Im Mittelpunkt des Films stehen Shiang-Chyi und Hsiao-Kang, Figuren, denen man nur schrittweise und auch nur teilweise näher kommt. Beide besitzen eine unverortete, gleichsam schwebende Existenz. Das Gebäude, in und vor dem sie ihr Leben bestreiten, gleicht einer Blase, in die sie sich zurückziehen, aus der sie aber auch nicht entkommen können, selbst wenn sie das wollten. Indem es Shiang-Chyi nicht gelingt, ihren Koffer zu öffnen, kommt sie nie wirklich an. Gleichzeitig, kann sie den Ort aber auch nicht verlassen. In einer Szene etwa trifft sie auf eine Doppelgängerin, die, wie sie, mit Schirm aber auch mit einem Koffer an ihr vorbeispaziert. Während es der anderen Frau gelingt, aus dem Bild zu laufen, bleibt Shiang-Chyi stehen, bevor sie den Bildrand erreicht.
Eine bleierne, erschöpfte Müdigkeit scheint auf den beiden Hauptfiguren zu lasten, als gelte für sie eine andere, viel stärkere Schwerkraft, die ihnen die letzte Kraft raubt und sie dicht am Boden hält. Endlos scheinen die Wege, die sie zurücklegen müssen, ohne dass sie dabei ihrem Ziel näher kommen würden. Diese Wirkung entsteht durch die immer wieder eingeschobenen langen Einstellungen. Die Kamera verfolgt nicht, sondern bleibt in der Totalen und lässt die Protagonisten selbst das Bild erkunden.
In den Beziehungen der Figuren ist auch Sprache nicht mehr nötig. In der Ruhe zwischen Shiang-Chyi und Hsiao-Kang liegt eine vertraute und entspannte Intimität. Kühl und zärtlich gleichermaßen, was in einem krassen Gegensatz steht zur Hitze und Gefühllosigkeit, den dominierenden Eindrücken des mechanisch-leidenschaftslosen Pornofilm-Alltags Hsiao-Kangs.
Die zwar expliziten aber keinesfalls pornografischen Szenen sind immer auch mit komischen Elementen verwoben, geradezu ironisch gebrochen, als würde sich der Film selbst ein wenig seiner Ernsthaftigkeit berauben wollen. Noch intensiver entsteht dieser Eindruck durch die immer wieder eingeschobenen, fröhlich-kitschigen Musical-Sequenzen. Sie ermöglichen den Figuren Gefühlsausbrüche, die ihnen der Film sonst nicht gestatten würde.
The Wayward Cloud ist ein Film, dem zumindest eines umgehend gelingt. Er teilt seine Zuschauer in zwei Hälften. Die einen, die ihn vergöttern und die anderen, die ihn verdammen. Letztere reagieren wohl mit Unverständnis auf die Mischung aus pornografisch anmutende Sexszenen, überraschenden und gewollt verkitschten Musical-Einschüben und betont langsamen Szenen. Es ist mit Sicherheit ein ungewöhnlicher Film, den uns Tsai Ming-Liang hier präsentiert. Doch einer, der seine eindrückliche und intensive Wirkung auf den Zuschauer nicht verfehlt. Zumindest dann nicht, wenn dieser bereit ist, sich auf ihn einzulassen.
Fazit: Ein intensiver und eindrücklicher Film, auf den man sich zuerst einlassen muss, damit er seine Wirkung entfalten kann.