Die Welt des eigenbrötlerischen und exzentrischen Auktionators Virgil Oldman gerät ins Wanken, als er die mysteriöse junge Frau Claire trifft. Bisher sind weibliche Wesen für ihn nur Bilder gewesen, denn seine ganze Leidenschaft gilt dem Sammeln von Frauenporträts. Nach und nach gerät Virgil in einen gefährlichen Sog der Liebe zu Claire. Für sie ist er bereit, sein ganzes Leben zu ändern. Doch wie bei den Kunstwerken, die er versteigert, stellt sich Virgil auch hier die Frage: Was ist echt, was ist Fälschung? Und wie hoch darf der Einsatz des Gebotes sein? Vor einer malerischen Kulisse entspinnt Regisseur Giuseppe Tornatore ein atmosphärisch dichtes und kunstvoll erdachtes Wechselspiel zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen echter und gefälschter Kunst. Bis zuletzt bleibt der Zuschauer ein Begleiter Virgils, den Geoffrey Rush mit einer Mischung aus professioneller Arroganz und liebeskrankem Wahn genial verkörpert. Die Musik von Meisterkomponist Ennio Morricone tut ihr übriges, um eine rätselhafte und sinnliche Stimmung aufkommen zu lassen, die an klassische Noir-Thriller erinnert und den Betrachter in einer dauerhaften Unsicherheit wiegt. Wahre Liebe, falsche Gefühle - in diesem faszinierenden und elegant verschachtelten Bilderrätsel ist alles möglich.
Gutachten
Virgil Oldman (Geoffrey Rush) ist ein renommierter Kunstexperte und Auktionator. Sekundenschnell kann er ein wertvolles Original von einer minderwertigen Fälschung unterscheiden, auch wenn er seine Kunden darüber mitunter im Unklaren lässt. Seine Expertisen sind unangefochten, und seine Dienste weltweit gefragt. Er selbst hat für die Welt und seine Mitmenschen allerdings nicht viel übrig. Allein lebt er in einem luxuriösen Apartment hoch über der Stadt und meidet den direkten Kontakt mit der Umwelt. Wenn Virgil ausgeht, trägt er stets Handschuhe, die er hinter den Schiebetüren eines riesigen Wandschranks fein sortiert aufbewahrt. Ein distinguierter Sekretär erledigt alles Geschäftliche und hält Virgil lästige Anfragen und Besucher vom Leib. Aber ausgerechnet an seinen 63. Geburtstag lässt sich eine Anruferin nicht abwimmeln. Die 27jährige Claire (Sylvia Hoeks) möchte nach dem Tod ihrer Eltern Antiquitäten aus dem Familienbesitz veräußern und von Oldman katalogisieren lassen. Jedoch bekommt Virgil seine Auftraggeberin nicht zu Gesicht. Wegen einer Angststörung geht sie nie aus dem Haus und kommuniziert mit ihm nur per Telefon oder hinter verschlossenen Türen der alten Villa. Ja kapriziöser sie sich gebiert, desto mehr gerät Virgil in ihren Bann. Er weiht den jungen Mechaniker Robert (Jim Sturgess), den er konsultiert, um aus einigen im Keller der Villa gefundenen feinmechanischen Teilen einen antiken Maschinenmenschen zu rekonstruieren, in das Mysterium ein. Robert wird zum Ratgeber und Komplizen in einer Amour Fou, die Virgils pedantisch geregeltes Leben völlig durcheinander bringt. Frauen hat er stets bewundert - allerdings bisher nur auf den kostbaren Gemälden großer Maler aus allen Epochen der Kunstgeschichte, die einen geheimen Raum hinter dem Wandschrank seiner Wohnung vom Boden bis zur Decke schmücken. Es sind allesamt Frauenporträts, die er - als Fälschungen deklariert - von seinem alten Freund Billy (Donald Sutherland) als Strohmann bei seinen eigenen Auktionen ersteigen lässt. Jetzt wäre Vergil bereit, sein Leben mit einer jungen Frau aus Fleisch und Blut zu teilen.
THE BEST OFFER ist ein intelligenter Thriller aus dem Kunstmilieu und darüber hinaus ein elegantes Vexierspiel um Obsessionen und Täuschungen in der Liebe und der Kunst. Es geht um Echtheit und Lüge, Fälschung und Wahrheit, und letztendlich um die Frage, ob nicht jeder Fälschung auch etwas Echtes innewohnt. Seine Faszination bezieht der Film aus einem komplex konstruierten Plot, der gekonnt mit Obsessionen, Neurosen und Phobien spielt, und aus seinem opulenten, stilvollen Setting. Angesiedelt in der reichen und kultivierten Kunstszene und einer nicht näher bezeichneten Stadt, die mit den Drehorten in Norditalien, Wien und Prag das Ambiente eines aus der Zeit gefallenen habsburgischen Mitteleuropa hervorruft, entsteht eine rätselhaft romantisch-morbide Stimmung, die Unheil ahnen lässt.
Giuseppe Tornatore setzt sein eigenes Drehbuch präzise und mit sichtbarer Freude an den darin aufgebauten Mysterien und Schauwerten in Szene. Die Auktionsszenen sind wie Orchesterstücke gestaltet - mit Virgil Oldman als Dirigent am Pult. Auch die geschliffenen Dialoge zwischen Virgil und Robert oder Billy, die das Geschehen reflektieren und vorantreiben, sind genau getaktet. Dies wird unterstrichen durch die passende Musik von Ennio Morricone und die schwebende Kamera von Fabio Zamarion, die ihren Höhepunkt findet in einer langsamen Fahrt über die in Virgil Oldmans Kemenate versammelten Gemälde, wobei die Porträts so angeordnet sind, dass die Frauen einen direkt anschauen.
Unter den insgesamt beeindruckenden schauspielerischen Leistungen ragt die von Geoffrey Rush hervor. Er verkörpert Virgil Oldman, der kein Sympathieträger im eigentlichen Sinne ist und dessen unangenehmen Seiten sehr schnell offenbar werden, mit solch stilvoller, wohl dosierter Exzentrik, dass man seine professionelle Arroganz und seinen liebeskranken Wahn akzeptiert und ihm gern folgt. Der Zuschauer wird mit ihm zum Komplizen und Voyeur und möchte ihn schließlich wie in jedem guten Suspense-Thriller ständig vor der lauernden Gefahr warnen, ohne selbst genau zu wissen, worin sie eigentlich besteht. Am Ende bleibt mit dem betrogenen Betrüger die Hoffnung, dass es vielleich doch etwas Echtes in der Täuschung gab.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)