Vor Kurzem wurden die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben – und erstmals seit sieben Jahren schaffte es wieder ein Horrorfilm in die Kategorie Bester Film.
Vergangenen Donnerstag wurden die Nominierungen der diesjährigen Oscar-Verleihung verkündet: Mit 13 Nominierungen räumte besonders das Crime-Musical „Emilia Pérez“ ab, gefolgt von „Der Brutalist“ und „Wicked“ mit jeweils zehn Nominierungen. Als großer „Wicked“-Fan freue ich mich zwar riesig über die Nominierungen des Blockbuster-Musicals, dennoch begeisterten mich zugegebenermaßen etwas mehr über die fünf Nominierungen, die Coralie Fargeats Body-Horror-Film „The Substance“ erhielt. Das Werk wurde in den Kategorien Bestes Make-up und beste Frisuren, Bestes Originaldrehbuch (Fargeat), Beste Regie (Fargeat), Beste Hauptdarstellerin (Demi Moore) und sogar Bester Film nominiert.
Als passionierter Horror-Fan und langjährige Oscar-Zuschauerin frustriert mich seit Jahren die Ignoranz der Oscars gegenüber dem Horrorgenre. In der fast 100-jährigen Geschichte der Oscars wurden tatsächlich lediglich sieben Horrorfilme in der Kategorie Bester Film nominiert: Neben „The Substance“, dem neuesten Eintrag, gehören dazu „Get Out“ (2017), „Black Swan“ (2010), „The Sixth Sense“ (1999), „Das Schweigen der Lämmer“ (1991), „Der weiße Hai“ (1975) und „Der Exorzist“ (1973). Den Sieg in dieser Kategorie konnte jedoch nur „Das Schweigen der Lämmer“ erringen.
In den vergangenen zehn Jahren wurden eine Reihe von nominierungswerten Filmen übersehen, insbesondere hinsichtlich ihrer brillanten Darbietungen von unter anderem Toni Collette in „Hereditary – Das Vermächtnis“, Florence Pugh in „Midsommar“, Mia Goth in „Pearl“ sowie Robert Pattinson und Willem Dafoe in „Der Leuchtturm“. Auch dieses Jahr gab es einige Snubs, etwa für Hugh Grant in „Heretic“ sowie Bill Skarsgård und Lily Rose-Depp in „Nosferatu – Der Untote“. Letzterer Film erhielt dieses Jahr dennoch vier Nominierungen, die mich positiv überraschten. Aber allein die Tatsache, dass „The Substance“ nun mehrfach nominiert wurde, insbesondere in drei der vier großen Kategorien, stimmt mich sehr hoffnungsvoll für die Zukunft der Oscars.
Weitere diesjährige Oscar-Nominierungen seht ihr hier im Video:
Könnte „The Substance“ die Oscars revolutionieren?
Zwar gehe ich leider nur wenig davon aus, dass der Film in den Kategorien Beste Regie und Bester Film gewinnen wird, aber die Chancen für Demi Moore („Ghost – Nachricht von Sam“) stehen nicht schlecht: Bei den diesjährigen Golden Globes triumphierte sie in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin – Komödie oder Musical (ja, „Komödie“ trifft auf „The Substance“ als Horror-Satire durchaus zu) und während ihrer Dankesrede sagte sie etwas, an das ich seitdem oft denken muss und mich jetzt umso mehr hoffen lässt, dass sie auch mit einem Oscar für „The Substance“ ausgezeichnet wird:
„Vor dreißig Jahren sagte mir ein Produzent, ich sei eine Popcorn-Schauspielerin und damals habe ich das so interpretiert, dass mir bestimmte Dinge nicht erlaubt waren. Dass ich Filme machen konnte, die erfolgreich waren und viel Geld einspielten, die aber keine Anerkennung finden konnten. Und ich habe das geglaubt, ich habe es akzeptiert. Als ich an einem Tiefpunkt war kam ein magisches, mutiges, kühnes, völlig verrücktes Drehbuch namens ‚The Substance‘ auf meinen Schreibtisch und das Universum sagte mir: ‚Du bist noch nicht fertig.‘
In den Momenten, in denen wir denken, wir seien nicht klug genug, nicht schön genug, nicht schlank genug, nicht erfolgreich genug oder im Grunde einfach nicht genug, sagte eine Frau zu mir: ‚Du wirst nie genug sein, aber du kannst den Wert deines Selbst erkennen, wenn du den Maßstab beiseitelegst.‘ Ich feiere [diese Auszeichnung] als Meilenstein meiner Ganzheit, der Liebe, die mich antreibt und für das Geschenk, etwas zu tun, das ich liebe, und daran erinnert zu werden, dass ich dazugehöre.“
„The Substance“ ist viel mehr als nur ein herkömmlicher Horrorfilm: Der Film kritisiert gekonnt die absurden Schönheitsideale der heutigen Welt, insbesondere in der Unterhaltungsindustrie. Aufgrund ihrer bisherigen Karriere und ihres Stempels als „Popcorn-Schauspielerin“ denke ich, dass Demi Moore das Herzstück von „The Substance“ ist – ohne sie hätte er längst nicht so gut funktioniert. Deswegen würde ich ihr eine Auszeichnung von Herzen gönnen.
Auch wenn ich leider pessimistisch davon ausgehe, dass Fargeat nicht in der Kategorie Beste Regie ausgezeichnet wird, freue ich mich sehr zu sehen, dass eine Regisseurin im Horror-Genre solch renommierte Anerkennung findet. Kleiner „Fun“ Fact: Fargeat ist die neunte Regisseurin, die in der – ich wiederhole es bewusst noch einmal – fast 100-jährigen Geschichte der Oscars nominiert wurde. Somit sehe ich die Nominierungen von „The Substance“ nicht nur als Hoffnungssymbol für das Horror-Genre an, sondern auch für Frauen in der Filmindustrie. Ungeachtet dessen, wie „The Substance“ bei den Oscars abschneidet, könnte „The Substance“ wegweisend für die Zukunft der Filmpreisverleihung sein – und hoffentlich wird sich die Academy zukünftig weniger vor Horrorfilmen fürchten.
Inwiefern „The Substance“ bei den Oscars triumphiert, bleibt abzuwarten. Die Verleihung, welche hierzulande am 3. März um 0 Uhr beginnt, könnt ihr auf Joyn live streamen. In der Zwischenzeit könnt ihr „The Substance“ (noch einmal) auf MUBI und dem MUBI-Channel bei Prime Video sehen.
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