein bisschen mehr. Das Thema Behinderung auf eine lockere Art in eine Erzählung einzubetten, dazu gehört eine große Portion Mut zum Risiko, ein starkes Schauspielensemble und eine sehr gute Dialogführung. Alles drei hat der Film zur Genüge und so funktioniert er von der ersten Minute an bis hin zum wirklich rührenden Ende. Witzig, frech, politisch unkorrekt und unbequeme Themen nicht ausklammernd erzählt der Film die Geschichte von drei jungen Menschen, die an einem Punkt in ihrem Leben stehen, an dem es heißt: Dem Schicksal folgen oder einfach nur auf einer Hollywoodschaukel auf dem Balkon träumend auf die Wellen warten? Man kriegt von diesen klugen, manchmal abgefahrenen immer aber auch sehr ehrlichen Gedanken einfach nicht genug. Eine echte Entdeckung!

        Jurybegründung:

        Ben ist seit seinem Unfall an den Rollstuhl gefesselt. Seine innere Wut über sein Schicksal hat ihn zynisch werden lassen. Das bekommen seine Zivis zu spüren. Christian, sein Neuer, nimmt es gelassen, er setzt Ben Grenzen. Die Begegnung auf Augenhöhe ist der Beginn einer Freundschaft, die trotz Höhen und Tiefen hält. Die Dritte im Bunde wird Annika, sie studiert Musik und muss ihre Angst vor Solo-Spielen bei öffentlichen Auftritten überwinden. Ansonsten ist sie ein Mädchen zum Verlieben, lebendig und offen für Bens Art, mit Problemen umzugehen. Die drei werden Freunde und es geht bald um mehr. Annika fühlt sich zu beiden hingezogen. Beinahe hätte diese intensive Dreiecksgeschichte für alle dramatisch ausgehen können. Am Ende sitzen sie aber zu dritt ganz entspannt auf der Hollywoodschaukel von Bens Balkon und betrachten die Wellen des Meeres.

        Obwohl Bens Behinderung und die Folgen in aller Deutlichkeit im Mittelpunkt stehen, ist dies kein Film, der mit anklagendem Tonfall die Bürde von Betroffenen aufzeigt. Wohl aber ein Film, der offen und selbstverständlich von Bens Schwierigkeiten erzählt, zeigt wie Ben offen und manchmal verletzend damit umgeht. Bens Zynismus und seine Arroganz sind Schutzmechanismen und es ist gut, dass uns dies so deutlich gezeigt wird. Bewundernswert die Direktheit in der Sprache und den Aktionen, die das Drehbuch entwickelt hat. Es wird sich nicht um Probleme gedrückt. Offen kann Ben seine sexuellen Schwierigkeiten gegenüber Annika formulieren und auch ihre Reaktion ist offen und ehrlich, so dass nichts peinlich und gewollt wirkt. Das ist nicht selbstverständlich. Das gelingt durch die hohe Professionalität der jungen Darsteller und ihre starke Präsenz. Hervorzuheben ist auch die sehr gute Kameraarbeit, die den Darstellern Zeit und Raum lässt. Handwerklich ist das Drehbuch in seinem dramaturgischen Aufbau beeindruckend. Bei aller Erwartbarkeit überrascht es durch neue Wendungen und Ideen, die die Geschichte trotz einiger fantastischer Elemente immer nachvollziehbar miterleben lässt. Ein überaus empfehlenswerter Film.

        Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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