In einem Podcast äußerte sich DCU-Boss James Gunn zum aktuellen Stand der Comicverfilmung: Die jüngsten Film-Beiträge seien alles andere als gut gewesen.
Es gab einmal eine recht lange Zeit, da galten Comicverfilmungen – zumindest die ganz großen Verfilmungen von Marvel- und DC-Comics – nahezu als sichere Bank und im Fall von Produktionen aus dem Hause Marvel Studios gar als Beinahe-Lizenz zum Gelddrucken. Bis 2019 gab es für Superheld*innenfilme nur den Weg nach oben; und zwar in jeglicher Hinsicht: Sie wurden immer teurer, immer größer, immer spektakulärer und spielten immer mehr ein. Es dürfte niemanden überraschen, dass vier der zehn erfolgreichsten Filme aller Zeiten eben diesem Genre entspringen: „Avengers: Endgame“, „Avengers: Infinity War“, „Spider-Man: No Way Home“ sowie „Marvel’s The Avengers“.
Ihr habt es sicherlich schon erkannt: Bis auf „Spider-Man: No Way Home“ entstammen die „Avengers“-Filme komplett den ersten drei MCU Phasen des Marvel Cinematic Universe (MCU). Die große Stärke von Marvel Studios besteht/bestand in einem kontinuierlichen Narrativ, in einer Handlung, die über die Grenzen einzelner Filmbeiträge hinausgeht, um eben jenes filmische Universum zu erschaffen. Dadurch ergab sich beim Publikum ein Gefühl der Vertrautheit, der Verbundenheit mit den zahlreichen Charakteren. Das Wissen, das man in einem Film erwarb, half im anderen Film, die Zusammenhänge zu verstehen. Auf der anderen Seite erzeugte eine solche Konnektivität die sogenannte FOMO (Englisch für fear of missing out), also eine Angst, etwas zu verpassen.
Ist man als Fan voll investiert, will man auf keinen Fall etwas verpassen, das Kinoticket entsprechend in Gedanken bereits gelöst, bevor der jeweilige Film überhaupt einen Starttermin hat. Das geht so lange gut, wie etwas nicht als Zwang empfunden wird. Sobald eine Sache als zwingend betrachtet wird, stellt man diese Notwendigkeit über kurz oder lang infrage – vor allem dann, wenn betreffende Filme gefühlt alle die gleiche, leicht variierte Handlung nach dem Schema F beinhalten. Erneut steht das Schicksal der gesamten Welt oder gar des gesamten Universums auf dem Spiel? Und der einzige Unterschied besteht in den Hauptfiguren? Und während des Kinobesuchs fragt man sich dann unweigerlich, wo eigentlich die anderen Superheld*innen des filmischen Universums geblieben sind und warum sie nicht helfen. Dass bislang nahezu alle Superheld*innenfilme in diesem Jahr unter den Erwartungen geblieben sind, überrascht im Grunde nicht.
Genau darin bestehe das aktuelle Problem, befindet James Gunn, seines Zeichens Regisseur und Schöpfer der „Guardians of the Galaxy“-Filme im MCU und neuer Boss des DC Universe (DCU). Im Podcast „Inside of You with Michael Rosenbaum“ (Lex Luthor aus „Smallville“) kam er selbstverständlich auf den Status quo der Comic-Verfilmung beziehungsweise der Superheld*innenfilme zu sprechen. Gunn sei der Auffassung, dass es momentan einfach „zu viele“ davon gebe. Und nicht nur die Menge sei problematisch, sondern auch das Inhaltliche:
„Aber ich glaube, dass die Leute bei ihren Superheld*innenfilmen richtig faul geworden sind. Und sie sind an einem Punkt angelangt, an dem sie sagen: ‚Oh, es ist ein*e Superheld*in, lasst uns einen Film darüber machen.‘ Und sie machen eine Fortsetzung, weil der erste [Film] ziemlich gut gelaufen ist, und denken nicht darüber nach, was diese Geschichte so ausgezeichnet hat. Was hebt diese Geschichte von anderen Geschichten ab? Was ist die Geschichte, die dem Ganzen zugrunde liegt? Warum ist diese Figur so wichtig? Was macht diese Geschichte so anders, dass sie das Bedürfnis der Leute erfüllt, sie im Kino sehen zu wollen? Oder im Fernsehen?“
Es sei laut Gunn keine Superheld*innenmüdigkeit, das Publikum sei stattdessen der ständig gleichen Geschichte überdrüssig. Unter James Gunn sollen DCU-Werke endlich zu dem Spektakel und Ereignis auf der Kinoleinwand werden, das sie schon auf Papier darstellen. Und wie die Anfangsphase aussehen soll, hat er im Video erläutert.
Rechnet James Gunn insgeheim mit dem alten DC-Universum ab?
Man kommt nicht umhin, zu glauben, dass sich Gunns Kritik vor allem auf die jüngsten DC-Filme „Black Adam“ und „Shazam! Fury of the Gods“ bezieht. Superheld ohne Konturen (Black Adam) und eine Fortsetzung der Fortsetzung wegen („Shazam! Fury of the Gods“) – das könnte passen. Jedoch kritisiert der 56-Jährige Superheld*innenfilme generell für einen schwachen dritten Akt:
„Und ich denke, dass es einfach so ist, dass… die Leute ein wenig faul geworden sind und dass in den Filmen eine Menge ‚Biff, Pow, Bam‘-Zeugs passiert. Und ich sehe mir den dritten Akt von Superheld*innenfilmen an, bei denen ich wirklich nicht das Gefühl habe, dass es einen Sinn ergibt oder dass es einen Grund gibt, für das, was passiert… Die Figuren sind mir egal. Und sie sind zu generisch geworden.“
Thor-Darsteller Chris Hemsworth hatte es jüngst auf den Punkt gebracht: Man könne dem Publikum nicht in jedem Film die gleiche Weltbedrohungslage als Handlung verkaufen. So etwas nutzt sich schnell aus. Stattdessen müssten derartige Geschichten persönlicher und geerdeter werden. Und: Die Filmschaffenden dürfen sich laut Gunn nicht davor fürchten, ihre Geschichten in unterschiedlichen Genres einzubetten. Er weiß, wovon er spricht, hat er doch den ungewöhnlichen Horrorfilm „Brightburn: Son of Darkness“ produziert, den ihr über Amazons werbefinanzierten Kanal Freevee kostenlos streamen könnt.
Aktuell arbeitet Gunn als kreativer Leiter des DCU an „Superman: Legacy“. Man darf gespannt sein, ob und wie er seinen Ratschlag selbst beherzigt.
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