Die Othello-Aufführung sei ja sehr gut gewesen, sagt König Charles II., aber könnte das nächste Mal nicht etwas heiterer gespielt werden? Richard Eyre vermied es Gott sei Dank, Stage Beauty heiterer zu gestalten, in der Form einer Klamotte à la Charleys Tante oder auch Viktor/Viktoria, Verkleidungs- und Verwechslungsfarcen, die auf direktes Lachen zielen. Stage Beauty ist keine Komödie, und doch ist es witzig, es ist kein Liebesdrama, und doch tragisch beides ist nicht von außen aufgesetzt, sondern entwickelt sich aus den Figuren; und jede andere Strategie von Inszenierung oder Dramaturgie hätte die formale Strenge, die der Film birgt bei gleichzeitiger Freiheit des Spiels, die er gewährt, verletzt.
Othello ist eine Tragödie, und die Forderung nach heitererem Spiel meint eigentlich mehr Überraschungen in der Darstellung. Tatsächlich war um 1680 die Schauspielkunst streng formalisiert, mit genau bezeichneten Posen für die Darstellung einer Frau durch einen männlichen Schauspieler beispielsweise in Trauer, in heftiger Bewegung, in Abwehrhaltung und so weiter. Die Kunst bestand nicht nur in der Darstellung einer Rolle, sondern darin, dass ein Mann diese Rolle als Frau spielen musste. Das Publikum hatte einen doppelten Blick: auf die dargestellte Frauenfigur und darauf, wie ein Mann diese Frau spielte.
Ned Kynaston ist ein Star unter diesen Frauendarstelern, seine weiblichen Posen, seine hohe Stimme, seine Gestalt und seine Schönheit sind weit gerühmt.; tatsächlich bietet dieses stardom auch persönliche Vorteile, so kann Kynaston weiblichen Verehrern beweisen, dass er ein Mann ist, während einer Kutschfahrt wie bei Flaubert doch ist diese Verehrung seines schwellenden Zepters, das er den Frauen bietet, für die nur möglich unter der Prämisse, das Kynastons Bühnenpersona die einer Frau ist.
Neue Zeiten brechen an, Zeiten, in denen Frauen die weiblichen Rollen selbst spielen wollen, zunächst in buchstäblich underground-Theatern, in Kellerkneipen, dann auch öffentlich durch königliches Dekret. Charles II. hat Schauspielerinnen im Exil in Frankreich gesehen, und er setzt die weibliche Schauspielkunst in England durch. Maria, die Kynastons Garderobiere war, wird zum gefeierten Star, zur ersten Frau auf der Bühne und Kynaston steigt ab zum Frauenimitator mit billigen Zoten vor johlendem Publikum.
Eyres Film ist vor allem die Darstellung von Identitätssuche, darin seinem vorherigen Film, dem Alzheimer-Drama Iris, nicht unähnlich: Kynaston steckt in einer Identitätskrise, in der Ambivalent zwischen Schauspieler und Rolle, zwischen Mensch und Star, zwischen Mann und Frau Ned hat einen Liebhaber, den Duke of Buckingham; und nach seinem schauspielerischem Abstieg erhält er von ihm den Todesstoß für ihre Beziehung, in einer Sauna wie in der Mordszene von Orson Welles Othello-Film
Kynaston verliert sich in der Sehnsucht nach seiner Desdemona-Rolle, nach der Schönheit des Todes als Frau, auf der Bühne. Und er verirrt sich in seiner sexuellen Orientierung, im Bett zusammen mit der jungfräulichen Maria zeigt er das Mann-Frau-Spiel der männlich-gleichgeschlechtlichen Liebe und kennt sich am Ende selbst nicht mehr aus, wer in welcher Stellung welche Rolle innehat.
Die Ambivalenzen der Identität verlängern sich auf den Charakter des Films, der die Welt des London des 17. Jahrhunderts aufweckt, die gleichwohl wie gekünstelt wirkt, weil sie uns zu fremd ist und dennoch nicht weniger berührt. Dabei greift der Film aus der Zeit, in der er spielt, voraus in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, wenn er in kühnem Sprung die Todesszene im Method-Acting-Stil durchspielt: ein reizvoller Kontrast zwischen dem naturalistischen Spiel auf der Bühne und dem steifen 1680er-Publikum in den Rängen. In dieser Szene, in ihrer Bühnenrolle, finden sich Kynaston und Maria, einander wie auch die eigene Identität.
Der Film spart auch nicht an Witz, er zeigt eine höfische Gesellschaft, in der Wortspiele und ordinäre Zoten - am rechten Platz im rechten Maß wohlgemerkt durchaus willkommen sind. I had my fill with Desdemona sagt der Kynaston-Liebhaber; die Mätresse des Königs tritt als Winz- und Witzversion des Monarchs bei einem privaten Maskenspiel auf, während der König die Mätresse spielt zu einer Zeit, als offiziell von ihm selbst verboten war, dass Männer Frauen spielen. Die außerordentlichen Dialoge in Oscar-Wilde-Tradition (freilich zwei Jahrhunderte vorher spielend) und die Souveränität des Theaterregisseurs Eyre, der die Schauspieler wie das Schauspielmilieu glänzend in Szene setzt, forcieren den aus den Figuren kommenden Witz und gleichzeitig wird der Witz vom Blick der Kamera verstärkt, ohne in je zu zerbrechen: wie sonst könnte ein. Blowjob der Mätresse am König so dezent gezeigt werden wie durch das Schwanzwedeln der königlichen Schoßhunde?
Fazit: Theaterdrama um Identitätssuche und stardom, um Geschlechterverwirrungen und den Aufbruch einer neuen Zeit hervorragend gespielt, souverän inszeniert und mit großartigem Witz versehen.