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"The Circle"-Filmkritik: Orwell für die Smartphone-Ära?

"The Circle"-Filmkritik: Orwell für die Smartphone-Ära?

Mit Tom Hanks und Emma Watson in den Hauptrollen hat „The Circle“ echtes Hitpotenzial. Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Dave Eggers taucht der Film in die gläserne Hightech-Welt des Silicon Valleys ab und schickt sich an, die Widersprüche von Unternehmen wie Google, Facebook und Apple zu entlarven. Kann der Techno-Thriller mitreißen oder schauen wir bloß Nerds beim Tippen zu?

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„Du strahlst ja richtig.“ Nachdem Mae Holland (Emma Watson) die erste Woche beim Circle hinter sich gebracht hat, fährt sie ihre Eltern besuchen. Sie ist total hin und weg. Ihr MS-kranker Vater (ein hervorragender Bill Paxton in seiner letzten Kinorolle) setzt noch einen drauf und behauptet, sie strahle so rosig, als wäre sie schwanger. Der Circle, das innovativste, modernste, gläsernste, coolste Technologieunternehmen der Welt ist Maes Traumarbeitgeber. Davor hat sie im Kundendienst bei den städtischen Elektrizitätswerken gearbeitet. Jetzt arbeitet sie im Kundendienst von The Circle. Es ist das Paradies. Dahinter verbirgt sich natürlich die Hölle.

Während sich der Zuschauer noch wundert, was genau an ihrem neuen Posten nun so viel besser ist, verschwindet Mae bereits hinter einer Batterie von Bildschirmen. Der Circle bietet das sogenannte TruYou an, ein Profil, in dem Accounts, Passwörter, Klarname, Anschrift, Steuernummer, Körpergröße und Konsumhabitus online zusammengefasst werden. Es ist der digitale Schatten. Vor allem ist TruYou aber bequem. Es ermöglicht seinen Nutzern, alle Online-Dienste von einem Profil aus zu nutzen - oder wie Mae sagt: „TruYou räumt das Chaos im Internet auf.“ Doch es macht die Nutzer auch gläsern und steuerbar wie eine Drohne.

1984 vs 2017: „The Circle“-Kritik

Wie invasiv die Technologie des Circles ist, wird in einer Szene besonders deutlich: Seit ihrer Ankunft hat Mae die obligatorische Vorsorgeuntersuchung verschwitzt. Der Behandlungsraum ist konsoliger als das Cockpit der Enterprise. Mae fragt nicht, als ihr ein Smoothie angeboten wird. Erst im Nachhinein erfährt sie, dass sie damit auch eine Sonde verschluckt hat, die fortan ihren Herzrhythmus und die Körpertemperatur misst, genau anzeigt, wo Mae sich befindet. Da muss sie kurz schlucken. Aber wieso zweifeln? Immerhin bekommt sie nur so die beste Prophylaxe des Planeten - und darüber hinaus wird auch ihr MS-kranker Vater versichert.

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Diese Art des Common-Sense-Terrors ist das Geschäftsmodell des Circle. Ebenso wie der Roman analysiert auch der Film damit scharf, wie der Deal funktioniert, den wir tagtäglich mit unserem Smartphone, der Hosentaschensonde, abschließen. Wie Mae hat keiner von uns die Geschäftsbedingungen gelesen. Doch wir profitieren auch von der Technologie - und vergessen so, dass wir etwas viel wertvolleres verlieren. „Wie verhältst du dich, wenn du überwacht wirst“, wird Mae gefragt. „Besser“, antwortet sie puritanisch. Sie ist offener, klüger, ernährt sich gesünder, handelt verantwortungsvoller; ein wertvolles, unkritisches Mitglied der modernen Gesellschaft.

Die Circler halten jede Skepsis vor der Technologie für rückständig. Stattdessen erkennen sie darin das Potenzial, weltweit Gerechtigkeit zu schaffen. Man sieht sich als Speerspitze sozialer Bewegungen, als Eamon Bailey (Tom Hanks), der charismatische Kopf des Unternehmens, die neueste Erfindung vorstellt: eine nur murmelgroße Kamera, die HD-Bilder in Echtzeit liefert. Diese Kameras sind das perfekte Überwachungsinstrument, winzig, günstig, leicht zu verstecken und Always-On. Damit stürzen wir Tyrannen, träumen die Circler. Und schwingen sich verblendet selbst zu Tyrannen auf.

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Funktioniert der Techno-Thriller?

Für Mae ist das alles unheimlich „aufregend“. So sagt man beim Circle. Längst hat sie die Sprache des Unternehmens verinnerlicht. Erst durch den mysteriösen Ty (John Boyega in seiner ersten Rolle nach „Star Wars: Das Erwachen der Macht„) wird sie herausgefordert. „Okay, was denkst du wirklich?“, fragt er, und sie ziert sich. Vielleicht ist es doch ein bisschen zu viel. Ty weiht Mae in die Geheimnisse des Circle ein. Er will das Unternehmen sabotierten. Sie soll ihm helfen. Doch die Offenbarung kommt scheinbar zu spät.

Inzwischen ist Mae völlig von der Technosekte vereinnahmt. Die Beziehung zu ihren Eltern steht auf der Kippe. Ihr alter Freund Mercer (Ellar Coltrane), der dem Circle von Anfang an skeptisch gegenübersteht, ist untergetaucht, ihre Freundin Annie (Karen Gillan), eine hochrangige Mitarbeiterin vom Circle, bricht unter der Arbeitsbelastung, dem permanenten Sichtbarsein, zusammen. Stattdessen nimmt Bailey sie unter die onkelhaften Fittiche. Bailey, den Hanks als bösen Bruder von Steve Jobs spielt, zwingt sie, ihren gesamten Alltag live zu senden - vom Aufstehen bis zum Einschlafen, sogar auf der Toilette. Völlige Transparenz, das Schreckgespenst dieser Dystopie. Nur leider ein ziemlich zahnloses. Wo bleibt die Bedrohung, fragt man sich?

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Tom Hanks und Emma Watson in „The Circle“

Leider bleibt die Thriller-Handlung von „The Circle“ unheimlich starr. Es gelingt Regisseur James Ponsoldt bis auf ein paar Ausnahmen nicht, greifbare Bilder für die Bedrohung aus der Datenwolke zu finden. Eine dieser Ausnahmen ist die Vorstellung eines neuen Circle-Produkts. Live ruft Mae alle Mitglieder auf, nach ihrem untergetauchten Freund Mercer zu suchen. Doch Mercer will nicht gefunden werden, und als der mit Kameras bewaffnete Mob hinter ihm her rast, wird für einen Moment deutlich, wie bedrohlich totale Transparenz wäre. Dass es dann kein Zurück mehr gibt, kein Verstecken oder Offline-sein. Ja, selbst eine Trennung muss vor aller Augen geschehen.

Ein anderer Grund, warum „The Circle“ keinerlei Spannung aufkommen lässt, sind die flachen Figuren. Schon die Roman-Mae ist überaus hölzern. Emma Watson tut ihr bestes, der Figur Charakter einzuhauchen. Doch Mae ist so kantenlos, so affirmativ und ohne jede Fallhöhe, dass ihr Schicksal kaum bewegt. In Orwells „1984“ wird die Hauptfigur Winston im mysteriösen Zimmer 101 mit ihrer größten Angst konfrontiert: einer Ratte. In „The Circle“ wird Mae bereits im Vorstellungsgespräch gefragt, was sie am meisten fürchtet. Ihre Antwort: „Verschwendetes Potenzial“. Gibt man Mae eine Aufgabe wird sie 110 Prozent erreichen. Sie ist ein aufgeklärter Roboter - schon lange vor dem Circle.

Während alle anderen Figuren Maes Horizont nur hin und wieder passieren, entwickelt sich der Konflikt zwischen ihr und Bailey. Dass ein Mark Zuckerberg weniger über sein Privatleben preisgibt, als er von uns wissen möchte, ist hier die Grundspannung. Auch Bailey freut sich, Mae, die Circler, Politiker, die Welt in die völlige Transparenz zu zwingen. Solange die Daten bei ihm liegen. Solange sein Hinterzimmer off limits bleibt. Auch Hanks macht seinen Job gut. Doch für einen ernstzunehmenden Bösewicht sind ein paar TED-Talks leider zu wenig.

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„The Circle“-Trailer

Roman vs. Film - !SPOILER!

!SPOILER ANFANG! Obwohl die Inszenierung von James Ponsold sehr nah am Buch bleibt, gestattet sich der Film zwei Abweichungen vom Roman: In Bezug auf den Sex und das Ende. Wie bei einer Hollywood-Produktion zu erwarten war, ist bis auf eine kleine Ausnahme jede explizite Szene aus dem Roman gestrichen. Wichtig ist das, weil Überwachung auch eine körperliche Dimension hat. Alleinsein muss man nicht nur, um zu hoffen, träumen, denken, lieben, um Freund und ganz allgemein Mensch zu sein. Auch dem Körper verlangt nach Privatsphäre. Der Film „The Circle“ blendet das weitestgehend aus und schwächt so auch die Beziehung zwischen Mae und Ty.

Die zweite wichtige Änderung betrifft das Ende des Romans. Eggers ist es gelungen ein überraschend pessimistischen Schluss zu entwerfen, der sich als eigentlicher Höhenpunkt der Geschichte entpuppt. Mae nämlich verrät Ty und geht an der Seite von Bailey in eine totalitäre Zukunft. Der Film mildert das Ende ab. Ty und Mae gewinnen. Dafür wenden sie die Technologie des Circle gegen ihre Schöpfer. Was, wenn Bailey jedes schmutzige Geheimnis offenlegen muss? Doch geht der Film da nicht seiner eigenen Logik auf den Leim? Ponsold jedenfalls entwirft keine Alternative zum Circle, nur einen faireren Circle !SPOILER ENDE!

Fazit: Trotz Starbesetzung bleibt der „The Circle“ ein zahnloser Techno-Thriller, dem es an keiner Stelle gelingt, ein tatsächliches Bedrohungsszenario zu entwickeln. Stattdessen erhebt Regisseur Ponsoldt den Zeigefinger und erklärt das Drama zu Tode. Eigentlich ist das schade - denn wann wäre Technologiekritik wichtiger als heute? „The Circle“ jedoch wirkt bereits überholt. Mit seinem starren Plot verschenkt der Film die Fähigkeiten von Emma Watson und Tom Hanks.

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