Der Anfang des Films, die erste minutenlange Einstellung, ist durchaus interessant. Wir sehen ein Flugzeug direkt nach der Landung, das Andocken der Gangway, einer mit einem Schlauch macht irgendwas vorne am Bug tanken? , das dauert lange, es ist eine präzise, routinemäßige Arbeit, die doch auch ein Kümmern ist. Ein Vorgang, den wir im normalen Alltagsleben nicht zu sehen bekommen.
Angekommen am Flughafen sind ein Vater, der laut Abspann Tarso heißt, und sein Sohn Manuel. Sie kommen aus Portugal nach Berlin, Tarsos Ex-Freundin, Manuels Mutter die dieser gar nicht kennt liegt nach einer Chemotherapie im Wachkoma. Mehr geschieht nicht; und war die Anfangseinstellung mit ihrer ungewöhnlichen Perspektive auf einen alltäglichen Vorgang noch irgendwo spannend, weil nicht alltäglich, so wird der Rest des Films lang bis langweilig. Tarso bei der komatösen Patientin oder wie er vor dem Fernsehen rumhängt, wo langweiliger Sport läuft, Curling oder Golf. Manuel ohne Worte in seinem Zimmer, beim Straßenbahnfahren mit dem Vater auch ohne Worte , oder beim Skaten, auch das ohne Worte. Immerhin gibt es hier so etwas wie Dynamik, sprich: eine äußerst bewegliche Kamera, wenn Manuel, gespielt von Profi-Skater Kai Hillebrand, selbstvergessen seine Skateboard-Tricks vollführt. Die Bewegung vor der Kamera und die Kamerabewegung selbst gehen da eine schöne kleine Choreographie miteinander ein; und diese Rasanz erinnert wiederum daran, wie statisch der Rest des Filmes ist
Natürlich ist es gewollt, dass nichts passiert. Dass alle stillstehen, dass alle sich langweilen. Das Koma der Mutter ist eine Metapher für die Isolation der Charaktere, die vorgeblich gesund sind, aber auch nicht agieren; und schon gar nicht interagieren. Kommunikation: Fehlanzeige. Aufeinander eingehen: das schon gar nicht. (Das wird auch mal unfreiwillig komisch, wenn der Film allzu sehr darauf beharrt, diesen communication breakdown zu verdeutlichen: ein Polizist rät Tarso einmal sehr platt und plakativ: Vielleicht sollten Sie mit ihrem Sohn sprechen, das könnte helfen.) Appartement, Krankenhaus, ein paar Straßen irgendwo in Berlin: in äußerst begrenzten Schauplätzen geschieht äußerlich nichts; nur im Inneren, so deutet es der Film an, brodelt es.
Tarso möchte Kontakt herstellen zur Komapatientin, berührt sie, spricht sie sogar mal an; und als sie zuckt, möchte er nicht akzeptieren, dass dies nur ein Nervenreflex war. Was Manuel angeht, setzt Regisseur Hugo Vieira da Silva aufs Extrem: neben dem Skaten ist Manuel auch ein Proto-Perversling. Das Appartement, in dem die beiden unterkommen, beherbergt auch eine geheimnisvolle asiatische Frau, Kim, offenbar die Lebensgefährtin der Mutter, die äußerst selten daheim ist. Ihr Zimmer übt erotische Anziehungskraft auf ihn aus, er schnüffelt an ihrer Unterwäsche, zieht sie sich über. Das gipfelt in einer Masturbationsszene, bei der man alles sieht, wirklich alles was den sonstigen Stillstand des Films sehr plötzlich aufbricht (gedoubelt wurde Kai Hillebrand da offenbar von einem Herrn mit dem sprechenden Porno-Namen Jerry Steel). Zuvor schon hat er Kim nackt gesehen, er beim Pinkeln, sie in der Badewanne liegend und sie hat einen Pimmel. Im weiteren Verlauf wird er seiner Mutter, die nackte Komapatientin, die Muschi fingern, damit neben Homosexualität, Voyeurismus, Fetischismus, Transvestizismus / Transsexualität mit dem Ödipalinzest auch ja noch mehr Perversionen und sexuelle Abartigkeiten zusammenkommen. Und das ist dann auch das Hauptmoment des Films, völlig unmotiviert und unbegründet, wo man sich fragt, was das alles eigentlich soll.
Dass der ominöse und in unergründlichem Ratschluss des Regisseurs englischsprachige Filmtitel Swans niemals erklärt wird, versteht sich von selbst. Der Ausdruck Swans führt natürlich eine Vielzahl an Bedeutungen mit sich und eine symbolische Dimension, die von Kultur zu Kultur verschieden ist, erklärt da Silva. Ich möchte seine Bedeutung für den Film aber nicht eindeutig definieren. Ich glaube, dass jeder Zuschauer sicher eine eigene Beziehung zwischen dem Titel und der Geschichte finden wird, vielleicht nicht nur auf der symbolischen Ebene... Wer also will, kann gerne rätseln. Mir ist die Titelbedeutung recht gleichgültig.
Fazit: Ein Film über den Stillstand einer Vater-Sohn-Beziehung, über den Stillstand von Kommunikation, über den Stillstand von Entwicklung und Reifen. Ein Film, der selbst still steht und, damit überhaupt was passiert, unversehens und unmotiviert in diverse Perversitäten verfällt.