Die Mutter von Sascha wurde erschossen. Von ihrem Stiefvater, vor Saschas Augen. Nun hat das junge Mädchen nur noch einen Wunsch: Rache. Am liebsten möchte sie den Mörder selbst zur Strecke bringen, doch der sitzt im Gefängnis. Als in der Zeitung ein Bericht über ihn veröffentlicht wird, der ihn als „Mann voller Reue“ darstellt, flippt Sascha aus. Wütend sucht sie den Chefredakteur auf und stellt ihn zur Rede. Rückgängig machen kann dieser den Artikel nicht. Doch er bietet Sascha Hilfe an. Und eine Zuflucht, als sie es zuhause in der Plattenbausiedlung nicht mehr aushält. Aber Flucht auf Dauer ist ganz und gar nicht Saschas Ding. Mit der Adaption des gleichnamigen Romans von Alina Bronsky ist Regisseurin Bettina Blümner und der Drehbuchautorin Katharina Kress eine ungewöhnliche Mischung aus Sozialstudie, Coming-of-age-Story und Tragikomödie gelungen. In der Hauptrolle beeindruckt Jasna Fritzi Bauer mit ihrem ausdrucksstarken und nuancenreichen Spiel. Angesiedelt in einer typischen Plattenbausiedlung vermittelt der Film eine authentische Stimmung, die sich auch glaubhaft in den hervorragend natürlichen Dialogen und dem Umgang mit den Figuren widerspiegelt. Als perfekt kontrastierende „Gegenwelt“ wirkt das Zuhause des Chefredakteurs. Ulrich Noethen verkörpert ihn gewohnt präzise, als Gutmensch mit eigenen Unsicherheiten. Und Max Hegewald als Felix ist die pure jungmännliche Unschuld, die auf Saschas geballte Mädchenpower trifft. Dieses Zusammentreffen der sozialen Schichten wirkt an manchen Stellen sehr komisch, bewahrt aber immer seinen dramatischen Grundton, ohne jemals in Pathos abzugleiten. Ein starker Film über ein starkes Mädchen, mit einer Darstellerin, die man sich merken muss.
Jurybegründung:
Der „Scherbenpark“ ist eine Hochhaussiedlung, ein sozialer Brennpunkt, wie er gerne für Sozialdramen im deutschen Film genutzt wird. Was diesen Film aber so besonders macht, ist die facettenreiche Inszenierung, pendelnd zwischen radikaler Gewalt und Gefühllosigkeit, klugem Humor und einfachen und doch zutreffenden Lebensweisheiten. Jasna Fritzi Bauer spielt ihre Sascha mit einer Wucht, Kraft und einer solchen Nuancenvielfalt, dass man als Zuschauer sofort in ihren Bann gezogen wird. Diese junge Schauspielerin überwältigt und fesselt, jeder Blick sitzt, jeder Intonierung ist stimmig. Die gesamte Inszenierung ist ebenfalls beeindruckend, vielfältig, stets überraschend und fesselnd. Selten war deutsches Kino so kraftvoll und abwechslungsreich. Und ebenso selten wird im deutschen Film ein so schwieriges, hartes Thema ernst genommen und zugleich sympathisch und positiv inszeniert.
Abgerundet wird dieser Ausnahmefilm durch die uneingeschränkt hervorragende handwerkliche Umsetzung. Die Settings sind stimmig, die gesamte Atmo ist dicht und passend, die Kameraführung in jeder einzelnen Einstellung perfekt. Bettina Blümner hatte sich mit dem Roman „Scherbenpark“ an einen schwierigen Stoff gewagt und die Herausforderung auf höchstem Niveau gemeistert.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)