Laura hat es nicht mehr ausgehalten. Nachdem ein Video von ihr im Netz kursierte, was sie betrunken und in desaströsem Zustand zeigte, wurde sie so lange in den sozialen Netzwerken gemobbt und gequält, bis sie sich auf tragische Weise das Leben nahm. Das ist nun genau ein Jahr her. Als Lauras beste Freundin Blair vor ihrem Rechner sitzt und darüber mit Freunden chattet, klinkt sich auf einmal jemand in den Chat ein. Es ist ein unbekannter Teilnehmer, ein „unknown user“. Alle sind irritiert, keiner weiß, woher er oder sie kommt. Doch dann findet Blair heraus, dass jemand Lauras Account gehackt hat. Und wer auch immer der unbekannte Teilnehmer auch ist: Er will ein Spiel spielen. Und wer überleben will, sollte besser seine Regeln befolgen. Schon die visuelle Prämisse von UNKNOWN USER ist reizvoll. Der Film nimmt die Perspektive von sechs Webcams ein und verlässt diese nie. Ausgangspunkt ist Blairs Bildschirm, von dem der Zuschauer aus auch den Zugriff auf alle sozialen Netzwerke und diversen Spielzeuge des Web 2.0 erhält und nach und nach miterlebt, wie Blairs Rechner vom unbekannten Teilnehmer „gesteuert“ wird. Der Horror schleicht sich nach und nach in die Handlung und in die Gespräche der Freunde. Zunächst ist die Stimmung heiter, doch immer stärker wird mit kleinen und großen Schockmomenten gespielt, immer hektischer wird es auf der Tonebene und immer unmittelbarer wird der Zuschauer in den Sog der Ereignisse gezogen. Am Ende sind nicht mehr viele Teilnehmer des Chats übrig und das Spiel des Unknown User wird immer böser und brutaler. Die Darstellung der drastischen Gewalt wird lediglich in kurzen Einstellungen angedeutet, viel mehr entsteht das Entsetzen im Kopf des Zuschauers, der bis zum schockierenden Schlusstwist nicht wissen kann, wer wirklich hinter Lauras Account steckt. UNKNOWN USER ist ein überzeugender, in seinem Genre konsequent durchkomponierter Horrorfilm, der perfekt die Erlebniswelt der sozialen Medien mit all ihren Spielarten und Gefahren widerspiegelt. Und der den Zuschauer von der ersten Minute an mitnimmt auf einen wilden Trip, für den man gute Nerven braucht. Und am besten ein gesichertes Netzwerk.
Jurybegründung:
Im Internet entstandene mediale Formen, seien sie ästhetischer oder kommunikativer Art, wirken sich schon lange auf filmische Erzählungen aus. Mittlerweile beeinflussen sie aber auch die Filmsprache, also die Art und Weise, wie erzählt wird. Dies zeigt sich in Lewan Gabriadzes Horrorfilm UNKNOWN USER.
Ein Freundeskreis chattet per Skype, als sich plötzlich ein unbekannter User einschaltet. Der verwendete Account ist der von Laura Barns, einer Mitschülerin, die vor einiger Zeit Opfer von Cyberbullying wurde und Selbstmord beging. Als der Unbekannte provokante Fragen zum Tod von Laura zu stellen beginnt, denken alle noch, dass sich jemand unter ihnen befindet, der sich einen Scherz erlaubt. Doch dann wird klar, dass jemand den Freundeskreis unerbittlich mit der Wahrheit konfrontieren will und auch nicht davor zurückschreckt, Gewalt anzuwenden.
Das Geschehen des Films spielt sich ausschließlich auf dem Display des Laptops von Blaire, der Hauptfigur des Films, ab. Der Film weist damit auch keinen Schnitt im üblichen Sinn auf. Die Schnitte entstehen durch die Wechsel zwischen den Social-Media-Plattformen. Die Multimedialität des Internets wird optimal genutzt. Plattformen wie Facebook, YouTube und Skype werden geschickt in die Filmstruktur integriert. Die Erzählung selbst trifft mit dem exzessiven Benutzen von Social Media den Nerv einer Generation, die auch als „Digital Natives“ bezeichnet wird. Mit dem Aufgreifen von Cyberbullying wird eine Schattenseite der neuen Kommunikationsmöglichkeiten thematisiert. Dieses Thema mit den Mitteln des Horrorfilms zu verarbeiten, ist eine interessante Wahl. Größtenteils gelingt dies dem Film auch. Er ist dramaturgisch gut aufgebaut, die Spannung wird bis zum Schluss aufrechterhalten. Immer neue Informationen, neue Videos treten zutage, die beweisen, dass die Peer-Group, die wir in Skype-Bildern sehen, alle Geheimnisse voreinander haben und ziemlich verlogen sind. Die Dialoge und die Chat-Einträge sind gut geschrieben und vermitteln (auch in der deutschen Fassung) einen authentischen Eindruck der Sprachverwendung der dargestellten Generation. Diese Authentizität wird durch das intensive, räumlich sehr begrenzte Spiel der weitestgehend unbekannten Schauspieler unterstützt. Uneins war sich die Jury hinsichtlich der Art und Weise, wie das Horrorgenre eingesetzt wird. Einerseits wurde kritisiert, dass der Film allzu sehr bestimmte Konventionen des Horrorfilms bediene und es damit an der Originalität vermissen ließe, die die Filmsprache doch aufweist. Andererseits wurde die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise betont, wenn der Film denn ein Genrefilm sein soll. Beide Positionen sind nachvollziehbar. Die Wahl der Survival-Horror-Dramaturgie, die der Film lange Zeit ausspart, ist letztlich doch konsequent, handelt es sich doch vor allem um eine Genrebezeichnung, die bei Computerspielen Verwendung findet. Damit bleibt der Film innerhalb des medialen Rahmens. Denn es ist ein schreckliches und tödliches Spiel, das der „Unknown User“ mit den Protagonisten treibt.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)