In den letzten 16 Jahren sind bereits drei verschiedene Spinnenmänner über die Kinoleinwand getobt. In „Spider-Man: A New Universe“ wird nun auch noch ein vierter Spider-Man eingeführt. Brauchen wir das wirklich? Ja, unbedingt, denn der Neue hat ein grandioses Action-Feuerwerk im Gepäck.
Ein Spider-Man ist nicht genug
Das Animationsabenteuer „Spider-Man: A New Universe“ ist eine indirekte Fortsetzung zu den drei Spider-Man-Filmen mit Tobey Maguire. Das können die Zuschauer gleich zu Beginn aus einem persönlichen Rückblick von Peter Parker entnehmen. Ja, richtig: Spider-Man gibt es bereits und er gehört mittlerweile zum Stadtbild von New York wie Yellow Cabs und Hot Dog-Stände. Deshalb konzentriert sich die Handlung auch auf den Jugendlichen Miles Morales, der just von seinem Vater dazu gezwungen wird, von der öffentlichen Schule auf eine private zu wechseln.
Weil Miles dort gleich am ersten Tag von seinem Vater bis auf die Knochen blamiert wird, findet er bei seinen Mitschülern keinen Anschluss. Zum Glück ist da noch sein Onkel Aaron, mit dem er sich richtig gut versteht. Der zeigt Miles eines Abends einen ganz besonderen Ort im U-Bahn-System, an dem der Junge zeigen kann, wie gut seine Graffiti-Künste inzwischen geworden sind. Bei diesem Ausflug wird Miles dann von einer seltsamen Spinne gebissen, was seine Zellen sofort zu Höchstleistungen antreibt. Nach einer Reihe peinlicher Vorfälle steht für Miles schnell fest, dass er offensichtlich der zweite Spider-Man der Stadt ist.
Doch bevor er die Gelegenheit dazu bekommt, seine Fähigkeiten als frischgebackener Superheld zu entwickeln, überschlagen sich die Ereignisse. Miles ist zufällig dabei, als der finstere Kingpin ein Portal zu verschiedenen Paralleldimensionen öffnet. Das führt dazu, dass der Jugendliche bald umgeben ist von fünf anderen Spider-Helden aus Parallel-Welten. Und wie es aussieht, ist der unerfahrene Miles der einzige von ihnen, der die Stadt vor einer Katastrophe retten und seine Kollegen nach Hause schicken kann, bevor sich diese in ihre Atome auflösen.
Neues aus dem Spider-Man-Universum
Während die Realverfilmungen inhaltlich ziemlich auf der Stelle getreten sind, weil sie gleich drei Mal vom High-School-Schüler Peter Parker erzählt haben, geht es bei „Spider-Man: A New Universe“ endlich mal so richtig voran. Die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ist im Film längst zum Alltag der Menschen geworden – genau wie in der Realität, wo jedes Kind den Superhelden kennt. Und so ist auch der Spruch „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“ nun auf der Leinwand genauso abgeschmackt wie in Echt, was sich für den Zuschauer einfach unheimlich befreiend anfühlt.
Es ist großartig, wie Miles nach seiner Verwandlung zum Helden einfach in ein altes Spider-Man-Comic schaut, sofort kapiert, was mit ihm los ist, und sein Schicksal akzeptiert. Es gibt keine ellenlange Selbstfindung und auch kein künstliches Gezauder mit dem Schicksal, was dem Film ein so hervorragendes Tempo verleiht, das ihn nicht mal der konventionelle Vater-Sohn-Konflikt ausbremsen kann.
Comic-Film mit Comic-Humor
Auch in weiteren Aspekten löst sich „Spider-Man: A New Universe“ von seinen Vorgängern. Hatten die Realfilme immer mal wieder komische Szenen zu bieten, dreht der Animationsfilm nun so richtig auf und scheut sich auch nicht davor, blanken Quatsch zu zeigen. Wir sagen nur Peter Porker als Spider-Ham. So gehört auch eine Szene, in der der vollkommen überforderte Miles und der leicht verpeilte Peter B. Parker einen Computer aus einem Sicherheitslabor klauen, mit zum lustigsten, was man in diesem Jahr gesehen hat. Dieser Mut zur comichaften Übertreibung macht großen Spaß. Wer jetzt fürchtet, der ganze Film könnte ihm zu albern sein, kann an dieser Stelle beruhigt werden: „Spider-Man: A New Universe“ hält genau die richtige Balance zwischen Komik, echter Tragik und genialer Action.
Vom Comicheft auf die Leinwand
Es ist vor allem der bahnbrechende visuelle Stil, der den Film zu einem echten Must-See für Superhelden-Fans macht. Mag die Graffiti- & Hip-Hop-Attitüde des Films anfangs noch etwas aufgesetzt wirken, wird bald klar, dass „Spider-Man: A New Universe“ diesen Stil tatsächlich nicht nur zeigt, sondern auch lebt. Schon die Mischung aus animierten Figuren und teilweise grob gerasterten Comic-Hintergründen gibt dem Film von Beginn an einen erfrischend ungeschliffenen Hinterhof-Look (der aber nie billig wirkt).
Bald kommen knarzende Glitches dazu, knallbunte Freeze-Frames und bei Miles´ Verwandlung wird der Film dann sogar komplett zum Comic-Strip, was die geistige Verfassung des Helden geradezu kongenial widerspiegelt. Wenn sich diese außergewöhnliche Optik dann noch mit den geradezu entfesselt gefilmten Actionszenen und dem fetten Soundtrack verbindet, entwickelt sich der Film zu einem wahren Sinnesrausch, den man so noch nicht gesehen hat.
Fazit: Wow! Was für ein Film, den die drei Regisseure Bob Persichetti, Peter Ramsey und Rodney Rothman hier raushauen. „Spider-Man: A New Universe“ ist ein teilweise irrwitziger Trip mit unglaublich viel Humor, Tempo und Action. Nach diesem Feuerwerk kommt man geradezu berauscht aus dem Kino.