Vielleicht in einem anderen Leben: April 1945: In den letzten Tagen des Krieges lagert eine Gruppe von zwanzig ungarischen Juden auf ihrem Todesmarsch Richtung KZ Mauthausen in einem Heustadel am Rande eines kleinen Dorfes – doch der Weitermarsch verzögert sich.In dieser Situation beschließt der Häftling Lou Gandolf, ein Opernsänger aus Budapest, seine LeidensgenossInnen zu überreden, die Operette "Wiener Blut" für eine private Vorstellung im Stadel...
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Handlung und Hintergrund
Im April 1945 gelangt eine Gruppe ungarischer Juden auf ihrem Todesmarsch aus Budapest ins KZ Mauthausen in ein kleines Dorf der Ostmark (Österreich). Die ausgezehrten Gestalten rund um den Opernsänger Lou Gandolf werden in der Scheune von Stefan Fasching eingesperrt, wo sie zum ersten Mal seit langer Zeit von seiner barmherzigen Frau Traudl Nahrung erhalten. Zunächst zetert der rassistische Bauer gegen diese Milde, schließlich hilft er, mit den Häftlingen eine Operette zu proben, um damit dem Lynchmob, der bereits seine Messer wetzt, zu entgehen.
Besetzung und Crew
Regisseur
Elisabeth Scharang
Produzent
Dieter Pochlatko,
Nikolaus Wisiak M.A.
Darsteller
Ursula Strauss,
Johannes Krisch,
Péter Végh,
Orsolya Tóth,
Franziska Singer,
August Schmölzer,
Rafael Goldwaser,
Thomas Fränzel,
Rainer Egger,
László Nádasi,
Ildikó Dobos,
Kálmán Koblicska,
Joachim Bißmeier,
Elfriede Irrall,
Alexander Meile,
Günter Tolar,
Mario Fürst
Drehbuch
Elisabeth Scharang,
Peter Turrini,
Silke Hassler
Musik
Thomas Jarmer
Kamera
Jean-Claude Larrieu
Schnitt
Alarich Lenz
Casting
Carmen Loley,
Markus Schleinzer,
Vera Varjasi
Kritikerrezensionen
Cinefacts.de
Das Drama Vielleicht in einem anderen Leben erinnert an die Todesmärsche ungarischer Juden durch die österreichische Provinz in den letzten Kriegswochen 1945. Damit sie nicht von der vorrückenden sowjetischen Armee befreit werden konnten, ließ die SS die Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus Gebieten in Frontnähe ins Konzentrationslager Mauthausen deportieren. Die österreichische Regisseurin Elisabeth Scharang hat ihren ersten Kinospielfilm basierend auf dem Theaterstück Jedem das Seine von Silke Hassler und Peter Turrini inszeniert.
Das kleine Dorf inmitten der Felder und Wiesen sieht aus wie eine beschauliche Idylle fernab des Krieges. Aber in der sonntäglichen Messe wird für die Gefallenen aus dem Ort gebetet und ein junger SS-Mann quartiert sich im Haus eines Adeligen ein. Kurz zuvor hat er einen Mann aus dem Treck der Zwangsarbeiter erschossen. Der Ortsgendarm führt die anderen 18 Häftlinge in die Scheune von Bauer Stefan Fasching (Johannes Krisch) vor das Dorf. Ihm ist nur daran gelegen, die Gruppe ordnungsgemäß für den Weitertransport zu übergeben, aber bald stellt sich heraus, dass die Gefangenen nicht abgeholt werden. Im Wirtshaus redet der Nazi-Ortsgruppenleiter bald unverblümt von Selbstjustiz.
Die junge Magd Poldi (Franziska Singer) berichtet der Bäuerin, dass in der Scheune eine Frau umgekippt sei. Die immer finster dreinblickende Traudl Fasching (Ursula Strauss) geht daraufhin mit einem Brot zu den Häftlingen, das ihr die halb Verhungerten gleich aus der Hand reißen. Sie beschließt, noch mehr Essen zu bringen. Der Budapester Opernsänger Lou Gandolf (Péter Végh) erkennt ihre Vorliebe für Musik und bietet ihr zum Dank eine gemeinsame Operettenaufführung an. Der Walzer Wiener Blut wird zum Leitmotiv der Geschichte, er soll die Lebenskraft der todgeweihten Häftlinge mobilisieren und sie vor der Verzweiflung bewahren. Auch in der Seele der Bäuerin weckt er verschüttete Lebenslust und verleiht ihr auf einmal ungeahnten Mut.
Die Idee, der drohenden Vernichtung mit einer Operette als Ausdruck der Lebensfreude zu trotzen, erweist sich für den Film durchaus als problematisch. Der extreme Gegensatz betont die Absurdität der realen Welt theaterhaft, mutet aber den Charakteren zu viel zu. Denn der Ton des Films ist keineswegs satirisch-leicht, das Operettenensemble siecht in der Scheune dahin, in der Ecke liegen bald zwei Tote. Wie die einzelnen Figuren dann vom Leiden zum plötzlichen Ausdruck heiterer Stimmung wechseln müssen, gerät arg plakativ und verkürzt. Die Rollen der Häftlinge werden nicht weit genug ausgearbeitet, um die einzelnen Persönlichkeiten sichtbar zu machen.
Im Gegensatz dazu wird das Ehepaar Fasching mit seinem Streit zur tragenden Säule der Geschichte. Die Bäuerin sieht in den jüdischen Gefangenen nur normale Menschen, der Bauer verharrt eine ganze Weile in der herrschenden Rassenideologie und ihren Kontaktverboten. Die Wortgefechte des Paares gehören mit ihrem schlagfertigen Witz im österreichischen Dialekt zu den Höhepunkten des Films. Aber auch in den stummen Szenen teilen die Eheleute viel von ihrem inneren Aufruhr als verwaiste Eltern mit. Kameramann Jean-Claude Larrieu (Eine Karte der Klänge von Tokio) liefert atmosphärisch dichte Aufnahmen der ländlichen Kargheit. Der Frieden, den sie atmen, erstreckt sich nicht auf alle Dorfbewohner. Die historische Wirklichkeit lautet, dass die ländliche Bevölkerung mancherorts Grausamkeiten und Gräueltaten beging, sogar noch bis Anfang Mai 1945.
Fazit: Mit atmosphärisch dichten Bildern ländlicher Stille und einer bühnenhaften inhaltlichen Polarisierung erinnert Vielleicht in einem anderen Leben an ein unrühmliches Kapitel aus der österreichischen Geschichte.