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Syngué Sabour: Drama um eine junge Frau, die ihrem im Koma liegenden Mann alles anvertraut, was sie sonst keinem Menschen erzählen würde.

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Handlung und Hintergrund

In einer Stadt - wahrscheinlich Afghanistan - hockt eine junge Frau an der Seite ihres im Krieg verwundeten und im Koma liegenden Mannes und sagt ihm, was sie nie zu sagen gewagt hat, erzählt von ihrer Kindheit, ihren Träumen und Sehnsüchten, von ihrer Einsamkeit in zehn Jahren Ehe, in der er sie nie geküsst, sondern nur wie ein Stück Fleisch genommen hat. Langsam gewinnt sie an Schönheit, Stolz und Persönlichkeit. Als sich eine Liebesbeziehung mit einem Soldaten anbahnt, scheint Veränderung möglich.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Atiq Rahimi
Produzent
  • Hani Farsi,
  • Michael Gentile
Darsteller
  • Golshifteh Farahani,
  • Hamidreza Javdan,
  • Hassina Burgan,
  • Massi Mrowat,
  • Mohamed Al Maghraoui,
  • Malak Djaham Khazal,
  • Faiz Fazli,
  • Hatim Seddik
Drehbuch
  • Atiq Rahimi,
  • Jean-Claude Carrière
Musik
  • Max Richter,
  • Mirvaïs Ahmadzaï
Kamera
  • Thierry Arbogast
Schnitt
  • Hervé de Luze
Buchvorlage
  • Atiq Rahimi

Kritikerrezensionen

    1. Der lyrische Titel ist ein erster Hinweis zur Deutung des Films. Ein Frauendrama aus dem vom Krieg heimgesuchten Afghanistans. Eine junge Frau () legt am Krankenbett ihres viel älteren Ehemanns, der im Koma liegt, eine Lebensbeichte ab. Allein schon die Tatsache, dass sie redet, ist schon revolutionär. Normalerweise schweigen die Frauen hier. Zwischendurch rollen Panzer vorbei, MG Salven sind zu hören, das Ergebnis eines Massakers im Hof. Die Taliban vergewaltigen die Mutter von zwei Kindern. Beim nächsten Mal gibt sie sich als Hure aus und wird verschont. Wir erfahren auch warum. Dann wird ein stotternder, junger Taliban ihr Stammfreier. Jetzt hat sie Geld. Und immer wieder beichtet sie ihrem komatösen Ehemann ihre intimsten Geheimnisse z.B. aus ihrer Kindheit. Ihre Geständnisse werden immer intimer: z.B. das Blut als Beweis ihrer Unschuld nach der Hochzeitsnacht oder woher die beiden Töchter sind.
      Der Ehemann (Hamidreza Javdan) erwacht und sie erzählt weiter, glaubt sich auf der sicheren Seite. Er muss sie umbringen, sie trägt immer einen Dolch bei sich. Letztes Bild: sie schaut in die Kamera, eine Träne kullert aus dem Augenwinkel…Der stotternde Soldat findet die beiden.
      Jetzt darf spekuliert werden: Notwehr? Missglückter Tötungsversuch? Droht ihr die Steinigung? Regisseur Rahimi geht es wohl weniger um eine Lösung als um die Darstellung der tragischen Problematik. Das ist ihm hervorragend gelungen, vor allem durch den packenden Off-Kommentar.
      Mit erstaunlich viel Mut zur Freizügigkeit ist ein eindrucksvoller Film entstanden mit einer grandiosen Golshifteh Farahani in der Hauptrolle.
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    2. Stein der Geduld: Drama um eine junge Frau, die ihrem im Koma liegenden Mann alles anvertraut, was sie sonst keinem Menschen erzählen würde.

      Atiq Rahimis Verfilmung seines gleichnamigen Bestsellers ist eine schockierende Hymne an weibliche Selbstbefreiung und gibt afghanischen Frauen eine Stimme.

      Der persischen Mythologie nach absorbiert der „Stein der Geduld“ alle Geständnisse und Geheimnisse eines Menschen, bis er vollgesogen von Schmerz, Trauer und Leid am Ende zerspringt am Tag der Apokalypse, so die Deutung. Diese Geschichte erzählt die Tante ihrer Nichte als afghanische Legende. Für die junge Frau irgendwo in einer Bergortschaft wird ihr im Koma liegender Mann zum Stein der Geduld, der ohne urteilen zu können, alles in sich aufnimmt.

      Draußen hört man Schüsse, im Zimmer ist es still. Sie redet sich die Seele aus dem Leib. Aus Pflichtbewusstsein pflegt sie den im Kampf Verwundeten und sagt ihm alles, was sie ihm nie sagen durfte, erzählt von ihrer Kindheit, ihren Träume und Sehnsüchten. Von ihrer Einsamkeit und Enttäuschung in zehn Jahren Ehe, in der er sie nie geküsst, sondern nur wie ein Stück Fleisch genommen hat. Das lange Schweigen und die lange Qual ließen die Mutter zweier Kinder verzweifeln. Langsam schält sie sich aus dem Kokon der Unsichtbarkeit, gewinnt an Schönheit, Stolz und Persönlichkeit. Geistige und körperliche Befreiung bilden eine Einheit. Wenn sich mit einem jungen Soldaten eine Liebesbeziehung anbahnt, hofft sie auf Veränderung, auch wenn in einer erschreckenden Szene das Ende offen bleibt.

      Der in Paris lebende Afghane Atiq Rahimi wirft einen schockierenden Blick auf eine scheinheilige Gesellschaft, in der Frauen fast völlig rechtlos ein Schattendasein führen in und außerhalb des Hauses in einem Land, in dem die Zivilbevölkerung unter der Knute des Krieges vegetiert, egal wer gegen wen kämpft, und in dem trotz aller „Moral“ die Prostitution blüht. Die Menschenverachtung geschieht „nebenbei“ im Alltag der islamisch-patriarchalisch Unterdrückung, wo die Frau für Unfruchtbarkeit verantwortlich gemacht wird, sich eine Burka überwerfen muss, wenn sie das Haus verlässt, ein Fremder ins Haus eindringt und sie als Beute betrachtet. Der Monolog als sehr präzise Textform, die Sprache, wird in dieser größtenteils als Kammerspiel inszenierten Tragödie zur Offenbarung, der gelähmte Körper des Mannes zum Symbol eines gelähmten Systems. In farblich perfekt komponierten Bildern präsentiert der Gewinner des renommierten Prix Goncourt mit Golshifteh Farahani („Alles über Elly“, „Huhn mit Pflaumen„) in der Hauptrolle ein wuchtiges Meisterwerk, das sich wie ein Stachel in die Seele bohrt. mk.
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      1. Auch für seinen zweiten Spielfilm "Stein der Geduld" adaptierte Atiq Rahimi ("Erde und Asche") seinen eigenen Roman, womit er einen scharfen Kommentar zum Rollenbild muslimischer Frauen vorlegt. Bei dem titelgebenden "Syngué Sabour" handelt es sich laut der persischen Mythologie um einen schwarzen Stein, der alle Geheimnisse eines Menschen in sich absorbiert, bis er am jüngsten Tag zerspringt. Der "Stein der Geduld" der namenlosen Protagonisten ist ihr komatöser, älterer Mann, mit dem sie vorher nie reden durfte und dem sie nun ihr Leid, ihre verborgenen Gedanken, ihre Verzweiflung und Sehnsüchte offenbart. Erst jetzt braucht sie keine Restriktionen und Gewalttätigkeiten mehr zu befürchten, wenn sie ihre Anklage über mangelnde Zuneigung, Einsamkeit, Unterdrückung und Rechtlosigkeit formuliert.

        Anfangs wirkt dieser endlose Monolog wie ein bebildertes Hörspiel, das zu stark am Text der Romanvorlage klebt und Thierry Arbogasts starken Bildern nicht traut. In einem Interview sagt Autor und Regisseur Atiq Rahimi: "Das, was ein Film erzählen kann, vermag ein Roman nicht in derselben Form wiederzugeben." Doch zunächst bauen er und Luis Bunuels Stammautor Jean-Claude Carrière in ihrem Kammerspiel zu wenig auf die nuancenreiche Leistung von Hauptdarstellerin Golshifteh Farahani ("Huhn mit Pflaumen") als zwischen Aufopferungsbereitschaft und Wut zerrissene Ehefrau und Mutter. Ihre bedrohliche Welt fängt Kameramann Arbogast in Bildern zwischen Armut, Dreck und Zerfall ein, deren poetischer Unterton immer wieder optimistische Akzente setzt.

        Erst in der Konfrontation mit der teils feindlich gesinnten Umwelt gewinnt das Schicksal der jungen Frau an Brisanz und Dramatik, womit eine deutliche Anklage gegen überkommene islamische Traditionen gelingt. Durch die Veränderung des Charakters der Tante, der vierten wichtigen Figur, in eine Prostituierte liefert Rahimi ein Plädoyer für diese verfemte Gruppe. Erst als sie sich in ihrer schutzlosen Lage als Prostituierte ausgibt, um einer Position als Freiwild für Soldaten zu entgehen, gewinnt die Protagonistin an Selbstvertrauen und Mut. Das Frauenporträt gewinnt an Schärfe, indem die moralische Doppelbödigkeit der Männer entlarvt wird, für die eine Vergewaltigung selbstverständlich wäre, nicht aber der Sex mit einer unreinen Frau.

        Bemerkenswert erscheint der Umstand, dass die deutsch-französisch-afghanische Koproduktion dank der Finanzierung von Gerhard Meixner ("Waltz with Bashir") zustand kam. Mit "Stein der Geduld" und "Das Mädchen Wadjda" präsentiert er aktuell zwei wichtige Filme über die ohnmächtige Situation von Frauen in der muslimischen und arabischen Welt.

        Fazit: Mit "Stein der Geduld" gelang ein mutiger, sezierender Appell gegen die Unterdrückung muslimischer Frauen, der dank einer herausragenden Hauptdarstellerin und Fotografie überzeugt.
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        1. Sie sitzt jeden Tag da und wartet, dass er erwacht. Seit Wochen schon liegt ihr Mann im Koma. Sie pflegt ihn zuhause, ärztliche Versorgung kann sie sich nicht leisten. Es ist Krieg in Afghanistan und der Mann war Soldat. Nun muss sie sehen, wie sie und die Kinder überleben. Und eines Tages beginnt sie zu sprechen. Sie erzählt ihm alles. Alle Geheimnisse, alle Sorgen und Nöte. Denn zum ersten Mal kann sie frei reden. Der Stein der Geduld ist ein der persischen Mythologie entliehenes Bild. Die Sage erzählt von einem Stein, der sich alle Sorgen eines Menschen anhört, bis er aufgrund der Last am Jüngsten Tag in tausend Stücke zerbricht. Regisseur und Autor Atiq Rahimi nutzte die Metapher bereits in seiner gefeierten Buchvorlage, um einer unterdrückten Frau, die für viele Frauen in diesem Kulturraum steht, eine Stimme zu geben. Wie in einem Kammerspiel fängt die Kamera auch hier die wenigen Figuren in engstem Raum miteinander ein und leitet den Zuschauer durch die Stimme und die visualisierten Erinnerungen der Hauptdarstellerin Golshifteh Farahani, die durch ihr faszinierendes und intensives Spiel ein Schicksal schmerzhaft erlebbar macht. Wie in einem Sog folgt man der Figur und realisiert nach und nach das ganze Ausmaß der Unterdrückung, Fremdbestimmung und Unfreiheit, die Frauen in Afghanistan erleiden müssen. Präzise beobachtet und sorgfältig arrangiert hat in diesem spärlichen Setting alles seine ganz genaue Bedeutung, sodass kein Bild zuviel erscheint. Ein wichtiges filmisches Plädoyer für die Emanzipation.

          Jurybegründung:

          Eine Frau sitzt am Lager ihres Mannes, der im Koma liegt. Sie beginnt zunächst zögerlich, dann immer intensiver zu sprechen, ihre Gedanken zu formulieren, ihre Erinnerungen in Worte zu fassen, ihre Ängste zu artikulieren. Während draußen Schüsse knallen, ein Panzer durch die Straßen rollt, willkürlich in die Häuser schießt und die Gewalt allerorten zu herrschen scheint, flüchtet die junge Frau mit ihren zwei kleinen Töchtern und anderen Hausbewohnern in ein Kellerverlies. Und doch kehrt sie immer wieder zu ihrem Mann zurück, der für sie zum „Stein der Geduld“ wird, nach einer alten persischen Legende ein Stein, dem man alle seine Sorgen und Nöte erzählen kann, bis dieser dann eines Tages zerspringt und damit die ihm anvertrauten Geheimnisse sich für immer auflösen. Was sich in der Kammer, in der die Frau ihren Mann betreut, abspielt, entwickelt sich immer mehr zu einem Kammerspiel des Horrors. Denn was hier in inneren Monologen und in den Erzählungen der jungen Frau beschworen wird, spiegelt das Entsetzen des Krieges, aber auch das Schicksal von Frauen in Ländern wie Afghanistan oder auch im Irak wieder, für die diese junge Frau beispielhaft steht. „Männer, die nicht lieben können, ziehen in den Krieg“ heißt es an einer Stelle des Films. Und Frauen wie die einsam am Lager ihres Mannes Wachende haben niemals Liebe erleben dürfen, denn sie sind Menschen zweiter Wahl. In der sorgfältigen Dramaturgie, in deren Verlauf sich die Gefahr wie ein Netz immer mehr um die Protagonistin zusammen zieht, geht es um die existenzielle Bedrohung einer Frau, deren freud- und liebloses Dasein auch in kurzen Rückblenden auf ihre Kindheit dokumentiert wird. Starke Bilder, eine eindrucksvolle Hauptdarstellerin, die sich alles Leid von der Seele redet und damit zu sich und zu ihren bisher stets unterdrücken Träumen und Sehnsüchten findet, ersetzen konkrete Szenen von Krieg und Tod. Das allgegenwärtige Grauen wird durch die Worte beschworen. Da genügen die wenigen Szenen, in denen dann doch Tote, im Hof aufgehängt wie Schlachtvieh, zu sehen sind oder Männer mit Gewehren in die zerstörte Wohnung der jungen Frau drängen. Über weite Strecken folgt diese Verfilmung des Romans von Atiq Rahimi, der in Frankreich und Deutschland sehr erfolgreich war, den Traditionen der oralen Erzählkunst, die in „1001 Nacht“, dem aus dieser Gegend der Welt stammenden Märchenzyklus, ihr großes Vorbild hat. Der Film entwickelt einen unheimlichen Sog, der bis zum bitteren, überraschenden Ende anhält und wenig Raum lässt für Hoffnung auf ein Hollywood Happy End. Ein kleiner Wermutstropfen allerdings, der das Urteil des Ausschusses jedoch nicht grundsätzlich beeinflussen konnte, ist eine nicht an allen Stellen gelungene Synchronisation. Dennoch ist diese gelungene Literaturverfilmung insgesamt so schlüssig und überzeugend, dass sie hochverdient das höchste Prädikat zugesprochen bekommen hat.

          Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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