Nach dem TV-Film Stiller Sturm von 2001 legt der deutsche Regisseur Tomasz Thomson jetzt sein zweites Werk, den für das Kino konzipierten Snowmans Land vor. Dieser Film ist ein Thriller im verschneiten postsozialistischen Jagdrevier weit draußen Richtung Russland. Der eigenwillige Stil und der ungewöhnliche Handlungsverlauf, der die Erwartungen nicht erfüllt, lassen an einen Abgesang auf das Genre denken. Die Charaktere sind abgerissen und es passiert über weite Strecken kaum etwas, zumindest aber nichts, was logisch vorhersehbar wäre. Wenn die Figuren sich zum Gruseln in den Wald begeben, erklingen unbeschwerte Folksongs.
Walter, gespielt von Jürgen Rissmann, ist zwar nicht mehr der Jüngste, doch seinen Platz im Leben hat er immer noch nicht gefunden. Morgens steht er nur widerwillig auf, und dann erwischt er auch noch das falsche Opfer. Der Chef ist nicht erfreut. Ein Kumpel hilft ihm aus der Patsche mit einem Auftrag, den er, weil er Familie hat, nicht annehmen kann: für eine Weile weit weg in die Berge fahren, der reinste Urlaub. Doch schon auf dem Weg zum Domizil des unbekannten Auftraggebers Berger trifft Walter auf eine weitere Gestalt, die nicht nur optisch ein Loser ist: der jüngere Micky, der Sprache nach ein Asozialer, ein Kleinganove, mit sehr schlechter Laune im Schnee.
Dieser Micky, gespielt von Thomas Wodianka, entpuppt sich im Laufe des Films als Sympathieträger, obwohl seine Ausdrucksweise und seine Mimik abstoßend sind. Selten hat man in einem deutschen Film so eine gelungene Milieufigur gesehen, die nichts zu sein behauptet, was zu böse oder zu schön wäre, um wahr zu sein. Micky langweilt sich nicht gerne, und kaum in dem großen Gebäude angekommen, sorgt sich der bedächtige Walter, dass der Kollege etwas kaputtmachen könnte. Der abwesende Boss hat nämlich eine blonde junge Frau, die sich auf die Herstellung von Drogen versteht. Eines Abends feiern Micky und diese Sibylle also, und Walter kann nicht mehr verhindern, dass Sibylle durch einen Pistolenschuss stirbt.
Als postsozialistische Kulisse dient das abseits gelegene, mehrstöckige Haus, in dem ein ausgestopfter Bär und etliche Rehbockgeweihe an den Wänden von einer ruhmreichen Jagdhistorie künden. Das einst mit seinem progressiv-nüchternen Stil wohl moderne Gebäude beherbergt längst keine kommunistischen Funktionäre mehr, nur Sibylle. Dennoch gibt es Wasser im Becken des weiß gekachelten Schwimmbads. Im Wohnzimmer, das mehr nach Eingangshalle aussieht, vertreiben sich Walter und Micky das Warten auf Berger mit Fernsehen, doch der Empfang ist gestört.
Eine männliche Offstimme steuert von Zeit zu Zeit ein paar ironisch-zynische Erzählhäppchen bei. So erfährt man auch, illustriert mit alten Bildern, dass schon Dschingis Kahn und Napoleon um diese wilde Gegend lieber einen Bogen machten. Berger, gespielt von Reiner Schöne, hält von den mysteriösen Einheimischen ebenfalls nichts, doch diese bleiben, bis auf seine rechte Hand Kazik, im Hintergrund, allenfalls tauchen sie mal schemenhaft am Waldrand auf. Spuren im Schnee führen vom Haus in den Wald und die Spannung verläuft sich oft in den leeren Gängen des Gebäudes. Der Film aber hat Atmosphäre, nihilistisch, labyrinthisch, und Walter ist sozusagen der Narr, der Hans im Glück.
Fazit: Ganz weit weg in den verschneiten Wäldern Osteuropas, in einem leeren Jagdhotel, vermasseln zwei Gangster ihren Auftrag auf stilvolle Weise.