Zu viel Gesinge, zu viel Getanze, zu viel Zuckerguss! Dieses harte Urteil fällt die Schriftstellerin P.L.Travers, als sie nach Hollywood reist, um den großen Walt Disney zu treffen. Dieser möchte unbedingt die Rechte an ihrem Buch „Mary Poppins“ erwerben, doch da hat er nicht mit Mrs. Travers gerechnet. Sie hat große Angst, dass der erfolgsverwöhnte Hollywoodproduzent aus ihrer Geschichte etwas anderes macht, als sie intendiert hat. Um sie zu beruhigen, involviert Walt Disney Travers in den gesamten kreativen Prozess. Nichts jedoch kann die resolute Dame aus England zufrieden stellen. Denn, was niemand ahnt, es geht ihr um den Vater, Mr. Banks. Und um ihre eigene Geschichte. Der Film von John Lee Hancock wirft einen Blick hinter die Kulissen des Disney-Klassikers MARY POPPINS aus dem Jahr 1964. Doch neben den amüsanten Verwicklungen und dem „Culture Clash“ zwischen der zugeknöpften Britin und den überdrehten Filmleuten erzählt der Film auch auf berührende Weise die Geschichte der Autorin selbst. Szene für Szene entblättert sich ihre Kindheit in Australien, ihre enge Beziehung zum Vater und die Trauer über seinen Verlust. Gekonnt vermischen sich die Erzählebenen und zeichnen so das stimmige Bild einer starken Frau, die ebenso starrköpfig ist wie ihr Gegenüber Walt Disney. Tom Hanks spielt den Zeichentrick-Mogul mit einer großen Portion Humor und Wärme. Doch es ist Emma Thompson, die alle überragt. Ihre P.L.Travers ist brüsk, bissig und britisch bis zum perfekt vernähten Saum ihres perfekt sitzenden Rocks. Doch innerlich ist sie immer noch das kleine verletzliche Mädchen, das ihren Vater retten möchte. In MARY POPPINS wurde der Vater von einer Frau mit einem sprechenden Regenschirm gerettet, die eines Tages einfach so vom Himmel fiel. Ein zauberhafter Film über eine ebenso zauberhafte Geschichte, die bis heute Jung und Alt glücklich macht.
Jurybegründung:
Wer hätte gedacht, dass sich über die Auseinandersetzungen um Filmrechte ein warmherziger Hollywoodfilm machen lässt? P.L. Travers, die Autorin der vielgeliebten Kinderbücher über die Gouvernante Mary Poppins, hatte sich viele Jahre lang geweigert, der Verfilmung eines ihrer Werke zuzustimmen. Allerdings war genau dies eines der Lieblingsprojekte von Walt Disney, und als die Autorin in finanzielle Nöte geriet und sich deshalb widerstrebend auf eine Reise von London nach Hollywood begab, tat Disney alles, um ihr die Genehmigung abzuluchsen. Dieses Duell von zwei extrem unterschiedlichen Charakteren bildet den Rahmen von SAVING MR. BANKS. P.L. Travers ist eine sehr britische Künstlerin, der die Traumfabrik und besonders die Trickfilme von Walt Disney zuwider sind, während dieser aus lauter Optimismus und Jovialität zu strahlen scheint und sich nicht vorstellen kann, dass er einmal seinen Willen nicht durchsetzen kann. Emma Thompson (die ja schon in EINE ZAUBERHAFTE NANNY eine Art Erbin von Mary Poppins verkörpert hat) spielt P.L. Travers als eine kratzbürstige Exzentrikerin mit scharfer Zunge, aber auch immer als eine traurige, einsame Frau, die eine große Last aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt. Tom Hanks gibt die Ikone des amerikanischen Showbusiness als einen souveränen Organisator, der so in sich ruht, dass er seine Macht und sein Selbstbewusstsein nicht auszustellen braucht. Wenn diese beiden Charaktere mit ihren absolut gegensätzlichen Temperamenten und Lebenseinstellungen aufeinander treffen, ist das oft sehr witzig und John Lee Hancock inszeniert mit einem guten Gespür für Situationskomik. Aber er geht auch tiefer, wenn er etwa in Rückblenden von P. L. Travers‘ Kindheit erzählt und dabei deren Trauma (der Vater war ein Trinker und starb früh) und die ursprüngliche Inspiration für Mary Poppins (eine der Familie nahe stehende Frau, die sich in Notzeiten um die Kinder kümmerte) offenbart. Diese Lebensgeschichte ist raffiniert mit den Szenen verwoben, in denen P.L. Travers mit dem Drehbuchautoren, Komponisten und Liedtextern des Studios äußerst penibel das Buch für den Film bearbeitet. Wenn diese beiden Ebenen dadurch zusammenkommen, dass P.L. Travers durch eine entscheidende Änderung im Drehbuch (eben der Rettung von Mr. Banks) mit ihrer Vergangenheit und dem Filmprojekt versöhnt wird, ist dies ein bewegender Höhepunkt des Films. Nebenbei wird hier auch viel über das Filmemachen erzählt, und zwar nicht wie sonst üblich über die Dreharbeiten (die werden völlig ausgespart und so spielt etwa Julie Andrews kaum eine Rolle), sondern über die Vorproduktion, in der noch am Drehbuch und den Musicalsongs gearbeitet wird, die Kostüm- und Kulissenentwürfe entstehen, über die Besetzung entschieden und die Rechtefragen geklärt werden. Die Disney-Studios feiern sich mit diesem Film intelligent, zurückhaltend und, in ihrer besten Tradition, sehr unterhaltsam.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)