Ein Mann, gejagt von CIA und FBI, hereingelegt von einer Verschwörung, an deren Spitze ein astreiner Plutokrat der Hochpolitik steht, inoffizielle Armeeeinsätze in Afrika, Blutvergießen für die Ölförderung: Das ist der Stoff für einen geradlinigen, spannenden, harten Thriller, der einfach und zugleich komplex ist, auf den Punkt inszeniert und der dabei einen weiten Raum politischer und gesellschaftlicher Implikationen öffnet.
Das macht ihn zu einer modernen Version der 70er-Jahre-Paranoiathriller, The Parallax View (Zeuge einer Verschwörung) und der Marathon Man, Die drei Tage des Condor kommen einem in den Sinn, oder auch, nicht nur wegen der Gewaltdarstellung, Straw Dogs (Wer Gewalt sät). Wobei Shooter ganz eigenständig dasteht, nicht einfach nur Vorbilder zitiert, sondern ganz die moderne Bildsprache zeitgenössischer Actionfilme anwendet. Mark Wahlberg ist auch ein ganz eigener Typ des verfolgten Verfolgers, hart und brutal, stur und zielstrebig, ein Profi, der über 1500 Meter ins Ziel trifft, der das Töten und das Überleben gelernt und verinnerlicht hat. Trotz einer grundsätzlichen Anständigkeit ist er kein 70er-Jahre-Held: Robert Redford etwa in den Drei Tagen des Condor ist zwar gejagter CIA-Agent, aber nur ein trockener Schreibtisch-Bücherwurm.
In den 70ern waren die Filme Ausdruck einer Stimmung des grundlegenden Misstrauens am eigenen Land; und auch heute steckt Amerika in einer Krise. Bürgerrechts- und Antivietnambewegung, die Morde an John und Robert Kennedy, an Martin Luther King und Malcolm X, die Watergate-Affäre: Das waren die offensichtlichen Auslöser des Argwohns gegen die eigene Nation. Heute ist da G.W. Bush, der trotz Wahlniederlage sich juristisch auf den Präsidentenstuhl gesetzt hat, ein terroristischer Anschlag, der Amerika im Herz getroffen hat, der patriotische Gefühle und freiheitsbeschränkende Maßnahmen durch die Regierung auslöste. Allmählich sickert die Erkenntnis durch, dass die USA durchaus auch völkerrechtswidrig zu handeln bereit ist; dazu ein Krieg im Nahen Osten, der durch offensichtliche Lügen gerechtfertigt wurde und nun zum Fass ohne Boden wird: Das sind die Bausteine einer heutigen Vertrauenskrise, das Feld, auf dem Paranoiathriller gedeihen. Auf all dies spricht Shooter an doch er benennt nichts davon, bleibt unkonkret, und das ist auch gut so: Man fände sich sonst allzu leicht im didaktischen Politthesenfilm wieder.
Dafür inszeniert Antoine Fuqua ganz straight seine Geschichte einer Falle, in die Ben Lee Swagger gerät, einer Verschwörung, die es aufzudecken gilt. Swagger ist vom Militär sorgsam ausgebildeter Scharfschütze, ein Patriot, der enttäuscht wurde, dessen Weltbild ins Wanken geriet. Eine staatlich ausgebildete Kampfmaschine, ein Profikiller im Dienste der Regierung; nun zieht er los, um präzise und abgebrüht zu töten: seine Feinde, die Feinde des amerikanischen Volkes, die eigentlich die Nation vor Schaden bewahren sollten.
Traumatisiert durch eine geheime Friedens-Mission in Äthiopien soll er nun ein Attentat auf den Präsidenten verhindern, für das er aber in Wirklichkeit den Sündenbock spielen soll: Kriegstrauma und Attentat und Falle durch außer Kontrolle geratene Geheimdienste, das gab es in den 70ern schon einmal. Doch heute ist das Opfer im Töten geübter, eine Art Rambo nicht in Vietnam, sondern im eigenen Land, ein Mann, der Rache will, ein Mann, der aufräumt. Und wie: Dringt in das Landhaus eines seiner Feinde ein, gerät in eine Falle, kämpft sich gegen Hundertschaften von Soldaten wieder raus: Das erzeugt Bewunderung für seinen Mut, seine Entschlossenheit; und es erzeugt Unbehaglichkeit angesichts der Menge an Toten, die er zu hinterlassen gezwungen ist. Ein Menschenleben zählt nicht viel, das ist auch ein Punkt, auf den der Film hinauswill: Wenn er wieder und wieder zeigt, wie Köpfe weggeschossen werden (wohl deshalb ist er erst ab 18 Jahren freigegeben), geht es nicht so sehr um den Kick als um die Auswirkung auf Swaggers Mentalität, wenn er vom Töten und vom Tod umgeben ist.
Es gibt immer noch Leute, die glauben, dass ein einzelner etwas bewirken kann. Das kann man nur widerlegen, indem man diesen einzelnen tötet: das ist die Schattenseite der Demokratie, erklärt der Kopf der Verschwörung zynisch. Später sagt jemand anderes zu Swagger: Dies ist kein Western, man kann nicht einfach mit Waffen auf die Straße gehen und mit den Bösen aufräumen. Doch genau das ist der Punkt, hierhin will Fuqua mit dem Film: In einer Zeit, in der Gut und Böse miteinander verschmelzen, wo keiner unschuldig ist, weil jeder schon getötet hat aus ungerechtfertigten Gründen: Dann muss ein Mann her, der die Bösen wegputzt. Dafür stand der klassische Westernheld, dafür stand auf kritischere, liberalere Weise der verfolgte Thrillerheld der 70er, dafür steht jetzt ganz explizit der Shooter.
Fazit: Ein harter, geradliniger Thriller in der Tradition der Polit-Paranoiafilme der 70er Jahre erzählt mit der Bildsprache des modernen Actionthrillers.