Spätestens seit Cristian Mungius Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage von 2006 wird das rumänische Kino international stärker wahrgenommen. So gelangte Radu Munteans vierter Spielfilm 2010 in die Un Certain Regard-Reihe von Cannes. Wie bei zahlreichen Werken der Neuen rumänischen Welle, etwa Polizei, Adjektiv, muss man sich bei der Chronik einer Ehekrise, die mitunter an Ingmar Bergmans sezierenden Blick erinnert, an den getragenen Erzählrhythmus, lange Einstellungen und den weitgehenden Verzicht auf Musikeinsatz einstellen, wobei die Alltagsstudie im Gegensatz zu ähnlichen Arbeiten eher dialogreich ausfiel. Stets bewegt sich die Kamera nur, wenn es auch die Protagonisten tun. Damit wird ein distanzierter Tonfall etabliert, der keine Position einer bestimmten Figur einnimmt und einer neutralen Zustandsbeschreibung folgt.
Nur allmählich enthüllt Muntean die Zusammenhänge. In der ersten, acht Minuten langen Plansequenz beobachtet er Raluca und Paul bei neckender Zweisamkeit nach dem Liebesakt im Bett. Erst in der zweiten Sequenz wird deutlich, dass die beiden ein heimliches Liebespaar sind, als sich Paul und seine Frau Adriana beim Kauf eines Snowboards für ihre zehnjährige Tochter leichte Kontroversen liefern. Schon stellt die Geliebte bei den wöchentlichen Treffen erst Ansprüche, wenn sie etwa Paul das Rauchen bis spätestens Weihnachten abzugewöhnen versucht. Adriana, bei Stresssituationen selbst gleich zur Zigarette greifend, käme dies nicht in den Sinn. Dass Ralucas Mutter Kenntnis von der Beziehung ihrer Tochter zu einem verheiraten Mann hat und dies missbilligend zu Kenntnis nimmt, offenbart sich bei einem unangemeldeten Besuch Pauls in der Wohnung der Dentalhygienikerin. Einmal mehr sieht sich der Banker unausgesprochen zu einer (Neu-)Positionierung seiner Lage genötigt.
So speisen sich die Nuancen der Dreiecksgeschichte letztlich aus zahlreichen Details und kleinen Gesten. Wenn Adriana dem (Noch-)Gatten beim Weihnachtsfest heimlich-beiläufig ihr Geschenk für die Tochter zusteckt, damit er es unter den Christbaum legen kann, oder zuvor bei einer Fußmassage, drückt sich in wenigen Bildern die eingespielte Zweisamkeit und traute Routine einer zehnjährigen Ehe aus. Daher ist das ruhig entwickelte Charakterdrama nicht auf die große Katastrophe angelegt, was nicht zum beschreibenden Inszenierungsstil gepasst hätte.
Als Paul den Druck nicht mehr aushält und Adriana seinen Seitensprung gesteht, reagiert diese mit erwartbaren Emotionen zwischen Enttäuschung, Wut und Verachtung, doch es läuft letztlich auf ein bitteres Arrangement hinaus. Dass er damit auf Dauer nicht wirklich glücklich werden kann, macht das Ende deutlich, als Raluca zu diesem Zeitpunkt weitgehend aus dem Blickfeld verschwunden ist und Muntean sich auf den Ehezwist konzentriert. Wenn Paul in Ralucas Wohnung keinen Platz für seine Kleidung findet, verdeutlicht diese vergebliche Suche sein momentan mangelndes Arrangement mit der neuen Situation. Die Dreieckskonstellation bietet den Darstellern reichlich Gelegenheit für nuancenreiches Spiel, doch erst muss man sich auf die strenge Form der langsamen Inszenierung einstellen.
Fazit: Ein inhaltlich zwar bewährtes, aber subtiles und genau komponiertes Porträt einer Midlife- und Ehekrise, nicht ohne anstrengende Momente.