Alles beginnt mit einer Geldbörse. Der 14-jährige Raphael findet sie auf einem Müllberg vor den Toren Rio de Janeiros. In der Börse befindet sich Geld, ein Lotterieschein, Bilder von einem kleinen Mädchen und ein komischer Schlüssel. Raphael zeigt seinem Freund Gardo seinen Fund. Die beiden Jungs beschließen, sich zusammen mit dem befreundeten „Ratte“ auf Spurensuche zu begeben, raus aus ihrer Favela, mitten rein in den Großstadttrubel von Rio. Lange sind sie dabei nicht allein. Von der Polizei gesucht, müssen sich die Jungs so einiges einfallen lassen, um ihren Verfolgern immer einen Schritt voraus zu sein. Stephen Daldrys neuer Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Andy Mulligan. Konsequent und eindrücklich gelingt es dem Film, die Perspektive der Kinder einzunehmen. Die Kamera befindet sich stets auf Augenhöhe und folgt ihnen scheinbar mühelos bei den rasanten Verfolgungsjagden in und auf den Häuserschluchten Rio de Janeiros. Dass bei all der Schnelligkeit und der anhaltenden Spannung auch das Gefühlvolle an die Oberfläche tritt, ist Daldrys sicherer Regieführung und dem komplex gestalteten Drehbuch von Richard Curtis zu verdanken. Immer wieder macht die Geschichte bewusst, dass die jugendlichen Helden eben keine Actionhelden sind, sondern (noch) Kinder, denen der harte Alltag in den Armenvierteln dennoch nicht ihre Unschuld und ihren Glauben an das Gute nehmen konnte. Dass die Polizei und der Staat korrupt agieren, ist eine traurige Wahrheit, die der Zuschauer bereits aus anderen Medien her kennt. Doch dass drei Jungs es sich zum Ziel gesetzt haben, dagegen zu kämpfen, mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, das ist eine Botschaft, die so schön, eindrucksvoll und fast schon märchenhaft nur das Kino vermitteln kann. Starke Bilder, ein stimmungsvoller Soundtrack und faszinierend natürlich agierende junge Hauptdarsteller, die von hochkarätigen Nebendarstellern wie Martin Sheen und Rooney Mara unterstützt werden, zeichnen den Film aus. In seiner überzeugenden Mischung ist TRASH als Drama und Abenteuerfilm in jeder Minute ergreifend und bis zur letzten Minute spannend.
Jurybegründung:
Müll - davon leben die Bewohner in den Favelas auf der riesigen Müllkippe in Rio de Janeiro und sie werden meist auch so behandelt. Der Film steigt rasant in sein Thema ein. Wir treffen die drei Jungen Raphael, Gardo und Rato, die ihr Leben dort verbringen und ab und zu in der Sozialstation bei Pater Juilliard und der Sozialhelferin Olivia vorbeischauen, um etwas zu essen und ein wenig Sicherheit zu erhalten. Eines Tages stößt Raphael beim Durchwühlen einer Ladung Müll auf eine Brieftasche, die ein Geheimnis zu enthalten scheint. Als die Polizei nach eben dieser Brieftasche sucht, sind sich die drei Jungen sicher, dass sie ein gefährliches Rätsel lösen müssen.
In einer Mischung aus Thriller und Abenteuerfilm inszeniert Regisseur Stephen Daldry den Film nach dem Roman von Andrew Mulligan und aktualisiert ihn angemessen. Mit schnellen Schnitten und einer genialen Kamera wird der Zuschauer in die Szene hineingezogen. Durch die stimmige Inszenierung und Dramaturgie des Films wird der Einstieg ins Thema gesetzt. Immer einen Schritt vor den Jungs erfährt das Publikum Einzelheiten, die diese noch erkunden müssen. Damit wird Spannung erzeugt, die Identifikation und Empathie mit den drei Jungen verstärkt sich. Ihre archaische Haltung gegenüber Geld und Macht, besonders die Haltung Raphaels, der sich den Verlockungen einer Belohnung entzieht und spürt, dass es hier um ein „großes Ding“ geht, macht ihn zum charakterfesten Helden, der die Erfahrungen seines jungen Lebens einzusetzen weiß.
Die sympathisch gezeichneten Hauptdarsteller tragen diesen Ensemblefilm mit großer Souveränität. Ihre Cleverness, Ausdauer und Solidarität begleiten sie durch alle Gefahren, wenn auch manchmal die Rettung in letzter Minute kommt und niemals garantiert scheint.
Durch die Wahl der begrenzten Schauplätze entsteht ein faszinierender Sog, der gefangen nimmt und den Fokus ganz auf die Erlebnisse der drei Jungen legt. Dem Setting kommt dabei eine besondere Rolle zu. Niemals wirkt es künstlich oder nur für den Film gebaut, diese Wirkung trägt den Film und verleiht ihm große Glaubwürdigkeit. Sobald die Szenerie in die Welt der Reichen wechselt, ist dies auch durch eine kühlere Temperatur in den Farben erkennbar, während die Jungs „im Feuer stehen“, geht es in den Villen sachlich meist um Geld. Gefühle leistet sich hier keiner.
Die poetischen Szenen des Films zum Showdown hin stehen den manchmal brutalen und blutigen Szenen gegenüber und machen seine Geschichte glaubwürdig. Der Regisseur Stephen Daldry, der bereits in früheren Filmen sein großes Können und Geschick beim Einsatz von jungen Darstellern gezeigt hat, findet auch hier wieder eine gelungene Besetzung für alle Rollen.
Insgesamt zeigt der Film eine großartige Performance und Komposition aller Beteiligten, ob Darsteller, Drehbuch, Kamera, Schnitt, Ausstattung, Musik. Alles kommt zusammen in einer Inszenierung, die begeistert.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)