Der Besuch der Tochter ist so etwas wie ein Aufbruch für das Ehepaar in Kamerun. Die sind Entwicklungshelfer, Ebbo, der Vater, ist angesehener Arzt, der die Schlafkrankheit bekämpft. Die Tochter Helen kommt, um sie noch einmal zu besuchen, kurz vor dem Aufbruch, vor der Rückkehr nach Deutschland, ins Hessische. In Wetzlar ist Helen auf dem Internat, seit zwei Jahren hat der Vater sie nicht gesehen; groß ist sie geworden, und pubertär widerspenstig. Zeit, um Heimzukehren, findet die Mutter. Und der Vater Ebbo fügt sich in den Gedanken, sein Projekt an den Nachfolger zu übergeben.
Plötzlich sind wir woanders, offenbar in Brüssel, wir begegnen einem Pärchen, Globetrottern, die Impfungen verweigern, ein Arzt Schwarzer ist offenbar bei der WHO angestellt, Witzchen in der Kantine, und dann reist er ab, nach Kamerun: er, der geborene Franzose mit schwarzer Hautfarbe, erstmals auf einem fremden Kontinent, wo alle aussehen wie er und ganz anders ticken. Vollbeladen mit westlichen Vorurteilen hält er die Eingeborenen für Gangster und Betrüger, und ist dabei völlig verloren, wenn er in der Buschklinik ankommt. Es ist dunkelste Nacht, mit kleiner Taschenlampe soll er seine Mini-Bude finden, seltsame Geräusche gibt es, und unter dem Moskitonetz findet er keine Ruhe. Er findet auch Ebbo nicht, den Klinikleiter, dessen Schlafkrankheitsprojekt er als Gutachter evaluieren soll: kann, darf, soll es weitere Entwicklungshilfegelder geben? Ein einziger Kranker liegt in der Klinik, die Bekämpfung der Seuche war erfolgreich, das Projekt damit gestorben
und Ebbo verschwunden, ein Phantom, das kaum zu erhaschen ist; und wir erkennen: Ebbo hat die Familie verlassen, damals vor drei Jahren, ist geblieben, hat hier eine neue Frau, hochschwanger, und versucht das festzuhalten, was sein Lebenswerk war.
Das ist an sich eine sehr präzise Diagnose, die Regisseur Ulrich Köhler Vertreter der sog. Berliner Schule da anstellt; nicht die Diagnose einer typisch afrikanischen Mentalität, nicht eine Diagnose über Sinn oder Unsinn von Entwicklungshilfe. Sondern: Die Schlafkrankheit was natürlich metaphorisch gemeint ist ist die menschliche Krankheit überhaupt, das Klammern an einen Strohhalm, der vielleicht nur imaginär ist, die Trägheit, die in einem steckt, wenn man sich auf Lorbeeren ausruhen möchte, die Antriebslosigkeit des Perspektivlosen. Ein Plantagenfarmer macht diese Haltung in Reinform vor, der sich anpasst an afrikanische Sorglosigkeit und zugleich à la Kolonialherr die schönsten Früchte pflückt sprich: sich Weiber anschafft, wo er sie findet, und das süße Nichtstun zelebriert. Ebbo wollte nie so werden. Und hängt nun in einer Klinik ohne Patienten herum, verbrüdert sich mit den Dorfbewohnern und ist doch immer der Fremde.
Während Dr. Nzila, der europäische Schwarze, überhaupt nicht zurechtkommt mit Afrika, und auch nicht mit der Praxis seines Berufes: er ist ein Verwaltungsbeamter, und trotz Medizinstudiums kein Arzt. Einen Kaiserschnitt auszuführen schafft er nicht; nicht nur, weil er die Anweisungen aus der Ferne per Handy bekommt: wo und wie tief geschnitten wird, sondern auch, weil er kein Blut sehen kann
Ulrich Köhler war als Kind von Entwicklungshelfern selbst halb in Afrika aufgewachsen, er kennt die Verhältnisse, weiß, was ein Land aus einem machen kann, wenn man für die allzumenschliche Schlafkrankheit anfällig ist. In manchen Details ist Köhler zwingend präzise, was Figurencharakterisierungen angeht oder die beiläufig eingeflochtene Frage nach Entwicklungs- und Projekthilfe aus Europa, die den Afrikanern einerseits hilft, ihnen andererseits Eigenverantwortung abnimmt.
Doch das macht noch keinen guten Film aus. Zu sehr ist der Mittelteil auf eine Verrätselung des Geschehens aus, auf die reine oberflächliche Frage des Zuschauers, wann und wo wir uns hier eigentlich befinden, und wer diese zweite Hauptfigur eigentlich ist, die Köhler aus heiterem Himmel einführt. Das sind rein oberflächliche, künstliche Mysterien, die der Film dem Zuschauer auferlegt, um gewollt störrisch zu sein. Einbindung des Zuschauers ist für Köhler offenbar keine Tugend; es ihm aber extra schwer zu machen, ist auch kein Wert an sich.
Bei einer Zustandsbeschreibung, bei einer Diagnose, dem Porträt verschiedener Charaktere und eines Kontinents ist Handlung nicht zu erwarten. Ein bisschen Entwicklung, ein bisschen Dynamik täte dem Film aber dennoch gut. Und dass er am Ende ins Symbolische flüchtet, ins Mythisch-Mystische, wirkt beinahe wie eine etwas hilflose Suche nach irgendeinem Schlusspunkt.
Fazit: Ulrich Köhler stellt in seinem Film metaphorisch die Diagnose einer menschlichen Krankheit; doch zugleich verrätselt er seinen Film unnötig, macht ihn sperrig und störrisch.