Böses schwant einem zu beginn, wenn auch etwas anderer Art: The Dark wurde nämlich von Jeremy Bolt und Paul W.S. Anderson produziert. So seichte Action-Kost wie Mortal Combat ging auf ihr Konto, und gerade Anderson hat sich mit Regiearbeiten wie Resident Evil oder Alien vs. Predator nicht gerade als Vertreter der subtilen Unterhaltung hervorgetan. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kameramann von Resident Evil: Apokalypse, der Deutsche Christian Sebaldt, hier für die Bildgestaltung zuständig war. Kein gutes Omen für einen Film, der es etwas leiser will.
Doch zum Glück übernahm hier John Fawcett die Inszenierung. Der Kanadier versteht von dem Horror-Genre eine Menge, überraschte mit der originellen Werwolf-Variation Ginger Snaps, für die er auch das Drehbuch verfasste. Und auch bei The Dark weiß er, wie er zum einen die Standards zu bedienen und ihnen zum anderen mehr als das übliche (Mittel)Maß abzugewinnen hat.
The Dark geht denn auch über Produktionen der vergleichbaren Art hinaus. Zwar haben wir auch hier eine Mutter, die um ihr Kind zu ringen und übersinnlichen Geheimnissen auf die Spur zu kommen hat wie in stilleren Gruselfilmen der letzten Zeit (vgl. Dark Water, The Ring und seinem Nachfolger). Doch während derlei eher psychologisch fundierte Schocker v.a. nach den Skripten von Ehren Kruger (The Skeleton Key, Ring Two) zu kalkulierten und oberflächlichen Reißbrettwerken gerieten, hängt über dem thematisch ähnlichem The Dark von Anfang an die pessimistische Grundstimmung so tief und drücken wie der walisische Himmel. Und der Film, eine Adaption des Romans Opferlamm von Simon Maginn, löst dieses Fatum tatsächlich mit erstaunlicher Konsequenz ein.
Das Grundmotiv ist klassisch: Schon in Wenn die Gondeln Trauer tragen ging es um den Verlust des Kindes, den ein Ehepaar zu verarbeiten hat. Auch in The Dark stehen die Figuren, ihr Leid und Schicksal mehr als sonst an erster Stelle. Maria Bello, die vor kurzem noch in David Cronenbergs A History of Violence die geprüfte Kleinstadt-Mutter und Ehefrau geben durfte, spielt hier eine Frau, die mit ihrer Tochter und im Grunde sich selbst nicht zurande kommt. Auch wenn nur wenige Momente zur Charakterisierung bleiben: die Kleidung ein wenig zu unpassend, die Lider ein bisschen zu stark betont Adelle ist völlig fehl in dem einsamen unwirtlichen Landstrich. Der Film macht mit wenigen aber markanten Strichen deutlich, um was für Figuren es sich handelt, was ihre Probleme sind, wie sie zueinander stehen. Vor allem das Zusammenspiel Bellos mit dem verlässlichen Sean Bean als Vater und Ehemann wird ganz beiläufig, so flüchtig und doch deutlich klar, weshalb die Beziehung zwischen den Eltern gescheitert ist, ohne dass einer von ihnen wirklich als Schurke dastehen würde.
Das ist vielleicht die größte Stärke von The Dark (der einmal mehr beweist, dass die besten Horrorfilme im Grunde kleine große Tragödien sind): Zu zeigen, dass letztlich alle nur Opfer sind. Selbst der jenseitige Bösewicht stürzte letztlich alle nur ins Unglück, um seine Tochter (Abigail Stone) wieder zu bekommen.
The Dark ist auch formal mehr an den Figuren interessiert als an irgendwelchen Effekten. Folgerichtig bleibt die Kamera fast schon manisch in Nah- und Großaufnahmen an den Protagonisten und gibt dafür manche Übersichtlichkeit preis. Wenn Adelle ins Meer springt um ihrer Tochter zu retten, zappelt es, fallen aufwühlende See und Panik der Mutter zusammen. Die walisische Küste wird darüber als Kulisse wohltuend nebensächlich. Postkartenschauer ist Fawcett egal.
Laute Schocks, vor allem penetrant auf der Tonspur, hat es zwar auch. Doch gerade an denen merkt man, wie Fawcett sein Handwerk versteht. Die vereinzelten Buhs, wenn zum Beispiel der kauzige Einheimische Daffyd (Maurice Roëves) Adelle in den Weg tritt, müssen wohl sein, werden jedoch nicht ausgewalzt sondern schnell überspielt, um dann das wirklich Unheimliche unspektakulär und umso packender zu präsentieren. So wenn unversehens das geisterhafte und doch ganz reale Mädchen Ebrill erscheint, das etwas von Sarahs Verschwinden weiß. Im Krankenhaus wird sie untersucht, wird festgestellt, dass ihr höchst Grausames angetan wurde. Zugleich kann sie nicht mehr sein als eine Erscheinung, eine Widergängerin. Aus einer derartigen diffusen Schwebe und Irrationalität schlägt die Spukgeschichte ihr Kapital.
The Dark hat denn auch seine Grundlage, walisische Mystik, seinen Regelkreis von Opfer, Schuld, Wahn und Verdammnis mit einer entsetzlichen Beiläufigkeit fest im Griff. Selbst wenn Fawcett am Ende zu konkret ins Übersinnliche eintaucht, verstehen er und seine Autoren noch die letzte, erbarmungslose Konsequenz zu ziehen und damit weiter zu gehen als üblich. Dass sich The Dark schlussendlich nicht so recht entscheiden mag, wie freundlich er mit seiner Hauptfigur umgehen soll, mag man dem Film darüber verzeihen.
Fazit: Trotz vereinzelter Schockelemente erzählt John Fawcetts souveräner Gruselfilm eine unbeirrt pessimistische Geistergeschichte als Tragödie, die besonders an den Figuren und ihrem Leid interessiert ist.