Dänemark, 1945. Der Krieg ist vorbei, die Deutschen sind besiegt und werden aus dem Land gejagt. Doch neben dem Grauen und dem Elend der Besatzung bleibt noch etwas anderes an Dänemarks Küsten zurück. 2,2 Millionen Landminen, die die Nazis an der Nordseeküste vergraben haben. Mehrere Gruppen junger Soldaten werden vom dänischen Militär beordert, im Sand nach den Minen zu graben und sie zu entschärfen. Für die dänische Seite ist dies nur eine logische Form der Wiedergutmachung. Für die jungen Männer, die oft noch Kinder sind, ist dies ein Himmelfahrtskommando, für das viele mit ihrem Leben bezahlen. Der Regisseur Martin Zandvliet erzählt in seinem Film UNTER DEM SAND von einem dunklen Kapitel der deutsch-dänischen Nachkriegsgeschichte. Dabei wählt er die Perspektive der jungen deutschen Soldaten, die neben dem Trauma der Kriegserlebnisse sich nun der erneuten Todesgefahr durch die Minen stellen müssen. Der Film zeigt dabei schonungslos und spannungsvoll die Arbeit am Strand, und lässt dabei den Zuschauer in der stetigen Ungewissheit, welche der Figuren diese Zeit überleben wird. Doch trotz dieser gewaltigen und existenziellen Erzählebene vergisst Zandvliet nie die kleinen zwischenmenschlichen Geschichten. Verlassen kann er sich dabei auf ein großartiges Ensemble an Jungschauspielern wie etwa Louis Hofmann Joel Basman und Leon Seidel, die von den dänischen Charakterdarstellern Roland Møller und Mikkel Boe Følsgaard perfekt ergänzt werden. Der Film vermeidet es, für eine Seite oder ein Land Partei zu ergreifen. Die Figuren sind nicht schwarz und weiß gezeichnet, es gibt viele Ambivalenzen, aber keine eindeutige Zuordnung von Gut oder Böse. Wenn überhaupt, das wird auch am Ende sehr deutlich, ergreift UNTER DEM SAND Partei für die Menschlichkeit. Und für den respektvollen und menschenwürdigen Umgang miteinander. Über alle Grenzen und Konflikte hinweg. Eine Botschaft, die den Film über die Maße auszeichnet. UNTER DEM SAND ist ein fantastisch fotografierter, spannend erzählter und klug reflektierender Film über den Krieg, dem es gelingt, nach all den Filmen über den Zweiten Weltkrieg noch ein neues wichtiges und erzählenswertes Kapitel hinzuzufügen.
Jurybegründung:
Es gibt immer noch wahre Geschichten über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen, die kaum bekannt sind und die es wert sind, erzählt zu werden. Etwa jene von den deutschen Kriegsgefangenen, die kurz nach Kriegsende nach Dänemark beordert wurden, um dort an den Küsten die über 2,2 Millionen Granaten wegzuräumen, mit denen die deutschen Besatzer die dänische Küste vermint hatten. Die meisten von ihnen gehörten zum Landsturm, also dem letzten Aufgebot des deutschen Heers. Viele von ihnen waren noch sehr jung und ohne jede militärische Ausbildung - heute würde man sie als Kindersoldaten bezeichnen. Martin Zandvliet erzählt in UNTER DEM SAND von solch einem Trupp junger Männer, für die der Einsatz an der dänischen Nordseeküste sich als ein Himmelfahrtskommando entpuppt. Zum einen ist die Arbeit extrem gefährlich, denn jede einzelne im Sand vergrabene Mine muss gefunden, vorsichtig ausgegraben, entschärft und abtransportiert werden. Und bei jedem dieser Arbeitsschritte kann sie mit unausweichlich tödlichen Folgen explodieren. Zandvliet zeigt über lange Passagen detailliert und in langen Einstellungen die deutschen Protagonisten bei der Arbeit am Strand. Und er entwickelt mit diesen im Grund einfachen dramaturgischen Mitteln eine enorme Spannung, denn jede Bewegung kann tödlich sein und die Sequenzen sind so geschickt inszeniert, dass jede Katastrophe wieder neu schockiert und der Zuschauer unmöglich vorhersehen kann, welche und wie viele von den jungen Männern schließlich überleben werden. In diesem Sinne ist dies ein perfekt gebauter Thriller in der Tradition von LOHN DER ANGST, in dem angesichts der Gefahr und der Angst jeder der Protagonisten sein wahres Gesicht enthüllen wird. Dadurch bekommt der Film eine manchmal erstaunliche existentielle Tiefe, und das Ensemble von jungen deutschen Schauspielern, zu denen etwa Lois Hofmann und Leon Seidel gehören, spielt mit einer Intensität und Natürlichkeit, durch die das Publikum schnell eine beachtliche Empathie für sie entwickelt. Auf einer anderen Ebene wird hier auch vom Verhältnis erzählt, das die Dänen zu jener Zeit zu den Deutschen hatten. Diese waren verhasst, und nach dem Krieg kam es zu Vergeltungsaktionen, unter denen auch die jungen Deutschen am Strand leiden. Der Film wechselt ständig zwischen ihrer Perspektive und der eines dänischen Feldwebels, unter dessen Kommando sie stehen, und der zum Beginn des Films aus ein Mann voller Hass auf die deutschen Soldaten vorgestellt wird, der einige von ihnen voller Zorn und ohne jeden Anlass zusammenschlägt. Der zweite dramaturgische Bogen des Films beschreibt, wie dieser Mann die Deutschen zuerst malträtiert, aber mit der Zeit immer mehr zu ihrem väterlichen Beschützer wird. Er verhindert, dass sie missbraucht, ausgehungert und vergiftet werden und schließlich opfert er sich für sie auf, um sie in die Freiheit zu führen, die ihnen versprochen, um die sie aber betrogen wurden. Roland Moller gelingt es in dieser Rolle, einen Soldaten zu verkörpern, der sich vor den Augen der Zuschauer langsam aus der Erstarrung seines Kriegstraumas löst und so exemplarisch für einen Prozess der Heilung und Versöhnung steht. In diesem Sinne ist UNTER DEM SAND zugleich ein spannendes Drama und ein universelle, humanistische Parabel.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)