Der mit dem Goldenen Löwen von Venedig prämierte Somewhere von Regisseurin und Drehbuchautorin Sofia Coppola porträtiert einen ausgebrannten Hollywoodschauspieler. Der fiktive Charakter, der dennoch wie dokumentarisch aus der Realität gegriffen scheint, ist reich und berühmt, aber er leidet unter seiner Einsamkeit und der Sinnlosigkeit in seinem Leben. Coppola begleitet ihn in seinem Alltag mit stillen, langen Einstellungen. Die Szenen, in denen Johnny Marco auf dem Sofa sitzt, eine Abdruckmasse auf dem Gesicht härten lassen muss oder ratlos lächelt, wenn ihm Reporter Fragen stellen, bekommen wegen ihrer betont desolaten Stimmung etwas Künstliches.
So weiß man letztlich während des ganzen Films nicht, ob man Johnny Marcos Alltag als Blick hinter die Kulissen Hollywoods verstehen soll oder doch eher als artifiziell verdichtet, so wie ein rosafarbenes Bonbon, nur mit bitterem Geschmack. Auf der dokumentarisch anmutenden Seite dieser Geschichte stehen die Bilder der Entfremdung, wenn Johnny sich zum Beispiel in seinem schwarzen Ferrari mit röhrendem Motor in eine mehrspurige kalifornische Straße einreiht, ein Mustang unter Gäulen, einer, der nicht richtig aufdrehen darf, sondern nur ein Schmuckstück aus der Vitrine holt.
Stephen Dorff gibt diesen Schauspieler, der ungekämmt und mit übernächtigtem Gesichtsausdruck, mit offenem Baumwollhemd über einem T-Shirt herumläuft, als sei er auf Reha. Für die gestylten Leute in seiner Umgebung, die meistens bewundernd aufblicken, wenn er aufkreuzt, hat er ein kumpelhaftes Lächeln übrig. Diese Pose drückt aus, was Johnny nicht in Worte fasst: Er möchte unschuldig sein, alles soll harmlos bleiben, nicht verletzen. Wenn Johnny seine Ferrari-Runden in der Wüste gezogen hat oder wenn er Blondinen abschleppt, sieht er nicht wirklich cool aus, sondern ein wenig verwundet.
Johnny Marco bekommt alles, bevor er es sich überhaupt wünscht, Sex inklusive, und das macht ihn müde. Auch dass er kein wirkliches Heim hat, tut ihm offenbar nicht gut, denn er wirkt im Chateau Marmont wie im Wartezimmer, aus den ihn seine Agentin zu ungeliebten Terminen klingelt. Aber er hat eine Tochter aus geschiedener Ehe, die ihn besucht. Elle Fanning spielt die elfjährige Cleo und Sofia Coppola inszeniert dieses Mädchen als den reinen, unverdorbenen Gegenpol zu den weiblichen Figuren in Johnnys Leben. Wenn er seine Tochter als zarte Prinzessin beim Eiskunstlauf bewundert oder sie ihn in einem hautfarbenen Abendkleid auf eine Fernsehgala begleitet und ihm ihr frisches, absolut argloses Lächeln schenkt, dann erhält Johnny Nahrung aus einer anderen Welt.
Schön komponiert ist das Bild, wenn Johnny neben Cleo am Pool entspannt: Er benutzt die Liege als Bahre, kapituliert darauf wie ein hingeklatschter Frosch, Cleo hingegen hat sich elegant und genießerisch ausgestreckt. Elle Fanning spielt die Tochter charismatisch und dennoch komplett unaufdringlich, ein natürliches Mädchen, das kein Image pflegen muss. Der stumme Schwebezustand Johnnys aber irritiert, für ein realistisches Porträt ist er, ebenso wie die langsamen Kamerabewegungen auf ihn zu oder von ihm weg, zu gewollt und eindimensional. Offenbar geht es dem Film weniger um die Charaktere, als um eine atmosphärische Entlarvung.
Fazit: Sofia Coppola inszeniert die Sinnkrise eines Hollywoodstars in stillen Bildern der Ernüchterung.