Ein Western aus Australien. Der in einem wüsten Land spielt, das Gott aus den Gläubigen vertreibt, in dem Aborigines wie Tiere gejagt werden, in dem um jeden Menschen tausend Fliegen kreisen, als wäre er schon tot. Die Burns-Brüder sind brutale Verbrecher, Gesindel, das mordend und vergewaltigend die Gegend unsicher macht, und deshalb wendet Captain Stanley eine perfide Taktik an: Die Bande wird am schwächsten Glied gepackt, am jungen Mickey. Dessen Bruder Charley soll Arthur, den Boss der Familie, töten, dann wird beider Leben verschont.
Captain Stanley ist die Hauptfigur in The Proposition, und dabei handelt er gar nicht. Er wartet. Er wartet auf Charley, der nicht lange Zeit hat zum Vollzug des Tötungsbefehls, und er muss den Druck der Gesellschaft aushalten, seiner Frau, die die Freundin eines der Vergewaltigungsopfer war, vom Vorgesetzten, der Mickey fast zu Tode peitschen lässt; von den Bürgern des Städtchens, die eine Auge-um-Auge-Moral fordern. Dabei will Stanley die Zivilisation bringen in die Gegend, in dieses wüste Land. Er feiert Weihnachten mit Tannenbaum und Truthahn mitten im heißen australischen Sommer, sein Haus hat einen Garten, der nur von einem Lattenzaun von der Wüste abgetrennt ist.
Es ist nicht nur eine Sandwüste, die sich breit macht, es ist auch eine moralische Wüste. Die Polizei ist degeneriert, die Menschen rassistisch, die Banditen sadistisch. Und Stanleys Vorschlag, den Tod zweier Banditen gegen den Tod des Oberbanditen auszutauschen, mag als Plan durch seine Effizienz bestechen, eine Frage nach Moral sollte aber nicht gestellt werden.
In Übereinstimmung mit dieser Pluralität der moralischen Fragwürdigkeiten sind die Charaktere nicht schwarz-weiß gezeichnet, sondern von schillerndem Facettenreichtum: Charley Burns, der psychotische Killer, liebt die Poesie, er betrachtet lange Sonnenuntergänge. Drehbuchautor Nick Cave von dem auch die Musik stammt hat komplexe Figuren geschaffen und blickt damit zurück auf die Anfänge Australiens, die in Staub und Schlamm und Brutalität liegen. Große Bilder zeigen verderbte Seelen, deren Selbstgerechtigkeit und Überlegenheitsgefühl jeden Anfang von Zivilisation verhindern. Im Gegensatz zur Wildnis des Denkens, des Handelns, der Natur steht das Haus von Captain Stanley, das er mit seiner Frau bewohnt, und sein Handeln, das sich trickreich auflehnt gegen die Barbarei der Banditen, aber auch, soweit möglich, der Polizeibehörde und das doch moralisch zweifelhaft Banditenleben gegen Banditenleben aufwiegt.
Damit werden klassische Westernmotive aufgenommen, die Existenz am Rande der Wildnis, wo sich Ureinwohner gegen die Ausbreitung der Weißen wehren, der Kampf um die Durchsetzung von Zivilisation und Kultur. Doch dieser Kampf kann nicht gewonnen werden, nicht in einem archaischen, rassistischen Gesellschaftsrahmen, solange der Sinn für die Schönheit von Liedern und Natur die Banditen nicht davon abhält, menschenverachtend grausam zu sein.
Fazit: Ein Western über das Scheitern jeder Menschlichkeit im australischen Outback.