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Toni Erdmann: Ein zu Witzen aufgelegter Vater versucht sich mittels seines Alter Egos seiner entfremdeten Tochter anzunähern.

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Handlung und Hintergrund

Winfried (Peter Simonischek) ist mit seinem 65 Jahren zwar bereits in die Jahre gekommen, aber im Herzen noch immer jung geblieben. Mit seinem ausgeprägten Sinn für Humor stößt er dabei bei seinem alten Hund auf Gegenliebe, aber ansonsten wird er, meist von seiner Tochter Ines (Sandra Hüller), mit Argwohn betrachtet. Ines steht voll im Leben und steigt mit rationalen Entscheidungen schnell die Karriereleiter auf. Als Unternehmensberaterin führt sie ihr Job nach Rumänien, wo sie sich in der Männerdomäne behaupten muss. Als der Hund verstirbt, möchte Winfried seine Tochter überraschen und macht sich auf nach Rumänien.

Dort angekommen denkt er zwar, er könne mit legerem Auftritt und Scherzgebiss Eindruck auf Ines‘ Arbeit schinden, stattdessen stößt er jedoch auf Ablehnung. Noch immer von 68er Gedankengut geprägt, kann er der Arbeitswut seiner Tochter nur wenig abgewinnen und kritisiert sie offen. Als der Eklat vor der Tür steht, kommt Winfried jedoch die alles rettende Idee. Als sein Alter Ego Toni Erdmann – im schlechten Anzug, Perücke und schiefen Zähnen – ist Winfried plötzlich noch wilder und zu noch mehr Scherzen aufgelegt – und denkt er kann seine Tochter von sich überzeugen. Überraschenderweise entdeckt Ines, dass die übertriebene Seite ihres Vaters auch eine Nähe entstehen lässt, die bereits verloren schien.

„Toni Erdmann“: Hintergrundinformationen

Nachdem die Regisseurin Maren Ade mit ihrem Drama „Alle Anderen“ auf der Berlinale 2009 große Erfolge feiern konnte und sogar für den Deutschen Filmpreis als beste Regisseurin nominiert wurde, feiert ihr nunmehr dritter Spielfilm auf den Cannes Filmfestspielen 2016 im Wettbewerb seine Weltpremiere. In den Hauptrollen spielen Peter Simonischek („Oktober November“) und Sandra Hüller („Finsterworld“) das entfremdende Vater-Tochter-Gespann.

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Die „Toni Erdmann“ gehört zu den erfolgreichsten deutschen Filmen der letzten Jahre. So war die Produktion sowohl bei der Oscarverleihung 2017 als auch bei den Golden Globe Awards als bester fremdsprachiger Film nominiert.

Abräumen konnte die Komödie jedoch vor allem im Inland. Beim Deutschen Filmpreis 2017 hat „Toni Erdmann“ insgesamt sechs Lolas abgeräumt. Ausgezeichnet wurde der Film unter anderem in den wichtigen Kategorien „Bester Spielfilm“, „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“. Die Hauptdarsteller Peter Simonischeck und Sandra Hüller wurden ebenfalls jeweils mit einer Lola für ihre Darbietung prämiert.

News und Stories

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Maren Ade
Produzent
  • Ada Solomon,
  • Janine Jackowski,
  • Jonas Dornbach,
  • Michel Merkt
Darsteller
  • Sandra Hüller,
  • Peter Simonischek,
  • Michael Wittenborn,
  • Thomas Loibl,
  • Trystan Pütter,
  • Hadewych Minis,
  • Lucy Russell,
  • Ingrid Bisu,
  • Vlad Ivanov,
  • Victoria Cocias,
  • Alexandru Papadopol,
  • Viktorija Malektorovych,
  • Ingrid Burkhard,
  • Jürg Löw,
  • Ruth Reinecke,
  • Nicolas Wackerbarth
Drehbuch
  • Maren Ade
Kamera
  • Patrick Orth
Schnitt
  • Heike Parplies
Casting
  • Nina Haun

Kritikerrezensionen

    1. Ines arbeitet für eine Unternehmensberatung in Bukarest, hat keine Familie, keinen festen Freund, klettert die Karriereleiter nach oben und hat ihr Leben unter Kontrolle. Glaubt sie. Denn eines Tages steht ihr Vater vor der Tür. Ein kurzer Überraschungsbesuch, der bald schon Ines Leben durcheinander bringt. Denn ihr Vater hat eine Ahnung, dass Ines hinter ihrer Fassade nicht so glücklich ist, wie sie tut. Und so setzt er sich eine wüst frisierte Perücke auf den Kopf, falsche Zähne in den Mund und verwandelt sich in „Toni Erdmann“. Als dieser stellt er sich bei Ines Kollegen und Vorgesetzten als Diplomat, Jet-Setter und Consultant vor und bringt Ines so aus der Fassung. Doch das muss ja nicht immer das Schlechteste sein. TONI ERDMANN von Maren Ade, verbindet kongenial und leichtfüßig die Skurrilität der Figuren und Situationen mit authentischen Dialogen und einem großartigen natürlichen Spiel der Darsteller. Die Lebenswelt von Ines ist eine Welt, in der Kontakte alles sind und große leere Worthülsen eine ehrliche Auseinandersetzung mit Gefühlen nicht zulassen. Ines Vater wirkt in dieser Welt wie ein Elefant im klinisch reinen und kalten Porzellanladen. Bei allem Humor, der sich aus diesen Konflikten ergibt, lebt der Film auch von seinen stillen melancholischen Momenten, die so intensiv gefühlvoll von Sandra Hüller und Peter Simonischek gespielt werden, dass man als Zuschauer schnell ein Teil dieser fragilen Beziehung zwischen Vater und Tochter wird. Peter Simonischek ist großartig in der Titelrolle und schafft den Spagat zwischen dem wüsten wirren und häufig übertrieben lustig agierenden Alter Ego Toni und seinem wahren Ich als besorgter Vater, der möchte, dass seine Tochter befreit wird aus ihrem Käfig der Kälte und Emotionslosigkeit. Und Sandra Hüller stellt ihre Klasse als Darstellerin unter Beweis, indem sie in Ines ganz subtil den inneren Konflikt einer Frau zwischen antrainierter Härte und innerer Fragilität spürbar macht. Nie gelingt das besser als in einer der zentralen Schlüsselszenen des Films, in der ein Liedtext alles verrät, was diese Frau nicht laut sagen kann. Die Dialoge wirken ungekünstelt, authentisch lebensnah, der Humor ist schwarz, beißend, entlarvend, vor allem der Blick auf die harte und oberflächliche Business-Welt wirkt im wahrsten Sinne des Wortes entblößend. Eine große und anhaltende Erzählspannung gelingt auch durch die exzellente Handkameraführung von Patrick Orth. Die Kamera verlässt die Gesichter fast nie, ist nah bei ihnen, fängt auch unangenehme Momente ein und hält den Zuschauer in der Situation fest. TONI ERDMANN ist ein Film, der die Balance zwischen schreiend komischen Szenen und berührend emotionalen Sequenzen meisterlich hält und austariert. Ein Film, der nicht nur Ines auffordert, das Leben wieder zu lieben und zu spüren. Mit allem, was gut- und wehtut. Mehr als ein Glücksfall für das deutsche Kino. Ein Meisterwerk.

      Jurybegründung:

      Winfried, pensionierter Musiklehrer mit Hang zu skurrilen Scherzen, lebt allein mit seinem alten Hund in der deutschen Provinz. Seine Tochter Ines hat es in die große Welt geschafft. Als erfolgreiche Unternehmensberaterin arbeitet sie in Bukarest, demnächst vielleicht in Shanghai. Sie sehen sich selten. Zu sagen haben sie sich nicht viel, denn auch bei ihren seltenen Treffen hängt Ines nur am Telefon. Winfried fragt sich, ob sie wirklich glücklich ist. Und nachdem sein Hund gestorben und sein letzter Musikschüler ihn verlassen hat, beschließt er, nach dem Rechten zu sehen und seine Tochter in Bukarest mit einem Besuch zu überraschen. Aber auch hier wimmelt Ines ihn ständig ab oder schleppt ihn widerwillig mit zu Geschäftsterminen. Der Besuch ist ein einziges Missverständnis, ein Glück, dass Winfried nach dem Wochenende wieder abreist - allerdings nur, um als sein Alter Ego Toni Erdmann sogleich wieder aufzutauchen. Mit hervorstehendem Gebiss und wilder schwarzer Perücke mischt er sich hartnäckig und nonchalant in das Geschäfts- und Privatleben seiner Tochter ein und bringt mit seiner unberechenbaren Art und seinem Charisma die Verhältnisse zum Tanzen.

      Die Jury fragte sich zunächst, wie sie unbefangen einen Film bewerten solle, der mit so viel Lob und Erwartungen befrachtet sei, von dem man so viel gehört, gelesen und (zumindest in Ausschnitten) gesehen habe, wie bei TONI ERDMANN. Aber schnell weichen die Bedenken einer einhelliger Begeisterung: Jurymitglieder, die den Film zum ersten Mal gesehen haben, fühlen sich in ihren Erwartungen nicht enttäuscht, und Jurymitglieder, die ihn zum zweiten Mal gesehen haben, fühlen sich bestätigt und sind erfreut, dass sie beim zweiten Mal auf andere Dinge geachtet und neue Sichtweisen gewonnen haben. Standen bei der ersten Sichtung (und auch in der Vorab-Berichterstattung) eher die skurrilen Figuren und Situationen im Mittelpunkt, so konzentrierte sich der Blick beim zweiten Mal stärker auf die emotionalen und gesellschaftskritischen Elemente. Trotz der beachtlichen Länge von 162 Minuten und der ungewöhnlichen Erzählweise, die gängigen dramaturgischen Erwartungen widerspricht, hat sich die Jury keinen Moment gelangweilt und ist beeindruckt von der Kompromisslosigkeit der Regisseurin Maren Ade und ihrem Wagemut, dem Publikum mehr als normal zuzumuten.

      Die Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit ist gut gehalten in einer Tragikomödie mit melancholischem Unterton um einen Vater, der fintenreich darum kämpft, den emotionalen Zugang zu seiner Tochter wieder herzustellen, und einer Tochter, die sich mit allen Mitteln gegen den Kontrollverlust wehrt. Je heftiger sich ihr Schlagabtausch gestaltet, desto näher kommen sie sich. Je haariger der Vater mit Zottelperücke und traditionellem Kukeri-Kostüm daher kommt, desto mehr wird die Tochter entblättert - bis hin zur völligen Nacktheit. Das gereicht ihr aber nicht zum Nachteil, denn das Erstaunliche an diesem Film ist, dass keine Figur diskreditiert wird. Der Vater ist peinlich, die Tochter ist nervig, aber in gewisser Weise teilen sie einen Sinn für Humor und eine trotzige Widerständigkeit. So besteht eine Bindung zwischen ihnen, die über das offene Ende hinaus hoffen lässt.

      Gleichzeitig erlaubt der Film einen kritischen Blick hinter die Kulissen des globalen Consulting-Gewerbes. Während der erste Teil in der abgeschotteten, künstlichen Welt der Hotel- und Firmenkomplexe spielt, deren Protagonisten sich in Taxis zwischen Empfängen und Wellness-Centern bewegen, wird er im zweiten Teil dokumentarischer und führt hinaus ins wirkliche Leben. Beim Ausflug aufs Land und der Begegnung mit Menschen, die von den Umstrukturierungen durch Ines‘ Firma betroffen sein werden, aber auch beim Besuch der gutbürgerlichen Großfamilie, die Vater und Tochter an ihren Ostervorbereitungen teilhaben lässt, öffnet er sich der rumänischen Realität. Das entspricht der Intention des Vaters, die Tochter aus ihrer Scheinwelt zu befreien und (wieder) das wahre Leben spüren zu lassen.

      Der Film ist eine beeindruckende schauspielerische Tour de Force von Sandra Hüller und Peter Simonischek, präzise konzipiert und inszeniert von Maren Ade mit einer Kamera, die dicht an den Protagonisten ist und einem Schnitt, der einen Moment länger als notwendig auf ihren Gesichtern verharrt und Emotionen und Irritationen nachwirken lässt. TONI ERDMANN ist ein Film, über den man Tränen lachen kann und der gleichzeitig viele Aspekte bietet, über die man nachdenken kann. Es ist ein Film für ein entdeckungsfreudiges Publikum, das Lust hat, auf allerlei Abwege und Umwege geführt zu werden und sich dabei immer wieder überraschen zu lassen.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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