Der Film stürzt sich mitten hinein: ein Schwarzer rennt durch die Stadt, wird offenbar verfolgt, über die Straße, durch einen Laden, über eine Mauer im Hinterhof
und damit hat einen der Film gepackt, denn natürlich ist der Verfolgte nur ein Stein des Anstoßes für diese Geschichte um Macht und Korruption, um Politik und Journalismus, Freundschaft und Verrat, Mord und Verschwörung und um eine neue Zeit, die auf eine alte stößt.
Cal McAffrey (Russell Crowe) ist altbewährter Reporter mit ungepflegt gestutztem Bart, halblangem Haar, Wampe, der beim Autofahren Bluegrass-Musik hört und Chips in sich reinstopft. Ihm zur Seite steht die junge Della Frye (Rachel McAdams) von der Online-Redaktion, die ihre Stories schnell runtertippt und sich dabei vor allem auf andere Blogs bezieht. Auf wessen Seite der Film steht, ist klar: während Della nie einen Stift dabei hat, kennt Cal jeden und bekommt mit einer einnehmenden Mischung aus Charme und Impertinenz alles aus seinen Kontakten raus, was er will.
Cal entspricht ganz dem Mythos des guten Reporters, der vielleicht nicht ganz objektiv ist, im Grunde aber stets der Wahrheit nachspürt, mit allen Tricks und wenn es sein muss auch unter dem Risiko schmerzhafter persönlicher Verluste. Ich glaube, dass die Leute zwischen all dem Klatsch und Tratsch unterscheiden können, was eine richtige Nachricht ist. Und ich glaube, dass sie froh sind über die, die mit ihren Artikeln alles wieder ein bisschen ins Lot bringen. Sagt Cal. Während seine Chefredakteurin ganz gerne auch mal einen Sexskandal auf dem Titel hätte, der Auflage verspricht. Auch wenn damit die Recherche zur ganz großen Story gestört oder verhindert wird. Vor allem, weil hinter ihr die neuen Herausgeber stehen, die in einer sich wandelnden Medienwelt tatsächlich sehen wollen, wie eine Print-Zeitung [i]Gewinn [/i]macht! Womit der Film auch in diesem Subplot plädiert für Qualität und Nachhaltigkeit und gegen kurzfristiges Finanzdenken; denn es zahlt sich letztendlich aus, den Zeitungsdruck für 22.000 Dollar die Stunde zu verschieben und zu warten, wenn man dafür statt eines Schlagzeilen-Strohfeuers an die große Sache rankommt.
Doch das ist nur ein Nebenschauplatz im Film, der freilich das reflektiert, worum es in der Hauptsache geht: PointCorp, eine private Sicherheitsfirma, ist dabei, die gesamte innere Sicherheit zu monopolisieren durch Privatisierung des staatlichen Rechts auf law and order, durch Outsourcing von Polizei- und Militäraufgaben auf ein privates Unternehmen; das mit seinen Söldnern im Irak schon Milliarden verdient und im Inland auf noch mehr Profit hofft. Der Abgeordnete Stephen Collins kämpft dagegen an in einem Ausschuss des Verteidigungsministeriums, und als seine Assistentin ermordet wird, soll wahrscheinlich er getroffen und ausgeschaltet werden. Weil er eine Affäre mit ihr hatte, die nun öffentlich herausposaunt wird wegen all der Skandalgeilheit in Medien und Leserschaft, die sich nun alle auf diesen Politschmutz stürzen. Ein Nebenschlachtfeld ist damit eröffnet im Krieg um Milliarden Dollar. Und dieser Mechanismus von Politik, Wirtschaft und Medien ist fein beobachtet, und schön en passant arbeitet der Film heraus, wie es im politisch-ökonomischen Komplex mit seinen vielen widerstreitenden Finanz- und Machtinteressen zugeht.
Cal ist ein alter Studienfreund von Collins, und das verkompliziert einiges. Zumal Cal auch mal was mit Collins Frau hatte. Womit sich das Private vermischt und verknüpft mit dem Politischen und dem Journalistischen, mit der ganzen großen Sache, die Cal erahnt. Hinter der er herrecherchiert. Der der Film Stück für Stück folgt, bis alles auf dem Tisch liegt.
Der Film basiert auf einer sechsstündigen BBC-Miniserie, und die vielen Nebengeschichten und -figuren sind wohl dieser Vorlage entlehnt. Doch das Schöne ist: Alles hat seinen Platz und seine Zeit, und alles fügt sich zusammen zu einem großen Mosaik, das den Mikrokosmos des Privaten mit dem Makrokosmos einer industriellen Verschwörung verbindet.
Und in diesem doppelbödigen Spiel ist nur Ben Affleck als Collins fehlbesetzt, der gegen das geordnete Chaos Russell Crowes nur sein geradliniges Dead-Pan-Face setzen kann. Seine Darstellung ist viel zu einfach gestrickt, da ist kein Untergrund, er strahlt eine herzliche Naivität aus wie in eigentlich all seinen Rollen. Und das passt nicht zu einem aufstrebenden Abgeordneten, dass er nämlich ganz den Mythos des guten, anständigen Politikers besetzt, dem man freilich nie zutraut, clever genug zu sein für die kleinen Intrigen und Kuhhandel, die sich im politischen Leben eben abspielen. Was bei ihm Grundehrlichkeit sein soll, wird schnell zu Unbefangenheit, ja Unbedarftheit: so ist es halt immer bei Affleck. Selbst wenn er eine falsche Entscheidung getroffen hätte, deshalb in Gewissenskonflikten steckte und vielleicht sogar so etwas wie ein Doppelleben hätte: seiner Darstellung würde man das sie abkaufen.
Mit atemlosen, aber nie überstürztem Rhythmus und dramaturgischem Geschick hangelt sich der Film von Mord zu Mord, von Mutmaßung zu Mutmaßung, von Recherche zu Recherche bis zum allerletzten Plottwist, für den es sich lohnte, den Redaktionsschluss wieder und wieder aufzuschieben; nach dem es dann auch egal ist, wer denn nun eigentlich über Leichen ging, weil alle außer der vierten Macht der Presse Dreck am Stecken haben. Und es fällt dabei nicht ins Gewicht, wenn manche Handlungsverbindungen etwas schwach sind: das Wiedererkennen eines Verdächtigen auf einem unscharfen Überwachungsvideo oder das plötzliche Auftauchen eines Zeugen in der Redaktion zufällig gerade im rechten Augenblick.
Nein: Regisseur Kevin Macdonald weiß all die Storyfäden geschickt zu verknüpfen, und er findet auch noch die Zeit für kleine, aber atmosphärisch wichtige Seitenblicke auf Passanten auf der Straße, die einfach nur gucken (oder vielleicht doch beobachten und beschatten?), und auf dunkle Helikopter über den Dächern von Washington. Damit wird subtil ein Gespür für Paranoia geschafften und der Film erweist sich tatsächlich als würdiger Nachfolger seiner erklärten Vorbilder aus den 70ern, Die drei Tage des Condor oder Die Unbestechlichen, die ja auch höchst kunst- und wirkungsvoll konstruiert sind.
Fazit: Clever konstruiertes Verwirr- und Recherchespiel um einen undurchdringlichen Sumpf aus Geld, Macht und Intrigen.