Der 33. Spielfilm des Marvel Cinematic Universe startet in den deutschen Kinos – doch lohnt „The Marvels“ den Gang dorthin? Das verraten wir euch in unserer spoilerfreien Kritik!
Praktisch überall ist von einer Krise des Marvel Cinematic Universe (MCU) zu lesen und das Jahr 2023 war tatsächlich eher durchwachsen: Während „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ ein voller Erfolg war und Staffel 2 von „Loki“ nach einem Durchhänger offenbar die Kurve gekriegt hat und jetzt wieder auf Begeisterung stößt, gab es auch Flops. „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ ging genauso wie „Secret Invasion“ baden.
Auf welche dieser beiden Seiten schlägt sich also „The Marvels“? Der neueste Film wagt es in bester MCU-Manier mal wieder, mehrere Projekte zusammenzubringen: „Captain Marvel“, „Ms. Marvel“ und „WandaVision“ sowie eine Prise „Secret Invasion“. Falls ihr einen oder mehrere Titel dieser Liste nicht gesehen habt – was ihr hier bei Disney+ tun könnt –, hilft euch der folgende knappe Rückblick weiter, bevor wir zu unseren Kritiken kommen:
Celina: Viel besser als erwartet und erstaunlich gute Unterhaltung
„The Marvels“ hat meine Erwartungen definitiv übertroffen. Um ehrlich zu sein, waren diese jedoch auch nicht besonders hoch. Der Vorgänger „Captain Marvel“ gefiel mir 2019 zwar gut, gehörte allerdings nie zu meinen Lieblingsfilmen im MCU. Hinzukam, dass ich die Serie „Ms. Marvel“ noch nicht gesehen hatte und die Titelheldin nur aus der Post-Credit-Scene kannte, die man ebenfalls im Trailer zu „The Marvels“ sieht. Dementsprechend fehlte mir schlichtweg ein tiefergehender Bezug zu „The Marvels“.
Nach der Sichtung des Film muss ich allerdings sagen, dass mich „The Marvels“ wirklich positiv überrascht hat. „The Marvels“ hat eine recht simple Grundhandlung, was für mich an dieser Stelle eindeutig ein Pluspunkt ist. Natürlich gab es, wie wir es im MCU gewohnt sind, einige Referenzen zu den vorangegangenen Filmen und Serien und das eine oder andere Detail sticht vielleicht mehr hervor, wenn man diese gesehen hat. Durch kurze, aber nicht übertriebene, Erklärungen und Rückblicke wird jedoch genug Kontext hergestellt, wodurch man den Geschehnissen des Films auch so folgen kann.
Abgesehen davon, dass es natürlich sinnvoll ist, die grundlegende Hintergrundgeschichte der Protagonistinnen und wichtiger MCU-Charaktere wie beispielsweise Nick Fury (Samuel L. Jackson) zu kennen, funktioniert „The Marvels“ erstaunlich gut für sich genommen beziehungsweise als Fortsetzung von „Captain Marvel“ ohne größere MCU-Einbettung. Was nicht heißt, dass „The Marvels“ nicht für einige Überraschungen im Hinblick auf die weitere MCU-Zukunft sorgt.
Im Großen und Ganzen hat mich das neueste Marvel-Abenteuer aber vor allem überraschend gut unterhalten. Der Humor funktionierte für mich super. Auch wenn der Film in dieser Hinsicht an manchen Stellen etwas über die Strenge schlug und für mich persönlich in einer Szene regelrecht albern wirkte, da sie fast schon an ein Disney-Prinzessinnen-Musical erinnerte, konnte ich viel lachen.
Besonders positiv überrascht hat mich jedoch vor allem die tolle Gruppendynamik zwischen den drei Protagonistinnen, durch die ich wieder mehr Bezug zu den Figuren auf der Leinwand hatte – etwas, das mir (mit Ausnahme von „Guardians of the Galaxy 3“) in vielen der letzten MCU-Projekte fehlte. Die besten Marvel-Filme waren für mich nämlich meistens die, in denen die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander mehr Screen-Time hatten als die CGI-Kämpfe.
Die vergleichsweise kurze Laufzeit von „The Marvels“ empfand ich als sehr erfrischend und auch wenn der Film vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein wenig vorhersehbar war, wurde es nie langweilig. Wer „Captain Marvel“ mochte, wird sicherlich auch Gefallen an „The Marvels“ finden, da die Fortsetzung für mich den Vorgänger übertrifft. Durch Kamala Khan (Iman Vellani) und Monica Rambeau (Teyonah Parris) kommen auch Fans von „Ms. Marvel“ und „WandaVision“ auf ihre Kosten. Ein persönliches Highlight war für mich natürlich die Rückkehr von „Katze“ Goose. Für mich hat sich der Kinobesuch also trotz anfänglicher Skepsis gelohnt.
Andi: Gerne mehr davon, Marvel!
Nach „Avengers: Endgame“ erleben die Marvel-Fans eine Art Übergangsphase im MCU. Neue Figuren werden vorgestellt, bekannte Charaktere aus der zweiten Reihe rücken nach vorne. Diese Projekte stoßen insgesamt jedoch eher auf gemischte Reaktionen, Hits und Flops drückten sich gefühlt die Klinke in die Hand. „The Marvels“ beweist jetzt, warum es diese Übergangsphase braucht / gebraucht hat, denn endlich werden die einzelnen Fäden mal wieder zusammengeführt – und das überraschend überzeugend.
Denn „The Marvels“ liefert die leichte, stimmige Popcorn-Unterhaltung, die das MCU einst überhaupt groß gemacht hatte; inklusive der Schattenseiten. Ein cineastisches Meisterwerk ist das hier nicht, die Bösewichtin der Stunde hinterlässt mal wieder keinen bleibenden Eindruck, was auch für das eigentliche Problem und die dahinterliegende Thematik gilt. Mit der Frage, wann Opfer zu Täter*innen werden, kann man ganze Philosoph-Seminare füllen, aber „The Marvels“ ist daran nicht einmal rudimentär interessiert.
Stattdessen steht die Dynamik zwischen Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson), Kamala Khan alias Ms. Marvel und Monica Rambeau im Fokus – und ganz ehrlich: Mehr braucht es für mich persönlich gar nicht, um „The Marvels“ zu einem gelungenen MCU-Film zu machen. Denn das war für mich stets die größte Stärke des Franchise: Charaktere zusammenzubringen, sie stimmig miteinander interagieren zu lassen und für ein unterhaltsames Dialog- und Gag-Feuerwerk zu sorgen. Dass gleich vier Projekte nötig waren, um dieses Trio zu vereinen, ist vielleicht etwas umständlich, aber das Ergebnis erinnerte mich mal wieder daran, warum ich mich vor einigen Jahren auf praktisch jeden MCU-Film freute.
Ohne Brie Larson und Teyonah Parris ihr Charisma absprechen zu wollen, denn sie tragen definitiv zu einer gelungenen Teamleistung bei: Der Star des Films ist zweifellos Iman Vellani. Schon in „Ms. Marvel“ gewann sie als Ober-Nerd vor und hinter der Kamera die Liebe der Fangemeinde, auch weil sie sich auch mal spielerisch mit MCU-Chef Kevin Feige wegen einer Streitfrage anlegte. Nach ihrer Solo-Serie freute ich mich bereits darauf, Kamala Khan mit anderen Figuren interagieren zu sehen und Vellani rechtfertigt das in sie gelegte Vertrauen auf ganzer Linie: nicht nur auf witzig, sympathische Art als Captain-Marvel-Fan-Girl, sondern auch als emotionales Herz des Films. Ich kann mir gut eine Zukunft vorstellen, in der Kamala Khan eine der tragenden Figuren des ganzen Franchise wird. Und bitte mit ihrer gesamten Familie im Rücken, die auch hier wieder ein Highlight war.
Neben Komödie ist jeder MCU-Film zugleich ein Actionstreifen, oftmals fallen diese Sequenzen meiner Ansicht nach jedoch erschreckend generisch und dadurch langweilig aus. Die Inszenierung in „The Marvels“ ist mal besser, mal schlechter – letzteres, wenn die Kamera zu nah dran und die Schnitte zu hektisch sind. Doch das Gimmick, dass die drei Heldinnen ihre Positionen tauschen, wenn sie ihre Kräfte nutzen, wird insgesamt gekonnt genutzt, um mal wieder abwechslungsreiche MCU-Action darzustellen, bei der ich nicht innerlich direkt abschalte. Zumal der Film dies auch erzählerisch zu nutzen weiß, um aus Captain Marvel, Ms. Marvel und Monica Rambeau ein Team zu formen.
„The Marvels“ lohnt entsprechend für Marvel-Fans und aufgrund des Spaßfaktors auch das allgemeine Publikum definitiv den Gang ins Kino. An „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ mag er zwar nicht herankommen, liefert aber um Lichtjahre bessere Unterhaltung als „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“. Der neueste Film zeigt, dass die Glanzzeit des MCU noch nicht vorüber sein muss, wenn man sich eben auf die einstigen Stärken besinnt und die Interaktionen zwischen Superheld*innen wieder ins Zentrum rückt.