Der packende Politthriller erzählt die authentische Geschichte einer ambitionierten Staatsanwältin, die einem jugoslawischen Kriegsverbrecher, der zahllose Frauen auf dem Gewissen hat, am internationalen Gerichtshof in Den Haag den Prozess machen will. Trotz dessen unbestrittener Schuld bauen sich extreme Widerstände gegen eine Anklage auf. Dieser aufwühlende Film zeigt die politischen Verstrickungen und die Machtlosigkeit der Menschen, die Gerechtigkeit fordern. Durch seinen starken dokumentarischen Ansatz, unterstreicht er noch die beklemmend aktuelle Brisanz. Fröstelnd blasse und kühle Bilder illustrieren die Gleichgültigkeit der politischen Maschinerie und die düstere Stimmung vermittelt eine passende, beunruhigende Atmosphäre. STURM ist ein gefühlvoller und wachrüttelnder Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Jurybegründung:
Hannah Maynard, Anklägerin am Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, führt einen Prozess gegen Goran Duric, einen ehemaligen Befehlshaber der jugoslawischen Volksarmee. Ihm wird vorgeworfen, für die Deportation und die spätere Ermordung bosnisch-muslimischer Zivilisten verantwortlich zu sein. Als sich ein wichtiger Augenzeuge bei seiner Aussage in Widersprüche verstrickt und sich anschließend das Leben nimmt, scheint der Fall verloren zu sein. Doch Hannah lässt nicht locker und reist zur Beerdigung des Zeugen nach Sarajevo. Dort trifft sie auf dessen Schwester Mira, die zwischenzeitlich ein neues Leben in Deutschland begonnen hat. Schon bald stellt sich heraus, dass die junge Frau mehr über den Angeklagten weiß, als sie zunächst zugeben möchte. Obwohl Mira Angst hat, sich der Vergangenheit zu stellen, liefert sie schließlich die entscheidenden Hinweise für Durics Verbrechen - auch wenn das Gerichtsverfahren ganz anders verläuft, als erwartet.
Mit STURM ist Hans-Christian Schmid ein großer europäischer Film gelungen! Ausgesprochen spannend und detailreich inszeniert er die Hintergründe eines furchtbaren Kriegsverbrechens und zudem die Herleitung eines aufschlussreichen Gerichtsverfahrens, welches gleichermaßen mitnimmt, wie frappiert.
Die Gewissensbisse der Anklägerin über Ungerechtigkeiten in der Abfolge des Prozesses; der Zynismus der Verantwortlichen in Den Haag auf allen Seiten; Zeugen als Spielball der Gerichtsbarkeit, die ganz maßgeblich von politischen Erwägungen beeinflusst ist - alles ganz wesentliche Punkte, welche dieses atmosphärisch sehr dichte, komplexe, nicht immer unkomplizierte Drama ganz hervorragend erarbeitet. So werden bei klug ausgewählten Schauplätzen nicht nur die, im Endeffekt unkontrollierbaren, Kräfte in einem Land gezeigt, welches gerade mit aller Kraft in die EU will - auch die lavierende, stets abwägende Gerichtsbarkeit wird als unabhängige Gewalt in Frage gestellt, selbst wenn der Mut der Anklage am Ende ein einigermaßen versöhnliches, wenn auch offenes Ende möglich macht. Der Ausverkauf von Gerechtigkeit, der Handel innerhalb der Anwaltschaft, der Kampf auf verlorenem Posten in der Maschinerie von Den Haag: dies alles wird ausgesprochen glaubwürdig und nahe gehend inszeniert.
STURM ist daher auch ein Film über politisch zweifelhafte Karrieren, unerträgliche Mauscheleien auf bürokratischen Ebenen und über beklemmende Einzelschicksale, wie sie auf der Rückseite der politischen Weltbühnen wohl alltäglich zu beklagen sind. Darüber hinaus gelingt es dem deutschen Regisseur Hans-Christian Schmid überzeugend, den Zuschauer über eine intensive persönliche Figurenzeichnung emotional teilhaben zu lassen. Bei meist blassen, kühlen Farben und einer zurückhaltenden musikalischen Begleitung, die sich voll auf die Darsteller fokussiert, werden Menschen gezeigt, die sich allesamt nach etwas Normalität sehnen - eine solche kann jedoch, trotz allen Ansätzen, auf keiner Seite wirklich möglich sein, solange weggeschaut wird, solange eigene Ansprüche und Karriere vor Humanismus gesetzt werden.
Nein, bis zum heutigen Tag ist ein neues Kosovo in diesem Land nicht ausgeschlossen - ein weiteres großes Verdienst von Hans-Christian Schmid, diese Schlussfolgerung in seinem düsteren, bewegenden Puzzlespiel aufzuzeigen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)