Mit "Verbotene Filme - Das verdrängte Erbe des Nazi-Kinos" geht Regisseur Felix Moeller ("Die Verhoevens") der Frage nach, ob man die Arbeiten aus dem "Giftschrank des Dritten Reichs" heute noch unter Verschluss halten sollte. Als Ausgangssituation seiner fundierten Dokumentation diente die Tagung und Filmreihe "Nur unter Vorbehalt: NS-Filmpropaganda", die im Frühjahr 2012 im Münchner Filmmuseum veranstaltet wurde. Der Regisseur und Historiker selbst verfasste einen einleitenden Aufsatz im Programmheft und hielt die Einführung zu einigen der umstrittenen Filme. Als Regisseur von "Veit Harlan Im Schatten von Jud Süß" über den Werdegang des umstrittenen Melodram-Experten und den Einfluss des berüchtigten Films auf dessen Familiengeschichte erwies er sich dafür als prädestiniert.
Neben dem historischen Hetzdrama "Jud Süß", das heute noch rund 60 Mal pro Jahr gezeigt wird und stets für volle Häuser sorgt, oder Titeln wie "Kolberg" und "Hitlerjunge Quex" sind die meisten dieser reißerischen Arbeiten längst in Vergessenheit geraten. Moeller konzentriert sich mit Ausschnitten auf rund ein Dutzend dieser ideologisch verbrämten Filme, weshalb einige Aspekte wie die Diffamierung der Weimarer Republik oder der modernen "entarteten" Kunst (in "Venus vor Gericht") nicht oder nur am Rande zur Sprache kommen. Zu Beginn des auf zehn Kapitel angelegten Films präsentiert er an Beispielen die Kriterien, aufgrund derer die NS-Werke nicht mehr gezeigt werden dürfen da sie beispielsweise rassistische, völkerverhetzende Tendenzen aufweisen, "antidemokratisch" sind oder "verfälschende Werte" vermitteln.
Bei dieser Einstufung fallen einige Propagandaelemente unter den Tisch, so dass es vorkommen kann, dass mancher Nazifilm heute frei zugänglich ist. Bei Titeln wie dem antisowjetischen Agentenkrimi "Die goldene Spinne" (1943) genügten einzelne Schnitte, damit sie öffentlich wieder zugänglich wurden. Moeller präsentiert einige gekürzte Szenen wie eingeblendete Hakenkreuzflaggen oder die Kriegsmaschinerie, die man in den Achtzigern daraus entfernte. Filmwissenschaftler wie Thomas Koebner plädieren dafür, dass man die Filme wieder vollständig zeigen sollte, da Entschärfungen Aussage und Wirkung verfälschten.
Dass die perfide Botschaft noch heute auf fruchtbaren Boden fällt, belegen die Diskussionen im Münchner Filmmuseum, wo ein Zuschauer etwa das Euthanasie-Plädoyer "Ich klage an" für seine perfekte Machart lobt. Gegen Ende stellt Moeller Wolfgang Liebeneiners eher unbekanntes Sterbehilfe-Melodram in den Fokus, mit dem die Nazis die Liquidierung Kranker rechtfertigen wollten ein dunkles Kapitel in der Biografie des später populären Unterhaltungsregisseurs ("Die Trapp-Familie").
Ebenso hebt er mit Heinrich George und Emil Jannings zwei angesehene Darsteller aus einer ganzen Riege an Publikumslieblingen hervor, die ihr Können in den Dienst der Nazis stellten. Moeller arbeitet heraus, dass die NS-Gräuel in Filmen wie Jannings "Ohm Küger" bewusst anderen Völkern angelastet wurden. Dazu leitet er die einzelnen Kapitel jeweils mit Auszügen aus Joseph Goebbels Tagebüchern ein, der etwa "Ohm Krüger" als "Anti-England-Film, wie man ihn sich nur wünschen kann" anpreist.
Bleibt die Frage, ob man die "Giftschrank-Filme" heute bedenkenlos wieder freigeben sollte. Selbst Filmhistoriker wie Anton Maria Arns, der in Frankfurt für Einführung und Diskussion zuständig ist, plädiert inzwischen dafür, die Restriktionen zu lockern. Felix Moeller lässt Befürworter und Gegner in diesem Punkt zu Wort kommen, wobei er noch Diskussionsrunden in Paris und Jerusalem mit ähnlich kontroversem Tenor heran zieht. Während Oskar Roehler, Regisseur von "Jud Süß Film ohne Gewissen", für eine freie Verfügbarkeit als Informationsquelle plädiert, kann sich etwa Ernst Szebedits, Leiter der Murnau-Stiftung, nicht mit dem Gedanken anfreunden, plakative Propagandaware für reguläre Vorstellungen zuzulassen. Dieses Problem wird sich auch künftig nicht einfach lösen lassen, was Felix Moeller in seiner informativen Dokumentation anschaulich darlegt, selbst wenn mancher Punkt nur am Rande angeschnitten wurde.
Fazit: Mittels zahlreicher Filmausschnitte und Interviews regt "Verbotene Filme" zur Diskussion an, ob NS-Filmpropaganda verboten oder künftig frei zugänglich sein sollte.