In seinem Dokumentarfilm begleitet der Filmemacher Roger Michell die vier britischen Bühnenlegenden Eileen Atkins, Joan Plowright, Maggie Smith und Judi Dench bei einem gemeinsamen Nachmittag, an dem die vier eng befreundeten Damen Anekdoten tauschen und in Erinnerungen schwelgen.
Zusammen sind sie 342 Jahre alt. Sie haben Theatergeschichte geschrieben. Und sie sind allesamt als „Dames“ von der britischen Königin in den Ritterstand erhoben worden. Die Rede ist von Eileen Atkins, Joan Plowright, Maggie Smith und Judi Dench. Was die vier Damen außer ihrem gemeinsamen beruflichen Hintergrund eint, ist eine tiefe, langjährige Freundschaft, die zu regelmäßigen Treffen führt. Bei einem dieser Treffen darf Regisseur Roger Michell zusammen mit seinem Team dabei sein. Und er schaut und hört zu, wie diese vier außergewöhnlichen Frauen erzählen. Vom Leben, von der Liebe, von Erfolgen und vom Scheitern. Und natürlich von der Bühne, auf der sie so viele Figuren zum Leben erweckten. Roger Michell hält sich mit einem Kommentar komplett zurück, immer mal wieder gibt er nur Stichworte, die für neuen Gesprächsinhalt sorgen. Doch selbst diese braucht es kaum, denn man spürt in jeder Minute, wie sehr die vier Damen von Lebensfreude und Erinnerungen erfüllt sind. Kokett spielen alle immer wieder auf ihr hohes Alter an, zeigen offen, dass Vergesslichkeit und Altersweisheit, genauso wie Pragmatismus und Selbstironie, einfach zum Leben dazu gehören. Dazu beweisen sie, wie erdverbunden sie noch heute sind. Als Stars sehen sie sich alle nicht, eher als Frauen, die sich ihre Position hart erarbeiten mussten, in einem Beruf, der viel von ihnen abverlangte, aber den sie über alles lieben. Der Film reichert die mal heiteren, mal nachdenklichen Gespräche immer wieder mit gut recherchiertem Archivmaterial an, was ihn zu einem auch film- und theaterhistorisch wertvollen Beitrag macht. Nie verliert der Film seine Leichtigkeit und seinen Charme und stellt sich stets in den Dienst seiner charismatischen, liebenswürdigen und bewundernswerten Protagonistinnen, die allesamt nicht nur großartige Künstlerinnen, sondern auch beeindruckende Menschen sind.
Jurybegründung:
Die vier Damen haben die 80 längst überschritten. Seit Jahrzehnten sind sie miteinander befreundet und treffen sich immer wieder in einem Landhaus zu Tee und Plaudereien. Sie teilen ihre Erinnerungen und den neuesten Klatsch, die großen Erfolge und die Malaisen des Älterwerdens. Sie sind Ikonen des englischen Theaters und des internationalen Films: Eileen Atkins, Judi Dench, Joan Plowright und Maggie Smith. Zusammengerechnet haben sie an die 250 Jahre Schauspielkarriere hinter sich. Vom britischen Königshaus wurden sie für ihre außerordentlichen Leistungen und Verdienste um das Schauspiel als „Dames“ in den Adelstand erhoben. Regisseur Roger Michell hat mit seinem Team eines ihrer Treffen begleitet und lädt uns ein, an der Konversation der Damen teilzuhaben: Es ist fürwahr „ein unvergesslicher Nachmittag“.
Ihre Weltkarriere kam spät: Als Judy Dench 1995 in der James Bond-Verfilmung „GoldenEye“ die Rolle der Geheimdienst-Chefin M übernahm und Maggie Smith 2001 zur Professorin Minerva McGonagall in den Harry Potter-Filmen wurde, konnten beide bereits auf eine über 40-jährige erfolgreiche Theater- und Filmkarriere zurückblicken. Wie ihre Freundinnen Eileen Atkins und Joan Plowright standen sie seit Anfang der 1950er Jahre auf der Bühne in den großen Shakespeare-Dramen und den Stücken der zeitgenössischen Autoren. Mit viel Humor und (Selbst-)Ironie erinnern sie sich an ihre Anfänge und ihre Erfolge, ihre Rollen, Kollegen und Regisseure.
Galten sie anfangs nicht als schön, sondern bestenfalls als sexy, wie Joan Plowright und Eileen Atkins betonen, konnten sie sich doch von erfahrenen Berufskollegen in ihrer Mimik einiges abgucken, wie Maggie Smith beim Komiker Kenneth Williams, oder sich, wie Judy Dench von Schauspiellegende John Gielgud, trösten lassen, wenn ein Regisseur allzu hart mit ihnen umgesprungen ist. Insbesondere der große Sir Laurence Olivier, Ehemann von Joan Plowright, war gefürchtet. Maggie Smith erzählt, dass er sie auf der Bühne, als sie Desdemona und er Othello spielte, so hart geohrfeigt habe, dass sie tatsächlich „Sterne am National Theatre“ gesehen und ihn mehr gefürchtet habe als alle Kritiker. Joan Plowright gibt zu, dass alle nervös waren, wenn sie mit ihm zu tun hatten, und meint, dass ihre Ehe ein Privileg gewesen sei, aber mitunter auch ein Alptraum.
Es wird viel gelacht in dem Film, eine Anekdote ergibt die andere, und Regisseur Roger Michell lässt seine Protagonistinnen ungestört plaudern, wirft nur ab und an ein Stichwort ein, das sie freundlich aufgreifen. Das Team richtet von Zeit zu Zeit ein Mikrofon ein, geleitet die Damen vom Garten ins Innere des Hauses, als ein Regen einsetzt, und öffnet am späteren Nachmittag eine Flasche Champagner. So geht es munter durch die bewegten 1960er Jahre, Ehemänner und Kinder werden erwähnt, ohne aber allzu großen erzählerischen Raum einzunehmen. Auch die Beschwernisse des Alters, wie Hörgeräte und Augenprobleme, werden nicht verschwiegen, aber Judy Dench versichert: „Wir arbeiten bis zum Ende!“ Dabei mag es erstaunen, wenn alle übereinstimmend versichern, bis heute Lampenfieber zu haben, aber man nimmt ihnen sofort ab - und wird vergnügt Zeuge - dass sie auch als „Dames“ gehörig fluchen können.
Alle Anekdoten der Damen werden aus dem reichhaltigen Schatz des BBC-Archivs trefflich bebildert. Freunde des englischen Theaters und Cineasten werden daran große Freude haben. Für das Publikum außerhalb des Königreichs und jüngere Zuschauer könnte es jedoch nach Ansicht der Jury ein wenig problematisch sein, dass der größtenteils chronologisch erzählte Film mit den frühen Bühnenerfahrungen beginnt und die großen internationalen Erfolge, durch die der Zuschauer die „Dames“ ja kennengelernt hat, erst an späterer Stelle folgen.
Selbstverständlich ist es eine Freude, den Damen (im Original mit Untertiteln) zuzuhören und sich durch ihr Leben und ihre Karrieren leiten zu lassen. Doch natürlich muss sich der Zuschauer darüber im Klaren sein, dass sie professionell genug sind, nur das von sich preiszugeben, was sie ans Licht der Öffentlichkeit bringen wollen. An einigen Stellen hätte sich die Jury ein wenig mehr Nachfragen und Vertiefungen gewünscht, gerade in Bezug auf die Umbrüche in der Theaterwelt der 1960er Jahre und des Stellenwerts der Frauen am Theater und im Kino, der sich sicherlich auch im Laufe der langen Zeit verändert hat. Nichtsdestotrotz ist TEA WITH THE DAMES nicht nur ein unvergesslicher, sondern auch ein hochvergnüglicher filmischer Ausflug mit vier beeindruckenden Künstlerinnen, den die FBW-Jury gerne mit dem Prädikat „wertvoll“ auszeichnet.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)