Der Prinz ist nervös: Zehntausende werden ihm im Wembley-Stadion zuhören; und weltweit, im gesamten britischen Großreich, werden die Untertanen ihn hören können, denn die Abschlussrede der Empire Exhibition wird live im Radio übertragen. Das ist so etwas wie das Einstiegstor in die mediale Massenkommunikation, das der Prinz hier durchschreiten muss, im Jahr 1925. Er ist nervös, und natürlich wird es ein Desaster: denn Albert Frederick Arthur George, Duke of York, Sohn des Königs von England, in der Familie Bertie genannt, stottert. Seit seiner Kindheit schon. Dabei ist es als Mitglied der Royal Family seine einzige Aufgabe zu repräsentieren. Früher hieß das, in Uniform gut auszusehen und nicht vom Pferd zu fallen. In Zeiten des Radios bedeutet es insbesondere auch, gut reden zu können. Das ist Berties Problem.
Ein Problem, das Regisseur Tom Hooper glänzend in den Film übersetzt. Durch gezielt gesetzte groteske Übertreibungen: in Unter- oder Aufsicht, in extremem Weitwinkel gefilmt, verzerrt er seine Bilder, wenn er zeigt, wie es richtig geht, wies die Professionals machen: der BBC-Moderator gurgelt, nutzt Rachenspray, macht Konsonantenübungen, gespreizte Finger geben die richtige Entfernung zum Mikrophon an, und dann legt er flüssig los, redet für Millionen Zuhörer. Bertie dagegen steht verloren da, und das Mikrophon sieht wie ein Fadenkreuz aus, das ihn ihm Visier hat.
Diese Inszenierungsmittel zwischen sensibler Einfühlsamkeit und überzogener Karikatur, zwischen emotional-zugeneigtem Blick auf seine Charaktere und einem frechen Schlüssellochblick hinter die Kulissen der Monarchie hält Hooper konsequent durch, mit größter Souveränität, mit viel Witz und genauestem Gespür für Figuren und Situationen. Nach einigen Fernsehsachen ist dies erst seine zweite Kinoregie, und er übt diese Kunst mit vollendeter Meisterschaft aus.
Und kann sich dabei auf Colin Firth stützen, der absolut perfekt spielt, mit genauestem Gefühl für die Sprache, der jeden Wortstolperer punktgenau und völlig unangestrengt richtig setzt, der mit komischem Timing glänzt, einen schlagfertigen und selbstironischen Charakter prägt und die charakterliche Tiefe seiner Figur bis ins Letzte ausleuchtet. Für A Single Man hätte er schon im letzten Jahr den Oscar bekommen können; diesmal sollte es doch locker klappen, den Golden Globe hat er für diese Rolle schon gewonnen.
Tom Hooper und Drehbuchautor David Seidler der selbst als Kind, in den 1940ern, gestottert hatte gehen mit äußerster historischer Akkuratesse vor, ohne je lehrbuchhaft zu werden. Die geschichtlichen Hintergründe spielen hinein: Hitlers Aufstieg auf dem Kontinent; der patriarchalische Vater König George V., nach dessen Tod 1936 Berties Bruder gekrönt wird und ein Skandal erster Güte, der die Monarchie existentiell bedrohte im selben Jahr noch abdankt aus Liebe zu einer mehrfach geschiedenen Bürgerlichen. Was hier erzählt wird, ist Zeitgeschichte: es geht auch um die Ehe von Elisabeth, Frau von Bertie und spätere Queen Mum, und um die Kindheit von Margaret und Elisabeth, der heutigen Königin
Aber vor allem geht es um eine ganz ungewöhnliche Beziehung zu dem unkonventionellen Sprachtrainer Lionel Logue, einem Australier noch dazu seine Tagebuch-Aufzeichnungen waren wichtige Grundlage fürs Drehbuch. Das Stottern muss weg, ganz klar. Und Logue versucht alles, diesen als rein mechanische Sprachschwierigkeit angesehenen Fehler zu reparieren, und weiß natürlich, dass die Ursachen tiefer liegen könnten. Denn er merkt, wann das Stottern sich verbessert: wenn Bertie singt, wenn er schimpft und flucht, wenn er mit Lionel redet wie mit einem normalen Menschen. Also: Hüpfen, singen, auf dem Boden rollen, übelst fluchen stehen auf dem Therapieplan; und: Gespräche, eine Art unaufdringliche Vertiefung der Beziehung zwischen Lionel und dem Prinzen, später dem König, eine Begegnung unter gleichen, unter Umgehung der Standesschranken
Witzig und durchaus bewegend, wie der Hochadlige sich herunterbegibt, nicht nur räumlich in das abgerissen-unaufgeräumte Sprechstundenstudio von Logue, auch sozial, wenn er sich mit Logue einlässt. Und wenn die beiden unterschiedlichen Sozialisierungen miteinander in Konflikt geraten, dann wird es richtig komisch
Eine seltsame Beziehung zeigt sich da zwischen zweien, die sich eigentlich niemals getroffen hätten: der Prinz mit all seinen antrainierten Ritualen und Zeremonien im Umgang mit anderen und ein unorthodoxer Sprachtherapeut, der kaum etwas auf Tradition, Brauchtum, Etikette hält. Einer, der den Prinzen/König wieder menschlicht macht, ihn zur Akzeptanz seiner selbst bringt: Am Ende kann Bertie Lionel als Freund, und Mr. Logue kann König George VI. als Majestät anerkennen.
Dass vor ein paar Jahren mit Dani Levys Mein Führer eine ganz ähnliche Figurenkonstellation verfilmt wurde, in ganz anderem Ton Hitler, der sich von einem Juden rhetorische Fähigkeiten beibringen lässt ist sicher Zufall. In einer Szene in The Kings Speech sieht sich die königliche Familie eine Wochenschau an, Nürnberger Parteitag mit einem feurigen Führer. Papa, was sagt der Mann?, fragt die kleine Elisabeth. Ich weiß nicht, aber er macht es gut, antwortet der königliche Stotterer. Der dann, drei Jahre später zu Anfang des Zweiten Weltkriegs, eine große Rede halten soll zum Volk, fürs Volk, als das Volk. Nach der offiziellen politisch/diplomatischen sorgt er für die moralische Kriegserklärung: Die Rede gegen Hitler, bei der er nicht versagen darf
Fazit: Witziger, berührender, rundum gelungener Film über eine ungewöhnliche Freundschaft des Königs zu seinem Sprachtherapeuten. Unaufdringlich spielt die Zeitgeschichte hinein, perfektes Schauspiel sorgt für beste Unterhaltung, und die Blicke hinter die monarchischen Kulissen sind hochinteressant, ohne voyeuristisch zu werden.