"Out of Sight" verschaffte ihm sein wohlverdientes Comeback, nachdem es für Steven Soderbergh, der nach seinem Erstling "Sex, Lügen & Video" 1989 eine von Hollywoods großen Hoffnungen gewesen war, jahrelang so ausgesehen hatte, als wäre seine Karriere an einem Tiefpunkt angelangt, von dem es kein zurück mehr geben würde. "Out of Sight" galt nicht nur als einer der coolsten Krimis des Kinojahres '98, sondern auch als perfekte Hommage an das stilistisch grandiose 70er Jahre Kino. Eine Form des Films, die es heute eigentlich nicht mehr gibt.
Zudem bescherte der Film auch Jennifer Lopez den endgültigen Durchbruch und George Clooney einen Achtungserfolg. Soderbergh stand nun eigentlich die Hollywoodsche Welt wieder offen, aber anstatt sich eines sauteuren Films anzunehmen, der künstlerisch wertlos, dafür aber ein sicherer Kassenhit gewesen wäre, blieb der Regisseur beim Mini-Budget und drehte das Krimi-Drama "The Limey", einen cineastischen Traum.
"The Limey" ist nicht gerade einfach, hat eine manchmal schwierig nachvollziehbare Szenen-Aneinanderreihung und ist auch schwerfällig. Und trotzdem ist er ein Meisterwerk, gerade weil er diese, eigentlich recht negativen Attribute hat.
Durch den recht konfusen Schnitt wird der Film psychologisch glaubwürdig. Soderbergh montiert beispielsweise eine Szene, in der Wilson auf seinem Bett sitzt und schneidet kurze Fragmente hinein, die nichts anderes als Erinnerungsbrocken sind, die man als Zuschauer aber noch nicht einordnen kann. Es wird kurz seine erste Begegnung mit Ed oder Elaine angerissen, die vollen Szenen sieht man erst später.
Diese Erinnerungsszene ist zeitlich irgendwo zwischen Mitte und Ende anzusiedeln. Dann gibt es eine Szene, in der Wilson einigen von Valentines Mitarbeitern zu Leibe rückt und diese schließlich kaltblütig tötet. Auch hiervon erscheinen Momente bereits am Anfang. Der Inhalt dieser Szene ist also, dass sich Wilson an die letzten Tage erinnert, nachdem er gerade beschlossen hat, dass er Valentine töten muss. Durch seine Erinnerungen rechtfertigt er dies vor sich selbst. Selten zuvor hat ein Regisseur so tief in den Kopf seines Protagonisten blicken lassen.
Der Film entwickelt sich langsam, aber mit Stil, der nicht nur durch die schönen Bilder entsteht, sondern auch durch die Altherrenmannschaft, die hier zu Hochformen aufläuft. Terence Stamp als knallharter und rachedurstiger Vater, Peter Fonda als arrogante, aber traurige Figur und Barry Newman als dessen kaltblütige rechte Hand. Sie alle haben ihre Zeit eigentlich hinter sich, jedoch gibt Soderbergh ihnen die Chance, noch einmal zu zeigen, was in ihnen steckt.
Und diese Chance nutzen sie. Sie sind so gut wie zu ihrer besten Zeit, durch ihr brilliantes Spiel halten sie den Film am Leben und besonders die Gut-Böse-Verkehrung, die dadurch entsteht, dass der eigentlich gute Wilson eiskalt und der eigentlich böse Valentine ein trauriges Häufchen Elend ist, wird durch das Spiel Stamps und Fondas auf perfekte und faszienierende Weise aufgefangen.
Zwischendurch montiert Soderbergh auch kurze Erinnerungen an die Kindheit von Wilsons Tochter. Problematisch dabei natürlich, dass Terence Stamp hier um knapp 30 Jahre verjüngt werden musste. Soderbergh machte das Einfachste und Beste was er tun konnte und entlieh sich diese Szenen aus dem Regiedebüt von Ken Loach "Poor Cow" aus dem Jahr 1967, in welchem Terence Stamp einen jungen Dieb mit Familienproblemen spielte, also praktisch den gleichen Charakter, den er nun auch in "The Limey" verkörperte.
"The Limey" spielte in den USA keine 5 Millionen Dollar ein, galt dafür aber als Geheimtip und wurde von den Hollywoodkritikern bejubelt. Schon lange hat man nicht mehr solche intensiven Charaktere gesehen und der unterkühlte Stil des 70er Jahre-Kinos, den man durch die Filme Pakulas und Lumets so schätzte, ist hier nach "Out of Sight" auf grandios schlichte Weise weiterentwickelt worden.
So war es für Soderbergh auch nicht tragisch, dass der Film floppte. Wahrscheinlich war seine Entscheidung, diesen Film dem Big Budget vorzuziehen, das Beste was er hatte tun können. Als normaler Zuschauer "The Limey" zu mögen ist nicht ganz einfach. Für den wirklichen Film-Fan ist er aber wohl Pflichtwerk und ein Kinoerlebnis der besondersten Art.
Fazit: Ein cineastischer Traum, der sich stilvoll und langsam entwickelt. Für anspruchsvolle Film-Fans ein Pflichtwerk.