FBW-Pressetext:
Die serbisch-französische Koproduktion erzählt die Geschichte eines Vaters, dem die gesamte Grundlage seiner Existenz geraubt wird. Als seine Kinder zu Pflegefamilien kommen sollen, unternimmt er einen Protestmarsch in die Hauptstadt, um für seine Familie zu kämpfen. Ein starker Film, der durch die Langsamkeit der Erzählung und die Konzentration auf die Figuren einen kraftvollen Sog entwickelt.
Während seines Kampfs gegen Windmühlen und um ein bisschen Normalität nordet die dokumentarisch anmutende Geschichte (Regie und Buch: Srdan Golubovi?) die Figur des Vaters immer wieder neu ein. Der Zuschauer begleitet den verzweifelten Mann auf seiner Reise und bei seinen teils beiläufigen, teils schicksalhaften Begegnungen. Die exzellente Kamera und der ruhige Schnitt erwecken einen kraftvollen Sog, der den Zuschauer trotz der Eintönigkeit des trostlosen Settings immer mehr in seinen Bann zieht. Im Spannungsverhältnis zwischen Ausweglosigkeit und Hoffnungsschimmer entwickelt VATER eine große Authentizität. In den Figuren und ihrem Verhalten spiegelt sich das ganze Spektrum der Gesellschaft. Und genau das macht den Film, der auf der Berlinale 2020 sowohl den Preis der Ökumenischen Jury als auch den Panorama-Publikumspreis erhalten hat, zu einem wichtigen und hochaktuellen gesellschaftspolitischen Kommentar.
FBW-Jury-Begründung:
Eine Frau versucht sich umzubringen - mitten auf dem Marktplatz eines serbischen Dorfs übergießt sie sich und ihre Kinder mit Benzin und zündet sich an. Es ist ein Protest gegen die Entlassung ihres Mannes, der dabei um seinen Lohn geprellt wurde. Während sie in der Klinik landet, werden ihrem Mann Nikola die Kinder weggenommen. Die sich zuständig erklärenden Behörden erklären, sein Haushalt - ohne Strom und ohne Warmwasser - sei zu arm, um Kinder zu erziehen. Man bringt die Kinder gegen Nikolas erklärten Willen bei einer Pflegefamilie unter. Doch auch als der Vater alles dafür tut, seinen armseligen Haushalt gepflegter und „kindgerechter“ einzurichten, verweigert man ihm die Rückkehr des eigenen Nachwuchses. Durch unnötige, der reinen Obstruktion dienende bürokratische Manöver macht man es ihm dazu noch schwer bis unmöglich, seine Kinder überhaupt zu sehen. Nikola möchte protestieren - doch was kann ein armer Mann wie er tun, um Aufmerksamkeit zu erregen? Er beschließt nach Belgrad zum Ministerium zu gehen, und da er keinerlei Mittel und deshalb auch kein Auto hat, geht er zu Fuß. Seine Reise wird zu einer Art Entdeckungsreise durch ein von Ungleichheit, Korruption und vielen weiteren Missständen geplagtes Land.
VATER - OTAC ist alles andere als ein plotgetriebener Film. Mittels langer Einstellungen, einem geduldigen Erzählrhythmus und einem Blick für markante Details konzentriert sich der Film ganz auf das Schicksal des einfachen Mannes im Zentrum, der in seiner Sprachlosigkeit hier etwas Märtyrerhaftes bekommt. Tatsächlich entwickelt der Film in seiner Langsamkeit eine emotionale Kraft, die die Ausweglosigkeit und Vergeblichkeit von Nikolas Mission herausstreicht, ohne den Film allzu vorhersehbar ins Katastrophische aufzulösen. Stattdessen hält er interessante Lektionen bereit: Nikola findet auch gelegentlich Solidarität auf seinem Weg, er begegnet Menschen, denen es fast noch schlechter geht, er trotzt ein paar „Feinden“ - und gewinnt bei alledem an Stärke und Resolutheit. Aus dem Mann, dem man bemitleidet, wird eine Figur, die man für die Kraft bewundert, mit der er daran festhält, Normalität für sich und seine Familie herstellen zu wollen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)