Für Verärgerung bei den deutschen Scream 4-Pressevorführungen sorgte eine vorab zu unterschreibende Verleihverfügung, mit der sich Journalisten verpflichten mussten, weder wichtige Wendungen noch das Filmende preis zu geben. Eigentlich sollte dies selbstverständlich sein, doch eine rechtliche Grundlage gibt es für die zweifelhafte Verordnung nicht. Wer nur lange genug (oder relativ schnell) im Internet sucht, findet sowieso bald eine verräterische Kritik oder Inhaltsangabe. Doch letztlich soll diese Drohung nur verschleiern, dass im vierten Teil der ironischen Slasher-Serie nicht viel Neues passiert. Letztlich war genau dieser Umstand zu erwarten.
Alle Beteiligten benötigten wieder einen Erfolg, angefangen vom Hauptdarstellertrio über Autor Kevin Williamson bis zu Regisseur Wes Craven, der zuletzt mit My Soul to Take eine seiner schwächsten Arbeiten vorlegte, und den produzierenden Weinstein-Brüder, die erst wieder mit Inglorious Bastards und The Kings Speech an frühere Kassenhits anknüpfen konnten. Immerhin fiel der neue Auftritt des Ghostface Killers geglückter aus als der Vorgänger nach einem Skript von Ehren Kruger, wo sich beim Hollywood-Ausflug der vertrauten Charakter die Plotwendungen zu immer absurderen Höhen schraubten. Dass sich wenig ändert, mag Fans erfreuen, denn ihnen wird genau das geboten, was sie schon an den Vorläufern liebten: einen selbstreferenziellen Humor mit Meta-Ebene, zahlreiche Anspielungen auf die Geschichte des Schauerkinos mit neu erfundenen und realen Zitaten, (nur teilweise) überraschende Wendungen, Gastauftritte, Insidergags und schräge Figuren, deren cineastisches Wissen ihnen im Notfall dann doch nichts nutzt.
Zu den bewussten Brüchen mit den (ungeschriebenen) Genregesetzen im ersten Teil zählte der Umstand, dass die arrogante, ruhmsüchtige Reporterin Gale Weathers nicht nur überleben durfte, sondern in Folge zu einer der Protagonistinnen der ursprünglichen Trilogie wurde. Nun sucht die mediensüchtige Journalistin, die ihre Erlebnisse publicitytüchtig zu mehreren Horrorromanen verarbeite, ihre Schreibblockade zu überwinden. Daher trifft es sich bestens, dass der vermummte Killer plötzlich wieder zuschlägt - wenn nur nicht Gale und ihre Bekannten erneut Zielscheibe seiner Attacken würden. Neben ihr erscheint eine ähnlich eitle Presseagentin (Alison Brie aus Mad Men) auf dem Plan, wie überhaupt alle früheren Charaktere ein jüngeres Pendant erhalten. Mit im doppelten Sinne frischem Blut wollte man neben den alteingesessenen Fans besonders ein jüngeres Publikum anzuziehen.
Jenseits des Klitschko-Promiklatschs kann vor allem Hayden Panettiere als blondes Biest überzeugen. Neu dabei sind als Polizisten Anthony Anderson, der von der Parodie Scary Movie zum Original wechselte, Adam Brody aus O.C. California und Marley Shelton, deren kurzer Ruhm etwa zu Zeiten des Scream-Booms startete. Als Variante der tödlichen Eingangsattacke des ersten Teils trumpft Kevin Williamson dieses Mal gleich mit einer Film-im-Film-im-Film-Einlage auf, wobei Anna Paquin und Kristen Bell den Gastauftrittsreigen eröffnen. Als Seitenhieb auf die eigene Merchandisemaschinerie wächst daneben die Film-im-Film-Reihe Stab mit recyceltem Heather-Graham-Material zur eigenen Serie aus, bei dem Robert Rodriguez als (tatsächlicher) Regisseur angekündigt wird. Ähnlich der Halloween-Ausprägungen feiern vergnügungssüchtige Teenager dazu das jährliche Memorial-Festival Stab-a-ton, dem der technisch bestens ausgerüstete Killer natürlich einen Besuch abstattet. Überhaupt bindet Williamson die medialen Entwicklungen perfekter in die Story ein, als dies bei anderen Horrorstreifen der Fall ist, wo Handys in Notfällen regelmäßig versagen.
Davon abgesehen darf man an die Handlungsglaubwürdigkeit wieder keine allzu hohen Ansprüche stellen. Ghostface schlägt gerade immer dann zu, wenn es der Autor als notwendig erachtet (und der Zuschauer erwartet). Von daher hält sich der Schrecken in Grenzen, obwohl die Macher Blutausstoß und Body Count erheblich erhöhten. Sogar Eingeweide treten zum Vorschein, was in der Scream 1-Eröffnungssequenz noch vor dem US-Release entschärft werden musste. Spätestens seit der letzten Zuckungen der damals ausgereizten Edgar Wallace-Welle gilt allerdings: Berge an Leichen machen noch keinen geglückten Thriller aus.
Wie in seinen letzten Arbeiten von Scream über Red Eye bis zu My Soul to Take hetzt Craven seine Protagonisten über weite Strecken lediglich durch Wohnhäuser. Der wahre Schrecken liegt im Eigenheim und den unerwünschten Eindringligen in die Privatsphäre. Wenn dann fast das gesamte Personal beseitigt ist, muss der letzte Überlebende zwangsläufig der Täter sein. Haben wir damit etwa schon zu viel verraten? Immerhin ist es erfreulich zu sehen, dass Craven und Williamson ihr Handwerk nicht verlernt haben.
Fazit: Weitgehend vorhersehbare, aber teils pointierte Neuauflage der Slasher-Serie zwischen Medienkritik und Genrezitat mit halbwegs überraschender Auflösung.