Graue Haare, graue Bärte haben die beiden Herren, die sich im ICE-Abteil gegenüber sitzen. Sie lassen im Gespräch die Zeit Revue passieren, durch die sie in ihrem Leben gereist sind, seit ihren ersten Bühnenauftritten. Die Liedermacher Hannes Wader, geboren 1942, und Konstantin Wecker, Jahrgang 1947, befinden sich auf einer gemeinsamen Konzerttournee und werden begleitet vom Filmemacher Rudi Gaul, der 40 Jahre jünger als Wader ist.
Die Lieder, die sie heute singen, sind zum Teil die gleichen wie in ihrer Blütezeit. Archivaufnahmen zeigen den langhaarigen Wader Anfang der 1970er Jahre, wie er zur Gitarre mit seiner melodiösen, kraftvollen Stimme singt. Gerne stehe er, erklärt er heute dazu, stocksteif auf der Bühne, ohne jeden Ansatz von Show. Bei Wecker ist das seit 30 Jahren anders: Impulsiv und mit Hang zur Operndramaturgie sucht er im Gesang und am Klavier gerne die Verbindung von laut und leise, den spannungsgeladenen Auftritt. Auf ihrer gemeinsamen Tournee haben sie noch drei Instrumentalmusiker dabei das Gruppenexperiment belastet den Einzelgänger Wader anfangs erheblich.
Der aus Westfalen stammende Wader und der Bayer Wecker weder als Persönlichkeiten, noch in ihrem musikalischen Ausdruck haben sie viel gemeinsam. Aber sie finden das Gegensätzliche inspirierend und setzen außerdem auf das Verbindende. Denn, das zeigt Gauls Dokumentation schlüssig, als politische Liedermacher haben beide eine ähnliche Bürde zu schultern gehabt. Wader mit seiner Folkmusik und den mild kritischen, träumerischen Texten war den Linksrevolutionären der Siebziger nicht radikal genug, Wecker flüchtete sich gar für eine Weile in die Toskana, um politischen Vereinnahmungsversuchen zu entgehen. Beide erlebten sie später auch die Einsamkeit des Künstlers, der die Bodenhaftung verliert. Wader trat als Reaktion darauf in die DKP ein, Wecker wurde kokainsüchtig. Und heute? Vieler Illusionen beraubt, glauben sie trotzdem, dass es sich lohnt, für eine bessere Welt einzutreten, auch als Liedermacher.
Dem Dokumentarfilmer gegenüber zeigen sie sich erstaunlich offen. Sie lassen sich in ihrem Zuhause und im Kreise ihrer Familie ablichten, und sie geben freimütig Auskunft über ihre inneren Konflikte und Skrupel. Besonders der auf den ersten Blick verschlossenere Wader ist überraschend mitteilsam in der Erforschung seines Gewissens. Es wird deutlich, dass diese beiden Menschen sich nicht ausnehmen aus der Zeitkritik, die sie in ihren Liedern üben.
Nicht zuletzt handelt diese gut komponierte, informative Dokumentation aber von der Musik. Wenn Wader und Wecker die Lieder, mit denen sie einst individuell berühmt wurden, auf der Bühne im Duett vortragen, hört sich das wie eine aufregende Neuentdeckung an. Die Bedeutung dieser beiden Künstler zeigt sich nirgends eindrucksvoller als im Bad in der Menge, das die die Kamera nimmt, wenn sie sich im Publikum umschaut. Menschen verschiedenen Alters lauschen beglückt, formen die Worte wie Hymnen mit den Lippen nach, feiern die ideelle Gemeinschaft mit ihren Liedermachern.
Fazit: Rudi Gauls Dokumentarfilm über die Liedermacher Hannes Wader und Konstantin Wecker verbindet individuelles Porträt klug mit Zeitgeschichte und feiert die Kraft der Musik.