Nachdem bereits einige von Sebastian Fitzeks beliebten Psychothrillern verfilmt wurden, hat es auch sein Bestseller „Der Heimweg“ geschafft. Doch wie stark unterscheidet sich der Amazon-Film eigentlich von der Buchvorlage?
Triggerwarnung: Dieser Artikel enthält explizite Schilderungen psychischer und/oder physischer Gewalt und kann möglicherweise retraumatisierend wirken. Wenn ihr euch aktuell nicht in der Verfassung für solche Themen fühlt, überspringt diesen Artikel lieber und schaut gern ein andermal wieder vorbei!
2020 veröffentlichte Sebastian Fitzek seinen Psychothriller „Der Heimweg“, der wie viele seiner anderen Werke zu einem Bestseller wurde. Kein Wunder also, dass Amazon den Titel nun als Film adaptiert hat. Seit dem 16. Januar könnt ihr „Der Heimweg“ in audiovisueller Form genießen. Wie die Buchvorlage handelt der Film von Klara Vernet (Luise Heyer), die nicht nur in einer von Gewalt und Missbrauch geprägten Ehe lebt, sondern auch auf der Flucht vor dem geheimnisvollen Kalenderkiller ist. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen der Verfilmung und Fitzeks Psychothriller. Welche das sind, verraten wir euch hier.
Ihr möchtet euch nicht spoilern, aber eine erste Meinung zum Film lesen? Über das Inhaltsverzeichnis gelangt ihr direkt zu meiner Kritik am Ende des Artikels.
Film und Buchvorlage im Vergleich: Das sind die größten Unterschiede
Wie so oft, kommt es auch bei der Verfilmung von „Der Heimweg“ zu größeren und kleineren Abweichungen von der Buchvorlage. Nachfolgend erfahrt ihr, welche besonders hervorstechen.
– Achtung, es folgen Spoiler zum Buch „Der Heimweg“ sowie dem gleichnamigen Film! –
Zeitspanne und -angaben
Wer das Buch bereits gelesen hat, weiß, dass sich Klaras grausame Geschichte über einen langen Zeitraum erstreckt. Wir erfahren nicht nur von ihrem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik, auch erhalten wir Einblicke in die zahlreichen Nächte, in denen sie von ihrem Mann Martin misshandelt und vergewaltigt wurde. Im Film jedoch bekommen wir lediglich einen Abend aus ihrem Leben zu sehen: die Nacht, in der sie oder ihr Mann den Tod durch den Kalenderkiller finden soll. Während sich das Szenario in Sebastian Fitzeks Buchvorlage am 30. November ereignet, hat man sich im Film für den 6. Dezember entschieden. Warum es zu dieser Änderung kam, ist jedoch unklar.
Ebenso verwirrend könnte es für die Leser*innen des Psychothrillers werden, wenn es um Klaras Hochzeitstag und ihre grauenhafte Nacht im geheimen Fetisch-Club des Hotels Le Zen geht. Während diese im Buch einige Monate zurückliegt, gehen im Film die schrecklichen Ereignisse direkt dem Anruf beim Begleittelefon voraus. Dass die erzählerische Zeitspanne gekürzt werden muss, ist jedoch nachvollziehbar, denn wie wir bereits aus vorherigen Buchverfilmungen wissen, ist es schlichtweg unmöglich, eine Geschichte, die viele Monate und Ereignisse umfasst, in einem rund eineinhalbstündigen Film unterzubringen.
Ihr seid unsicher, ob ihr euch „Der Heimweg“ bei Amazon anschauen wollt? Der Trailer liefert euch einen ersten Eindruck von der Buchverfilmung:
Handlung und Nebenfiguren
Sowohl die Amazon-Verfilmung als auch Fitzeks Bestseller „Der Heimweg“ erzählen die Geschichte von Klara Vernet, die in einer von Gewalt und Missbrauch geprägten Ehe gefangenen ist und zudem vom Kalenderkiller als nächstes Opfer auserkoren wurde. Dennoch gibt es einige inhaltliche Änderungen. So wird direkt zu Beginn des Films gezeigt, dass Begleittelefonist Jules (Sabin Tambrea) offenbar eine Tochter hat, wohingegen wir im Buch erst ziemlich spät erfahren, dass sich ein kleines Mädchen in seiner Obhut befindet, und das, obwohl er während des Telefonats mit Klara angedeutet hat, dass seine Tochter Fabienne eigentlich bei einem Feuer umgekommen sei. Aber auch im Film stellt sich natürlich am Ende heraus, dass Fabienne tatsächlich vor einigen Monaten schon gestorben ist.
Ebenfalls auffällig ist das Fehlen von Jules‘ besten Freund Caesar, der gegen Ende des Buches eine wichtige Rolle einnimmt. Da sich die Ereignisse im Film jedoch teils von der Vorlage unterscheiden, war der Charakter nicht mehr zwingend notwendig für die Geschichte. Denn im Film bekommen wir keine weitere Fetisch-Party zu sehen, deren Ziel das gewaltsame Vergewaltigen von Frauen ist. Im Buch behauptet HC Tannberg, Caeser habe daran teilgenommen. Zudem entfällt in der Adaption das Treffen zwischen Caeser und Klara nach den schrecklichen Ereignissen, in dem er sich für sein Nicht-Handeln entschuldigt.
Eine weitere inhaltliche Änderung bezieht sich auf Klaras Gesundheit und ihren Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik. Während sie im Film offensichtlich psychisch krank ist und daher von ihrem Mann in die Klinik eingewiesen wurde, hatte Klara in der Buchvorlage lediglich an einer klinischen Studie teilgenommen, die einen nachempfinden lassen sollte, wie sich Menschen mit einer psychischen Störung fühlen. Dort lernte sie einen vermeintlichen Arzt namens Johannes Kiefer kennen, der ihr Leben nachhaltig auf den Kopf stellte und sie beinahe in den Selbstmord trieb. Dennoch wird Klara in der Verfilmung als deutlich stärkere und gegen Ende sogar selbstbewusstere Person dargestellt, die für sich einsteht.
Die Charaktere Hendrik (Andreas Döhler) und Vigo (Shadi Eck) erhalten ebenfalls ein anderes Ende. Zudem wird ihre Geschichte um actionreiche sowie atemberaubende Momente gekürzt.
Wer ist der Kalenderkiller?
Solltet ihr weder das Buch gelesen, noch den Film geschaut haben, das aber noch machen wollt, wäre nun der richtige Zeitpunkt, aus diesem Artikel auszusteigen.
Der wohl größte Unterschied zwischen dem Buch und der Filmadaption ist die Auflösung der Frage, wer der Kalenderkiller ist. Zwar entpuppt sich wie in der Vorlage auch im Film zu „Der Heimweg“ Jules als Kalenderkiller, doch die weitere schockierende Enthüllung, die die Leser*innen des Psychothrillers sicherlich nicht hatten kommen sehen, fehlt. Denn in der Buchvorlage handelt Jules nicht allein. Auch sein Vater HC Tannberg ist in seine Morde involviert, die der Motivation entspringen, Frauen mit der Todesdrohung aus ihrer gewaltvollen Ehe zu befreien. Ferner noch agiert dieser teils auf eigene Faust.
Ihr seid von häuslicher Gewalt betroffen und sucht Hilfe sowie Unterstützung? Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen erreicht ihr unter der Nummer 08000-116016. Auf der Webseite könnt ihr den Sofort-Chat in Anspruch nehmen oder euch online beraten lassen. Das Opfer-Telefon des Vereins Weisser Ring erreicht ihr anonym, kostenfrei und täglich zwischen 7-22 Uhr unter dieser Nummer: 116 006.
Wie sich in der Buchvorlage von Sebastian Fitzek herausstellt, näherte er sich Klara während ihres Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik als Dr. Johannes Kiefer an: Nach einer späteren gemeinsamen Nacht zeigt er sich als vermeintlicher Kalenderkiller namens Yannick. Sein Sohn Jules kam ihm dabei auf die Schliche. Doch statt Klara zu retten, hat auch er es auf sie abgesehen – und auf seinen Vater. Die beiden spielen ein perfides Spiel miteinander, um ihre schrecklichen Taten voreinander geheim zu halten. Klara wird zu ihrer Spielfigur.
Das Ende
Bereits die Tatsache, dass nur Jules und nicht noch sein Vater als Mörder enttarnt werden, lässt nun sicherlich erahnen, dass die Bestseller-Verfilmung ein durchaus anderes Ende nimmt als das Buch. Während sich Klara in der Vorlage ihrem Peiniger Yannick stellt und ihn aus Notwehr umbringt, während Jules ihren Mann für dessen Taten bestraft, nimmt im Film Jules‘ Leben ein Ende. In der Adaption von Amazon stellt sich ausgerechnet HC Tannberg (Rainer Bock) als Klaras Beschützer heraus und tötet seinen Sohn gerade noch rechtzeitig, bevor dieser Klara und ihrem Mann das Leben nehmen kann.
Doch auch wenn Martin überlebt hat, muss er im Film für seine Vergehen an Klara büßen. Denn sie macht seine Verbrechen nach der schrecklichen Nacht öffentlich und sorgt so für seine Inhaftierung. Somit findet Klara, anders als im Buch, am Ende den Mut, selbst den Kreislauf der Misshandlung zu durchbrechen.
Kritik: Wie gelungen ist die Film-Adaption von „Der Heimweg“?
– Dieser Teil des Artikels spiegelt die Meinung der Autorin wider und nicht zwangsweise die der gesamten Redaktion –
Wer wie ich das Buch „Der Heimweg“ von Sebastian Fitzek bereits vor dem Schauen des Films gelesen hat, könnte sicherlich enttäuscht über die audiovisuelle Umsetzung des Psychothrillers sein. Betrachtet man diese als eigenständiges Produkt, ist der Film aber durchaus gelungen. Die Geschichte sorgt für Spannung und nimmt – wie bei Fitzek üblich – eine überraschende Wendung. Es gibt das große Rätsel um den Kalenderkiller, eine Verfolgungsjagd, zwielichtige Personen und natürlich mindestens einen Mord. Im Presseheft zur Amazon-Verfilmung betonte Sebastian Fitzek, dass es sich um eine eigenständige Verfilmung handelt, die auch für Menschen geeignet ist, die nichts mit seinen Büchern oder Psychothrillern anfangen können. Diesem Statement kann ich nur zustimmen.
Doch gerade das sorgt bei mir und wahrscheinlich auch vielen anderen Fans des Bestsellers für eine kleine oder gar große Enttäuschung. Denn die zahlreichen Änderungen, die über die Zeitlinie und das Fehlen von Charakteren hinausgehen und sich auch auf die Geschichte auswirken, rauben dem Film einiges an Spannung und unvorhersehbaren Überraschungsmomenten. Dass man ein knapp 380 Seiten langes Buch natürlich nicht mit all seinen Details in einen eineinhalb Stunden langen Film quetschen kann, ist selbsterklärend. Dennoch habe ich mir mehr (Spannung, aber auch Brutalität) erhofft – und das, obwohl ich persönlich Filme, in denen zu viel Blut vergossen wird, eigentlich meide. Die Buchvorlage ließ mich jedoch eben jene Erwartung haben, welche leider nicht erfüllt wurde.
Alles in allem möchte ich keineswegs davon abraten, den Film zu schauen. Man sollte lediglich im Hinterkopf behalten, dass es sich um zwei unterschiedliche Versionen einer Geschichte handelt. Solltet ihr euch zuerst den Film zu Gemüte führen und überlegen, das Buch im Nachgang zu lesen, kann ich euch das nur wärmstens empfehlen – warne euch jedoch vor, dass dieses im Gegensatz zum Film nichts für schwache Nerven ist.
Ihr liebt Thriller und kennt bereits einige Filme aus dem Genre? Dann dürfte dieses Quiz ein Leichtes für euch sein: