Der Film beruht auf wahren Begebenheiten. Wenn ein Film, beziehungsweise ein Horrorfilm so beginnt, verstärkt sich bereits zu Beginn das unangenehme Gefühl in der Magengegend. Hin und wieder handelt es sich dabei allerdings lediglich um eine bloße Behauptung oder sie trifft nur im weitesten Sinn ungefähr zu - Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre von 1974 zum Beispiel. Bei dem neuen Regiestreich von Mikael Hafeström scheint es sich dabei um die Wahrheit zu handeln: The Rite basiert auf dem Buch The Rite: The Making of a Modern Exorcist (deutscher Titel: Die Schule der Exorzisten: Eine Reportage). Das Buch entstand, nachdem der Autor Matt Baglio drei Jahre mit einem amerikanischen Geistlichen verbracht hatte. Die beiden lernten sich 2005 an der Vatikan-Universität kennen, als Baglio dort einen Kurs besuchte und sich der Priester zum Exorzisten ausbilden ließ.
Anthony Hopkins als Exorzist in den Fußstapfen von Max von Sydow und Rutger Hauer in den Fußstapfen von Rutger Hauer als merkwürdiger Leichenbestatter schon fast Grund genug, sich The Rite anzuschauen. Dachte sich wohl auch Hafeström und besetzte die eigentliche Hauptrolle Michael Kovak mit dem bislang unbekannten Colin O´Donoghue. Dieser war bisher nur in Serien und dem ein oder anderen Fernsehfilm zu sehen und gibt hier sein wohlverdientes Leinwanddebüt und überzeugt als zweifelnder Geistlicher. In seiner Soutane, den pechschwarzen Haaren und den traurigen Augen erinnert O´Donoghue stark an den jungen Montgomery Clift in seiner Rolle als Pater Logan in Hitchcocks Zum Schweigen verurteilt von 1953.
Wieder einmal geht es auf der Leinwand um die Frage, ob Menschen tatsächlich von Dämonen oder gar vom Teufel selbst besessen sein können oder an einer psychischen Störung leiden. Dabei ist doch die viel dringendere Frage, ob diese Thematik in einem Horrorfilm überhaupt noch schocken kann. Als 1973 Der Exorzist in die Kinos kam, schockte allein schon die Tatsache, dass ein kleines Mädchen derart fluchte, die Körperverrenkungen und -verdrehungen natürlich und die berühmte Erbsensuppe sorgte für den Ekelfaktor. Keiner der folgenden Filme aus Hollywood mit Exorzismus-Thematik konnte an diesen Erfolg anknüpfen. Erst die kleine deutsche Produktion Requiem (Hans-Christian Schmid, 2006) fand wieder Zustimmung, weil sich Schmid dem Thema auf andere Weise näherte. Er machte daraus keinen Horrorfilm mit ausgelutschten Schockeffekten, sondern ein Drama. Der Film beruht auf einem wahren Fall. Anfang der Siebziger starb die junge Annelise Michel bei einem Exorzismusversuch.
The Rite ist grundsätzlich wieder ein Horrorfilm, beinhaltet aber auch dramatische sowie Thrillerelemente. Klassische Schockmomente eines Horrorfilms hingegen gibt es viel zu wenige und auch sonst wartet auf den Zuschauer nicht wirklich etwas Neues, was die Nerven strapazieren könnte. Auch hier kennt der vermeintlich Besessene pikante Details aus der Vergangenheit des Exorzisten, die dieser eigentlich ganz tief in sich vergraben glaubte, er wirft mit Kraftausdrücken um sich, die sich schnell auf die sexuelle Ebene konzentrieren und sämtliche Gliedmaßen werden verdreht und verrenkt. Natürlich gibt es auch wieder einen kleinen Jungen mit bösem Blick und die Tiere bemerken als erstes, dass etwas nicht stimmt. Aber wenigstens bleiben dem Zuschauer die beliebten Höllenhunde erspart. Statt dessen erscheint der Teufel in Gestalt eines Maultiers mit roten Augen wahnsinnig gruselig, nicht wahr?
Regisseur Hafeström, der sich bereits in Zimmer 1408 mit dem Thema des Übersinnlichen auseinandersetzte, gibt sich viel Mühe, in einer Schlüsselszene zu zeigen, dass es für Michael einen göttlichen Plan oder wie auch immer man das nennen möchte zu geben scheint: Eine Frau wird nachts bei strömendem Regen von einem Auto erfasst. Michael eilt sofort herbei, um ihr zu helfen, muss aber feststellen, dass die Frau im Sterben liegt. Sie bittet ihn, sie zu segnen. Widerwillig kommt er ihrer Bitte nach. Die Kamera fährt langsam immer weiter zurück, Musik setzt ein und tatsächlich, es hat etwas Erhabenes, wie Michael neben dieser Frau auf der Straße kniet, in der Dunkelheit, im strömenden Regen, ihre Hand hält und seinen Segen vor sich hin murmelt. Dass Hafeström diesen Regen dann für die Szenen in Rom einfach übernimmt und die gesamte Stadt in ein einziges Grau in Grau taucht, funktioniert zwar ebenfalls, ist aber gleichzeitig ein gutes Beispiel für den fehlenden Einfallsreichtum. Dabei versteht es sich natürlich von selbst, dass die Sonne am Ende die Regenwolken vertreibt, sobald sämtliche Dämonen ausgetrieben wurden zumindest fürs Erste.
Fazit: The Rite wirft die alten Fragen nach der Existenz Gottes und des Teufels auf. Regisseur Hafeström verlässt sich dabei aber zu sehr auf Altbewährtes. Anthony Hopkins und Rutger Hauer sind allerdings ein großes Plus.