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„Sicario 2“-Kritik: Böser, aber nicht besser als der Vorgänger

„Sicario 2“-Kritik: Böser, aber nicht besser als der Vorgänger
© Studiocanal

Benicio Del Toro und Josh Brolin stehen im Mittelpunkt der Fortsetzung zu Denis Villeneuves Kartell-Thriller „Sicario“. Der zweite Teil erzählt eine nervenzerfetzend zynische Geschichte über das alltägliche Sterben im Grenzland zwischen den USA und Mexiko.

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Sicario 2: Soldado“ von Regisseur Stefano Sollima („Gomorrha – Die Serie“) beginnt mit einem Tiefschlag, der sitzt. In einem amerikanischen Supermarkt sprengen sich drei IS-Attentäter in die Luft. Wenn man diesen Anschlag gesehen hat, möchte man eigentlich innehalten und verarbeiten. Die Szene hallt nach. Lange war die Alltäglichkeit des Terrors nicht mehr so schmerzhaft im Kino erfahrbar, doch da rattert die Maschine schon weiter, führerlos ins Chaos eines zynischen Krieges, in dem die Unterschiede zwischen den Seiten verschwimmen.

Denis Villeneuves Action-Thriller „Sicario“ aus dem Jahr 2015 hatte es geschafft, knallharte Action mit gut recherchierten Details zum Drogenkrieg in Mexiko zu verbinden. Die Figuren bewegten sich in moralischen Grauzonen. Zu verdanken war das dem Drehbuch von Taylor Sheridan, der für seine Arbeit an „Hell or High Water“ für einen Oscar nominiert war. Sheridan hat auch das Drehbuch für „Sicario 2: Soldado“ geschrieben und seine generelle Schlagrichtung beibehalten. Diesmal ist die Gewalt allerdings noch entfesselter.

Benicio Del Toro zettelt einen Krieg an

Die Handlung von „Sicario 2“ setzt mit dem IS-Anschlag in den USA ein. Der CIA-Agent Matt Graver (Josh Brolin) wird nach Washington berufen, um mit dem Verteidigungsminister (Matthew Modine) eine neue Strategie zu entwickeln. Graver, ein selbstherrlicher Macho, fläzt sich auf das Sofa. Das könne dann aber dreckig werden, warnt er. Der Plan ist einfach: Die Attentäter sind über die Grenze gekommen, die Kartelle beherrschen die Grenze. Graver soll die Kartelle gegeneinander aufstacheln, ein Krieg würde ihnen die Kontrolle über die Grenze entziehen. Teile und herrsche, so die Devise. Eine Taktik, die Graver im Irak gelernt hat — weil sie dort so gut funktioniert hat.

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Für seinen Plan engagiert Graver den schwermütigen Killer Alejandro Gillick (Benicio Del Toro). „Diesmal keine Regeln“, sagt Graver, als ob es im Vorgänger irgendwelche Regeln gegeben hätte. Unter falscher Flagge verüben sie ein Attentat auf den Anwalt des Matamoros Kartells und kidnappen nur wenig später Isabel Reyes (hervorragend: Isabela Moner), die Tochter des verfeindeten Kartell-Chefs Carlos Reyes. Eigentlich sollten sich die Gangster gegenseitig an die Kehle springen. Doch der Plan geht so katastrophal schief, dass sich die amerikanische Einmischung kaum vertuschen lässt. Auf Fox News laufen Bilder toter mexikanischer Polizisten und die US-Regierung rudert zurück. Graver soll das Debakel unter den Teppich kehren. Er beauftragt Gillick, Isabel zu töten, um die Spuren zu verwischen. Doch Alejandro, dessen Familie von Isabels Vater ermordet wurde, entscheidet, dass er kein Kind töten kann.

„Sicario 2: Soldado“ schlittert in einen Konflikt, der die meiste Zeit nervenaufreibend und extrem packend inszeniert ist. Ebenso wenig wie es einen festen moralischen Standpunkt gibt, gibt es feste Allianzen. Graver ist eine entsicherte Waffe, er sagt selbst, man solle ihm bloß eine Richtung weisen. Gillick ist der Abzugfinger. Die große Leistung von Sheridans Script ist, dass wir uns trotzdem eher mit dem Killer als mit dem CIA-Agenten identifizieren. Alejandro pendelt zwischen entfesselter Gewalt und ruhiger Räson. In einer der besten Szenen des Filmes erzählt er in Gebärdensprache von der Ermordung seiner Tochter. Ohne Worte wirft Alejandro die Erinnerung mit einer lakonischen Geste über die Schulter. In diesem Moment ist man ganz auf seiner Seite. Es lässt sich nicht mehr ändern.

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Überflüssige Nebenhandlung

Doch leider nimmt sich das Drehbuch immer wieder Zeit, um von dem eigentlichen Konflikt zwischen Alejandro und Graver abzulenken. Die Spannung liegt gerade darin, ob diese beiden Antihelden eines modernen Western zu einem Shootout miteinander gezwungen werden — oder nicht. Denn Graver und Alejandro sind trotz aller Differenzen auch ein eingeschworenes Team. Sie kennen die Winkelzüge des anderen, zwischen ihnen herrscht professionelle Sympathie. Der Film führt mit dem jungen Miguel Hernandez (Elijah Rodriguez) jedoch eine Figur ein, die diese Dramatik verschleppt.

Am Beispiel von Hernandez wollen Sollima und Sheridan zeigen, wie die Kartelle junge Kämpfer rekrutieren. Gelockt wird Hernandez mit einer Mischung aus Geld und familiärer Sicherheit. Ein Großer-Bruder-Typ führt ihn ins Kartell ein, der Boss gibt sich väterlich. Sie nutzen die noch unsichere Männlichkeit des Jungen aus. Gleichzeitig illustriert die Nebenhandlung die Abläufe der Schleuserindustrie. In den 90ern sei Kokain die wertvollste Ware der Kartelle gewesen, erklärt Graver. Heute seinen es Menschen. Doch die Nebenhandlung zu ungeschickt eingeführt und lässt eine Erklärung für die Motivation von Hernandez vermissen. Gerade die Strukturen, die dazu führen, dass Jugendliche sich den Kartellen anschließen, werden so nicht erklärt. So nimmt die Nebenhandlung stellenweise nicht nur die Spannung, sie entpuppt sich zum Schluss auch als ungeschickte Exposition für „Sicario 3“.

Vom Standpunkt der Moral gesehen

Der vielleicht entscheidende Trick von Villeneuves Vorgänger war Emily Blunt als FBI-Agentin, die ungläubig erlebte, wie im Drogenkrieg alle Regeln über den Haufen geworfen werden. Blunt beobachtete dies stellvertretend für den Zuschauer. Im zweiten Teil fehlt diese Figur und damit auch jedes Gewissen, die Entgleisung ist der Normalzustand. Stefano Sollima inszeniert eine Gewaltspirale, die sich so nüchtern wie unaufhaltsam zuspitzt, untermalt vom schleppend scheppernden Soundtrack von Hildur Guðnadóttir. Jede Szene ein Donnergrollen. Ohne eine Gegenstimme gerät die Action jedoch bald zum Zynismus. „Denkst du wirklich, es ginge darum, etwas zu ändern?“, fragt Gravers Vorgesetzte (eine verschwendete Catherine Keener) und offenbart, wie ausweglos dieser Abgrund ist. Noch ein Tiefschlag, den man einstecken muss.

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Moral ist eine Frage des Standpunktes, scheint Sollima uns zurufen zu wollen. In „Sicario 2“ gibt es keine klaren Fronten. Wenn der US-Verteidigungsminister im Film Terroristen als Personen oder Gruppen definiert, die politische Ziele mit Gewalt durchsetzen, dann zählen je nach Standpunkt auch die USA dazu. Immerhin schicken sie ihre Soldaten hinter die mexikanische Grenze, um ihr eigenes politisches Ziel zu verfolgen. „Sicario 2“ vollzieht nach, wie im Drogenkrieg die Grenzen zwischen der Staatsgewalt und den Kartellen verschwimmen — Gravers Taktiken sind ebenso skrupellos wie das Vorgehen der Gangster. Neu ist diese Erkenntnis nicht, sie stand bereits im Mittelpunkt des Vorgängers. Als Zuschauer wünscht man sich aber einen Rettungsanker, um nicht mit in den Strudel gezogen zu werden.

In seinen großartigen Setpieces erinnert „Sicario 2“ an Vorbilder wie die Nachtsicht-Sequenz in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ oder Christopher Nolans „The Dark Knight“. Stefano Sollima stellt physische, körperbetonte Action in den Vordergrund, die klar, schnörkellos und effektiv inszeniert wird. Mit „Sicario 2“ leistet er sich zwar einige Fettnäpfchen — Mexikaner in die Nähe von Terroristen zu rücken, gelingt sonst nur Donald Trump — und an manchen Stellen auch die eine oder andere Länge. Haupt- und Nebenhandlung werden zu spät miteinander verknüpft, zu konstruiert ist außerdem das Ende, das auf einen dritten Teil verweist. Trotzdem ist „Sicario 2“ ein handwerklich hervorragend gearbeiteter Thriller, der das Publikum packt, reinzieht und nicht mehr loslässt.

Fazit: „Sicario 2: Soldado“ ist ein effizienter, brutaler und ideologisch rechtsgerichteter Thriller, der unter die Haut geht. Benicio Del Toro und Josh Brolin glänzen als moralisch haltlose Killer, die in einem ausweglosen Krieg festhängen — ein zynischer Schlag in die Magengrube.

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