Gewalt und Grusel müssen im Film nicht zwangsläufig zu sehen sein, um uns Angst einzujagen. Denken wir nur an die berühmte Dusch-Szene in Hitchcocks „Psycho“: Wir sehen nicht wirklich, wie das Messer die Haut von Marion Crane durchbohrt. Stattdessen wird vordergründig das blitzende Messer und die sich in der Dusche windende Schauspielerin gezeigt. Schnelle Schnitte, kombiniert mit unvergleichlicher Filmmusik und Schauspielkunst reichen vollkommen aus. Unsere Vorstellungskraft füllt hier ganz von allein die Lücken. Wer jetzt glaubt, nur alte Filme hätten aufgrund mangelnder Spezialeffekte auf diesen Trick zurückgegriffen, irrt sich. Wir haben hier einige der eindrucksvollsten Beispiele für euch zusammengestellt.
„Sieben“ (1995)
Regisseur David Fincher schaffte es in „Sieben“, einen dunklen, unangenehmen und trotzdem spannenden Thriller auf die Leinwand zu bringen. Dabei wird keiner der kaltblütigen Morde direkt gezeigt: Wir bekommen ausschließlich die grausamen Folgen der Taten zu sehen. Besonders deutlich wird dies am Ende des Films, als der Plan des Bösewichts John Doe (Kevin Spacey) entgegen aller Erwartungen aufgeht. Er hat nämlich die Frau von Detective Mills ( Brad Pitt) umgebracht, ihr den Kopf abgeschnitten und diesen in einen Pappkarton gesteckt. Der Plan: Mills soll ihn erschießen und damit die Todsünde der Rache verkörpern. Obwohl man den Kopf von Tracy (Gwyneth Paltrow) nie sieht, sondern nur, wie Detective Somerset (Morgan Freeman) das Paket langsam öffnet, dann entsetzt aufspringt und der Karton danach einfach offen dasteht, ist die Szene grauenerregend. Mehr braucht es nicht, damit uns ein Schauer über den Rücken läuft und wir der festen Überzeugung sind, den Kopf doch gesehen zu haben.
„The Dark Knight“ (2008)
Der Joker (Heath Ledger) in Christopher Nolans „The Dark Knight“ führt eine ganze Reihe von Gewalttaten aus, die nicht direkt auf dem Bildschirm zu sehen sind. Einmal werden wir mit den Leichen gequälter Batman-Imitatoren konfrontiert, dann hat ein Gefangener plötzlich nicht nur ein Handy, sondern eine daran angeschlossene Bombe im Bauch und schließlich lässt der Joker auch noch einen Bleistift „verschwinden“. Eine weitere Szene hat sich ganz besonders in unsere Gedächtnis eingebrannt: Die Geschichte, die der Joker über die Narben in seinem Gesicht erzählt. Er hält dem Gangster-Boss Gambol (Michael Jai White) ein Messer ins Gesicht und fragt in aller Ruhe: „Willst Du wissen, wie ich diese Narben bekam?“ Am Ende steckt er ihm das Messer in den Mund und auch wenn wir nicht sehen, wie er ihn schließlich tötet, sind wir genauso verstört, als hätte man uns die Tat in Nahaufnahme gezeigt.
„Der Exorzist III“ (1990)
Der dritte Teil des Horror-Film-Klassikers spielt unter anderem in einer psychiatrischen Klinik, in welcher der von der Seele des Gemini-Killers besessene Pater Karras (George C. Scott) eine ganze Reihe von Menschen ums Leben bringt. Auch eine Krankenschwester ist unter seinen Opfern und ihr Tod ist zwar komplett unblutig, sorgt beim Zuschauen aber trotzdem für einen ordentlichen Schock. Zu einem großen Teil ist dafür der Aufbau der Szene verantwortlich: Nahezu eine geschlagene Minute lang passiert nichts, die Krankenschwester schließt eine Tür auf und wieder zu, Spannung baut sich dennoch ganz von alleine auf. Und dann, wie aus dem nichts, ertönt disharmonische Filmmusik, die Kamera zoomt plötzlich auf die Krankenschwester und eine weiß verhüllte Person hinter ihr, die mit einer Art Heckenschere auf sie losgeht. Danach wird auf das Bild einer Statue mit abgeschlagenem Kopf geschnitten – es ist also klar, welches Schicksal die junge Frau ereilte. Uns schlagt das Herz höher, allerdings nicht aus Freude.
„Reservoir Dogs“ (1992)
In Quentin Tarantinos erstem großen Film gibt es natürlich (wie sollte es anders auch sein?) eine Menge blutiger Szenen. Zuschauern dürfte eine davon am besten im Gedächtnis geblieben sein. Auch hier geschieht die Gewalt jenseits des Bildschirms, was dem Schock-Faktor keinen Abbruch tut. Mr. Blonde (gespielt von Michael Madsen) hat einen gefangen genommenen Polizisten auf einem Stuhl festgebunden, das Radio aufgedreht und tänzelt gut gelaunt mit einem Rasiermesser in der Hand im Raum herum. Es ist klar, dass er nichts gutes vorhat und dennoch wippt man unwillkürlich zu den Tönen von „Stuck In the Middle With You“ mit. Doch die Nahaufnahmen des blutverschmierten Polizisten und seiner vor Angst geweiteten Augen flößen uns langsam Unbehagen ein. Schließlich versetzt Mr. Blonde seinem Oper den ersten Schnitt mit dem Rasiermesser und fasst ihn danach brutal am Kinn. Er beginnt dann, ihm mit großen Bewegungen das Ohr abzuschneiden. Nur sehen wir nicht, wie genau er das tut, denn Mr. Blonde steht gewissermaßen direkt vor der Kamera. Diese schwenkt nun nach oben und so bleiben uns nur noch die gequälten Schreie des Polizisten, bis Mr. Blonde wieder vor die Kamera tritt und ein Ohr in der Hand hält.
„No Country for Old Men“ (2007)
In diesem Meisterwerk der Cohen-Brüder gibt es gleich mehrere Morde, die hierher gehören. So zum Beispiel, als Anton Chigurh (Javier Bardem) einen um sein Leben flehenden Kleinkriminellen erst erschießt, nachdem er den Duschvorhang zwischen sich und sein Opfer gezogen hat, was den Mord aber keinesfalls erträglicher macht. Außerdem ist da noch die Szene, in der es Carson Wells (Woody Harrelson) erwischt. Dieser versucht noch, sich aus der Situation zu reden.Wir können sehen, dass er Angst hat, wir hoffen auch, dass er es lebend aus dem Hotelzimmer schafft, aber wir wissen, dass er sterben muss. Die Szene zieht sich hin und die Spannung steigt, weil nicht klar ist, wann der tödliche Schuss fallen wird. Dann klingelt das Telefon und mitten im Klingeln, überraschend für uns und Wells, feuert Chigurh unbeteiligt. Allerdings sehen wir nur am Rand des Bildschirms, wie Wells‘ Körper zusammenzuckt. Im Gedächtnis bleibt der überraschte Ausruf, mit dem er aus dem Leben scheidet, was das Ganze noch brutaler macht, als es ohnehin schon ist.
„Scarface“ (1983)
In Brian DePalma’s „Scarface“-Verfilmung gibt es eine recht berühmte Folterszene mit einer Kettensäge. Auch hier spritzt zwar reichlich Blut, die eigentliche Gewalttat ist nicht direkt zu sehen. Ein Drogenhändler will Tony Montana (Al Pacino) dazu zwingen, ihm das Geld ohne die Ware auszuhändigen. Deshalb foltert er seinen Freund mit einer Kettensäge. Hier hören wir zwar das Geräusch des Werkzeugs und die Schreie des Opfers und auch Blut spritzt in Massen, doch wie ihm ein Arm und ein Bein abgetrennt werden, ist nicht zu sehen. Da sich das Ganze in einer Badewanne abspielt, kann man außerdem sagen, dass DePalma hier ein recht obskures Hitchcock-Zitat versteckt hat.
„Das Schweigen der Lämmer“ (1991)
Für die meiste Zeit in „Das Schweigen der Lämmer“ sitzt „Hannibal the Cannibal“ (Anothny Hopkins) im Gefängnis. Doch am Ende gelingt ihm der Ausbruch, wenn auch auf besonders brutale Weise. Natürlich gibt es hier auch wieder jede Menge Blut (wir erinnern auch an den Umstand, dass er sich zwischenzeitlich mit dem Gesicht eines seiner Opfer tarnt), doch einen besonders üblen Mord sehen wir erst gar nicht. Auch hier wird wieder damit gespielt, dass wir vom bevorstehenden Unheil wissen (Hannibal entledigt sich seiner Handschellen), die Aktion selbst lässt aber auf sich warten. Plötzlich legt Hannibal einem Polizisten Handschellen an und beißt seinem Kollegen ins Gesicht. Wir sehen allerdings nur, wie er auf die Kamera zuspringt und dann den Kopf seines sich windenden Opfers in den Händen hält. Damit aber noch nicht genug, er schlägt ihn mit seinem eigenen Polizeiknüppel zu Tode, was wir aber ebenfalls nur erahnen können. Es wird lediglich Hannibal gezeigt, der mit blutverschmiertem Gesicht leidenschaftlich auf etwas, das sich abseits der Kamera befindet, einschlägt.
„There Will Be Blood“ (2007)
Auch wenn diese Gräueltat nicht direkt gezeigt wird, gehört sie zu den enorm verstörenden Szenen der Filmgeschichte. Auch hier zeigt sich, dass ein langsamer Spannungsaufbau Früchte trägt: Die Unterhaltung zwischen Öl-Tycoon Daniel Plainview (Day-Lewis) und Eli Sunday (Paul Dano), die der Gewalt vorausgeht, ist schon unangenehm genug, zeigt sich doch, dass Plainview dem Wahnsinn endgültig verfallen ist. Als er dann beginnt, seinen Gegner mit Bowling-Kugeln zu bewerfen, wissen wir dass die Sache kein gutes Ende nehmen kann. Und ja: Er ergreift einen Bowling-Kegel und schlägt den davon kriechenden Pfarrer bewusstlos. Als er fortfährt, Sunday den Kopf einzuschlagen, widmet sich die Kamera nur Plainviews Gesicht, es spritzt nicht einmal Blut. Zugegeben: Danach wird die Leiche deutlich gezeigt, doch die Tat an sich, bekommen wir nicht zu sehen.
„Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979)
Auch diese Mischung zwischen Sci-Fi und Horror wartet mit mehreren fürchterlichen Toden auf: Wir erinnern nur daran, wie das kleine Alien aus der Brust des Crew-Mitglieds Kane (John Hurt) hervorbricht. Demnach gibt es hier viel Body-Horror, aber auch eine Szene, die ohne Gore auskommt. Lambert (Veronica Cartwright) wird vom Alien in eine Ecke gedrängt, sie hat wahnsinnige Angst und ist wie erstarrt. Schließlich steht das Monster riesenhaft über ihr und fletscht seine Zähne, entgegen unserer Erwartungen sehen wir nun, wie sich der gezackte Schwanz der Kreatur langsam um ihr Bein windet. Dann wird zu Ripley (Sigourney Weaver) geschnitten, die nur noch die Schreie ihrer Kollegin hört. Auch ohne zu wissen, dass dieser Film als Metapher für sexuelle Gewalt gedeutet werden kann, ist diese Szene höchst unangenehm.
„Star Wars – Das Imperium schlägt zurück“ (1980)
Auch wenn es sich hier keineswegs um einen Horror-Film handelt, so gibt es doch in Episode V der „Star Wars“-Reihe eine Szene, die nichts für schwache Gemüter ist. Han Solo (Harrison Ford) wird hier nämlich von Darth Vader (David Prowse) gefoltert. Darth Vader hofft darauf, Luke Skywalker (Mark Hamill) in eine Falle locken zu können und quält Solo mit einer futuristischen Maschine, die Elektroschocks erzeugt. Zunächst sehen wir nur, wie die Maschine einige Funken von sich gibt und Han zusammenzuckt. Doch weitere visuelle Informationen erhalten wir nicht. Die brauchen wir auch nicht, denn Hans Schmerzensschreie sind genug, um uns in Schrecken zu versetzen.