Gut angezogene Frauen kommen häufig vor bei Haruki Murakami, dem Autor von Bestsellern wie Mister Aufziehvogel und Naokos Lächeln, und werden in der dem Film zugrundeliegenden gleichnamigen Erzählung, die in der deutschen Übersetzung erstmals Ende Mai beim Dumont-Verlag erscheint, nun zum Thema gemacht. Ich habe das Gefühl, dass die Kleidung das ausgleicht, was in meinem Innersten fehlt sagt Eiko und charakterisiert damit die innere Leere, welche die grauen, blanken Räume des Films bestimmt, in denen etwas Unbennenbares zu fehlen scheint. Für Tony wird diese Leere durch Eiko verdrängt und kehrt mit ihrem Verlust größer denn je zurück, verbildlicht in dem leeren Raum, den zuvor ihre Kleider füllten.
Eine ruhige, weiche Erzählerstimme führt in einem Voice-over durch den Film. Der Erzählstil der Textvorlage wird wortgenau beibehalten. Die filmischen Szenen dienen der bloßen Illustration der Geschichte, sind die Lesung anreichernde symbolische Impressionen, die nicht die Erzählung vorantreiben, sondern die Atmosphäre vertiefen. Der Film ist eine Hommage an das gedruckte Wort, ohne überraschenderweise an filmischer Kraft einzubüßen.
Zu Beginn des Films wird in einer langen Einleitung die Geschichte des Vaters und Tonys Kindheit in einer Art Diashow zusammengefasst, die sich für den Stil des Films symptomatisch zeigt, wo die einzelnen Filmszenen so still und unbeweglich arrangiert sind wie Fotographien. Die einzelnen Impressionen werden durch Kamerafahrten von links nach rechts in einem konstanten, musikalischen Rhythmus miteinander verbunden, der an das Umblättern von Seiten erinnert und die Idee des Buches und somit das Artifizielle der Handlung immer präsent hält.
Es wird eine Distanz aufgebaut zwischen Zuschauer und Geschehen, und ganz im Sinne des Brechtschen Verfremdungs-Effekts kommentieren die Charaktere sich selbst, indem sie die Sätze des Erzählers beenden und so die Handlung unterbrechen. Wenn die Filmfiguren überhaupt sprechen, dann meist zum Zuschauer und nicht zum Dialogpartner. Über das Fehlen von direkten Dialogen wird die zwischenmenschliche Kommunikation problematisiert, ganz im Sinne Murakamis, dessen größtes Thema auch in Tony Takitani wieder die Einsamkeit ist. Die Isolation der Charaktere wird im Film auch über die Räume vermittelt, die als Konstrukte erkennbar sind und wie Theaterkulissen wirken, die vereinzelt am Rande der Stadt im Grünen stehen.
Verfremdende Wirkung hat auch die Verkörperung beider Hauptdarsteller von gleich zwei Charakteren des Films. So spielt Issey Ogata Tony sowie seinen Vater und Rie Miyazawa Eiko sowie das Mädchen Hisako, das nach deren Verschwinden in Erscheinung tritt.
In seinen reduzierten Bildern, die auf die Konstruiertheit der Geschichte aufmerksam machen, in der Kulissenhaftigkeit der Ausstattung und der kommentierenden Erzählerstimme erinnert Tony Takitani an Lars von Triers meisterliches Theatral-Film-Werk Dogville. Doch fehlt dem offenen Ende im Gegensatz zu Dogville die Moral, wird der V-Effekt umgedacht, geht es mehr um Atmosphärenerzeugung, um die Verbildlichung eines Gefühls, als um Belehrung.
Der Film wirkt wie mit einer hellgrauen Schicht überzogen, zum einen durch die high-key Beleuchtung, zum anderen durch eine Farbreduzierung der Bilder und auch durch häufig verwendete extreme Untersichten, die dem weiß-grauen, leeren Himmel den größten Teil des Bildes einräumen.
Die fabelhafte Musik des zahlreich ausgezeichneten Komponisten Ryuichi Sakamoto verschmilzt die stillen Bilder zu einem sanften, geraden Fluss, kalt vor Einsamkeit, in den sich mit Eikos Auftauchen kurzzeitig ein warmes Rinnsal mischt, das am Ende doch wieder im großen Strom verloren geht.
Fazit: Filmische Lesung der Kurzgeschichte einer japanischen Literaturikone, die mit stillem Charme und fesselnder Musik besticht.