Um Clive Barker ist es ruhiger geworden. Der innovative Horror-Autor war der Star der 1980er und frühen -90er und erwies sich mit seiner genial-bizarren Kurzgeschichten-Reihe Bücher des Blutes sowie Romanen wie Cabal als legitimer Erbe (und Modernisierer) der dunklen Phantasien eines H.P. Lovecraft oder Stephen King.
Barker, der auch als Regisseur eigener Stoffe tätig war, hat sich beim Schreiben mittlerweile eher in Richtung Fantasy (wenn auch mit schwer definierbarem Einschlag) bewegt. Und während nun der Hellraiser-Klassiker seinem Remake harrt, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass man mit The Midnight Meat Train eine Kurzgeschichte aus dem allerersten Band der Bücher des Blutes fürs Kino adaptiert hat.
Allerdings ist die Story bei all der typisch Barkerschen Groteskheit, dem abgrundtief Finsterem und der fast kosmischen Grausamkeit noch relativ geradlinig um nicht zu sagen einfach bzw. die Darlegung einer Grundidee ohne allzu großen Verlauf: Ein Mann schlachtet in den letzten U-Bahn-Fahrten der Nacht ahnungslose Pendler dahin und ist doch selbst, bei all der Bestialität und Unmenschlichkeit seines Tuns nur Teil eines größeren Schreckens.
Die Kunst bei The Midnight Meat Train war denn auch nicht, eine verfilmbare Handlung aus Barkers Geschichte zu schneidern, sondern dafür zu sorgen, dass der Stoff für einen ganzen Spielfilm reicht. (Horror-)Filme z.B. Nachtschicht nach Stephen King haben ja oft mit dem Problem zu kämpfen, zu wenig an Short-Story-Handlung auf zuviel Zeit verteilen zu müssen (weshalb die Masters of Horror-Serie so sinnvoll ist). Doch The Midnight Meat Train hat diese Herausforderung gemeistert, und zwar so gut, dass man seinen Spaß auch hat, wenn man die Kurzgeschichten-Vorlage samt ihrer Auflösung bereits kennt.
An sie haben sich Regisseur Ryuhei Kitamura (Azumi) und Drehbuchautor Jeff Buhler auch eng gehalten, insofern sie ihre kleine böse Anti-Werbung für den Öffentlichen Personennahverkehr konsequent und in aller Brutalität zu (ihrem) bösem Ende führen. Gewütet wird bis dahin, was das Zeug hält und vor allem Mahoganys Edelstahlhammer hergibt. Dass Spezialeffekte computergeneriert sind, braucht nicht stören: In einer Szene bekommt jemand einen derartigen Schlag hinterrücks auf den Schädel, dass ihm die Augen in Zeitlupe aus dem Kopf fliegen. Für eine solche Idee muss man auch mal tricktechnisch Fünfe gerade sein lassen. Wenn schließlich noch Lebende wie Schlachtvieh an Fleischerhaken im U-Bahn-Waggon aufgehängt werden (anderen, toten, werden detailfreudig Zähne und Augen entfernt), dann ist immer noch genug an naturalistischer Ekelei geboten.
Während der Mörder so überzogen wie geheimnisvoll meuchelt, lassen ihm Buhler und Kitamura den Fotografen Leon auf die Spur kommen. Hier musste man sich handlungsmäßig etwas mehr einfallen lassen, um eine Story zu bieten, und die ist auch ganz passabel ausgefallen und flott erzählt: Leon, von seinem Job als Polizeifotograf unterfordert, möchte mit Aufnahmen in der Galerie der Kunstdame Susan (Brooke Shields) landen. Doch der gehen seine Aufnahmen nicht weit genug, in dem, was sie von der Unterseite der Stadt zeigen.
Leon hat folglich guten Grund, sich nachts herumzutreiben und wird immer besessener von Mahogany, den er als Mörder verdächtig und bis zu seinem offiziellen Arbeitsplatz, dem Schlachthof, verfolgt. Darüber entfremdet er sich von seiner Freundin Maya (Leslie Bibb), die ihn erst angespornt hat und jetzt, in seinem scheinbaren und wirklichen Wahn zu verlieren droht. Gerade dank der Figur der Maya kann der Film schlussendlich derart kompromisslos geraten bzw. sein böses Ende (samt einer hübschen Erzählklammerung) vorweisen.
Dass man Leon (von Bradley Cooper redlich gespielt), seine Obsession freilich nicht gänzlich abkauft, ebenso wie das phantastische Geheimnis des Mitternachtsfleischzuges schließlich nicht voll ausgespielt wird, ist zu verkraften, weil Kitamura und sein Autor visuelle und dramaturgisch aus ihren Situationen herausholen, was irgend geht.
Das gelingt ihnen, bei allen Holprigkeiten, auch soweit, dass der Film zu einer runden Fahrt ohne Verzögerungen, aber mit spannenden Zwischenstopps wird. Z.B. wenn Maya und ihr und Leons Freund Jurgis (Roger Bart) in das altmodische Hotelapartment von Mahogany eindringen, Kitamura aufsichtig über die Zimmer hinwegfilmt und gehörige Suspense betreibt.
Das Highlight des Films ist ohnehin der Engländer Vinnie Jones (Kennwort: Swordfish, The Riddle): Ein stummer, steifer Hüne mit ausrasiertem Nacken, der mit Tasche und im Anzug in der U-Bahn-Station darauf wartet, wie ein autistischer Fachmann seinem Schlachterhandwerk nachzugehen. Eine Mischung aus Leatherface, Staatsbeamter und Forrest Gump. Mal ausdruckslos, mal stechend ist Jones Blick und verkniffen der Ausdruck. Doch der 43jährige ist mehr als der klassische Standard-Killer ohne Regung; Jones lässt immer auch etwas von der stummen Tragik Mahoganys durchscheinen, was die Figur über ihre Eindimensionalität erhebt und andererseits ihr emotionsloses Gemetzel noch mehr an die Nieren gehen lässt. Ein Auftritt, der ihn für die oberen Ränge der Horror-Film-Bösewichte empfiehlt.
Fazit: Runde, gelungene und blutig-brutale Adaption von Clive Barkers Horror-Kurzgeschichte zwar hier und da etwas holprig, aber spannend aufbereitet und mit einem eindrucksvollen Vinnie Jones als Schlachter-Killer.