Qohen Leth hat nur einen Wunsch: Er will wissen, was der Sinn des Lebens ist. Nur deswegen bleibt er nächtelang wach und wartet auf einen Anruf von ganz oben. Dass er tagsüber zum Arbeiten das Haus verlassen muss, passt ihm gar nicht. Doch dann erhält Qohen einen Auftrag vom so genannten „Management“. Er soll nach dem „Zero Theorem“ suchen, einer Gleichung, die die Welt erklärt. Sollte ihm das gelingen, wird ihm der Sinn des Lebens verraten. Qohen ist begeistert und macht sich an die Arbeit. Doch dann passieren Dinge, die nicht in sein Weltbild passen. Er begegnet einem jungen Mann, der sich als Sohn von „Management“ herausstellt und bei Qohen einzieht. Und, ganz gegen seinen Willen, beginnt Qohen sich auch noch für eine junge Frau zu interessieren, die er nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Doch sein Kopf muss frei bleiben für die Suche nach dem Sinn des Lebens. Falls es den überhaupt gibt. Nach BRAZIL und TWELVE MONKEYS präsentiert der Regisseur und Künstler Terry Gilliam mit THE ZERO THEOREM seinen dritten Entwurf der Dystopie einer nicht allzu fernen Zukunft. Laut, überdreht und bunt ist die Welt, in der sich die Figuren bewegen, die entweder selbst total überdreht oder komplett desillusioniert durch eben jene Welt wandeln, in der sie sich voneinander und von sich selbst entfremden. Es ist eine Welt der kompletten Überwachung, der stumpfsinnigen und sinnfreien Beschäftigung, des medialen Overkills und der Kälte menschlicher Interaktionen über virtuelle Kanäle. Gilliam inszeniert all diese Themen, Motive und Fragen in einem fantasievollen und surreal anmutenden Setting. Quietschbunte Kostüme und Ausstattungen mischen sich mit Steam Punk-Elementen, eine Kirche dient als exzellent gewähltes Setting und vereint religiöse Motive mit Zeichen der Postmoderne. Und inmitten dieser Szenerie agiert Christoph Waltz überzeugend als Qohen, der anfangs ein klares Ziel definiert und dann Stück für Stück beginnt, das ganze System, dem er dient, zu hinterfragen. Terry Gilliam liefert mit THE ZERO THEOREM erneut ein faszinierendes Feuerwerk an Ideen ab, das anregt, herausfordert und in jeder Minute glänzend unterhält.
Jurybegründung:
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist die Grundlage dieses Films von Terry Gilliam. Der Zuschauer wird in die ganz besondere Welt des Regisseurs entführt. Dort gibt es tausende Wunderwesen, und die Normalität, wie wir sie aus anderen Realfilmen gewohnt sind, scheint abgeschafft. Alles ist bunt, extrem, bizarr, verwirrend. Inmitten dieser Welt treffen wir auf Qohen, gespielt von Christoph Waltz, der einen depressiven Arbeitssklaven in einer Welt voller anderer Arbeitssklaven darstellt. Alle Merkmale einer zutiefst verletzten Persönlichkeit vereinen sich in ihm. Qohen ist auf der Suche nach der mathematischen Formel, die den Sinn des Lebens beschreibt und er wartet auf einen Anruf, der sein Leben verändern wird. Er leidet unter Klaustrophobie, aber auch unter Akro- und Antropophobie und arbeitet am liebsten zuhause. Auch Demophobie und Berührungsängste gesellen sich zu seinen Problemen. Kurz: Er ist ein Wrack und sein Arbeitgeber, ein anonymer Großkonzern, betrachtet seine Forschungstätigkeit mit Argusaugen. Qohen gerät in Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn er nicht die ihm gestellten Aufgaben in immer kürzerer Zeit erfüllen kann. Erst als er durch eine virtuelle Begegnung mit einer verführerischen Frau verstehen lernt, dass er die Formel nicht finden wird, sondern sein Leben nur durch Freude und Liebe einen Sinn erhält, besinnt er sich und flieht.
Die Ausstattung und Besetzung dieses Films fordert das Auge und die Phantasie zu immer neuen Höchstleistungen heraus. Die Vielfalt und Üppigkeit des Dekors, der Kostüme und Settings gestalten sich teilweise anstrengend, bis zur Überforderung. Alles wahrzunehmen scheint ganz unmöglich, auch wenn sich Auftritte und Szenen wiederholen und ähneln. Dieser Anspruch, der alle Filme Gilliams auszeichnet, polarisiert die Rezipienten.
Die Geschichte, die Gilliam hier mit seinen besonderen Stilmitteln erzählt, ist so alt wie universell. Sie auf diese Art und Weise zu vermitteln, erscheint aber durchaus neu und besonders. Denn damit ist auch eine Frage und Kritik verbunden: Sind wir noch in der Lage, den Sinn des Lebens wahrzunehmen oder lassen wir uns ablenken durch unsere eigenen Ansprüche, unsere Forderungen und Verpflichtungen, durch unser Streben nach Geld, Macht und Ruhm? Dieser Film hat keine Gegenwart und keine Zukunft, er ist nicht im Hier und Jetzt verankert, sondern beschreibt ein eigenes Universum. Das Universum eines jeden Individuums und deswegen sieht es in seiner Welt auch genau so aus, wie es der Protagonist Qohen erlebt.
Der plakative Umgang Gilliams mit Dekor und Kostümen überzeugte die FBW-Jury mehrheitlich in seiner Qualität der Erzählung und Visualisierung und führte zur einstimmigen Bewertung mit dem Prädikat „wertvoll“.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)